Kunst

Port 25 in Mannheim zeigt Tuschewerke von Rainer Negrelli

Rainer Negrelli, 81 Jahre alt und Dozent an der Freien Kunstakademie Mannheim, setzt seine Kreativität auf außergewöhnliche Weise ein. Warum seine neuesten Werke von einer einzigartigen künstlerischen Vision zeugen

Von 
Christel Heybrock
Lesedauer: 
Rainer Negrelli vor seiner mehr als zehn Meter breiten Arbeit „Atlantik“. © Rinderspacher

Mannheim. „Egal, wo ich hingehe, ich zeichne immer“, sagt Rainer Negrelli, 81 mittlerweile, Dozent an der Freien Kunstakademie Mannheim. Kai Behm und Yvonne Vogel von Port25 wollten ihm einmal in die Skizzenbücher und Zeichenrollen schauen. Was letztere betrifft, erstaunt die Besucher ein Werk, dessen wandsprengendes Format eine völlige Ausbreitung nicht möglich machte – es ist mehr als zehn Meter lang. Negrelli schuf es an der französischen Atlantikküste, tatsächlich draußen vor Ort, immer nur in partiell ausgerollten Teilen, links und rechts am Auseinanderschnellen beschwert durch selbstgebaute Sandhaufen.

Die kleine Schau zeigt Negrelli unter anderem als häufigen Frankreich-Besucher, seit vielen Jahren kann er im Sommer das Pariser Atelier einer Kollegin nutzen, und er nutzt es für alles, was er sieht, worin er sich bewegt und was ihn bewegt: Notre Dame, die Seine-Brücken, die Friedhofsgräber, seine Atelierstraße und nicht zuletzt die Atmosphäre, den Himmel über Paris, Licht, Dunkelheit.

In den Skizzenbüchern darf man vorsichtig blättern, verblüffend der Wechsel zwischen schwarzen Tusche- und Aquarell-Aufzeichnungen und farbigen, mit verschiedenen Markerstiften dicht und leuchtend bedeckten Flächen.

Was die Motive betrifft: Negrelli sieht alles, kann alles, zeichnet alles. Eine Teekanne, eine menschliche Figur in Bewegungsstadien, Bäume, am Rheinufer angeschwemmtes Gestrüpp oder Wellen, Brandung, die kleinen Pfützen, die zurückbleiben, wenn das Wasser gekommen und kurz wieder gegangen ist. Wellen! Wie sie sich aufbäumen, sich überschlagen, zusammenfallen und wiederkommen.

Ein zunächst unscheinbar anmutendes Blatt in einem Skizzenbuch „En pluie“ – im Regen. Da ist Negrellis Strich plötzlich zart, fast transparent, man ahnt einen Hauch von Dunst mitten in den gleichmäßigen, abgestuften und neu ansetzenden Schraffuren.

Was das „alles“ betrifft, nimmt er Menschen und sich selbst nicht aus. Einmal hat er sich in den Finger geschnitten, heftiges Bluten – er hat es gezeichnet und sein eigenes Blut als Tusche benutzt.

Und es ist ihm nicht genug zu zeichnen, was er sieht, zahlreiche schriftliche Notizen in den Büchern zeigen ihn als nachdenklichen, bewussten Zeitgenossen und als Literatur-Rezipient. Die Galerie im Roten Turm in Grünstadt stellte kürzlich seine Zeichnungen zu der Novelle „Le Mort“ von Georges Bataille aus – der Tod ist keine Instanz, der Negrelli sich verweigert. So umfassend seine Wahrnehmung und seine Antwort auf die Welt sind, so unverwechselbar ist trotz verschiedenster Materialien sein zeichnerischer Duktus.

Wie zart und wie energisch auch immer – im Hintergrund ist eine Dynamik, ein Durchdringen, ein Mitagieren mit dem Motiv. Egal, ob es sich um kahle Äste, Industrieanlagen, Schrott oder eine Kaffeetasse handelt, Negrelli lässt die Dinge als kraftvoll handelnde Akteure erscheinen, tote Materie scheint es für ihn nicht zu geben.

Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren

Der Mannheimer Morgen auf WhatsApp



Auf unserem WhatsApp-Kanal informieren wir über die wichtigsten Nachrichten des Tages, empfehlen besonders bemerkenswerte Artikel aus Mannheim und der Region und geben coole Tipps rund um die Quadratestadt

Jetzt unter dem Link abonnieren, um nichts mehr zu verpassen

Freie Autorin MM Kulturredaktion 1974-2001, Fachgebiet Bildende Kunst

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke