Interview

Organisatorin Callies: „Lust auf das große Sammelsurium“

Die Autorin und Literaturvermittlerin Carolin Callies spricht im Interview über die Baden-Württembergischen Literaturtage, die von 7. bis 16. Juni in Ladenburg stattfinden. Der Vorverkauf läuft bereits

Von 
Thomas Groß
Lesedauer: 
Versteht sich auf Literatur und ihre Vermittlung: Carolin Callies. © Max Liebenstein

Ladenburg. Mit dem Verein „vielerorts“, dessen erste Vorsitzende sie ist, organisiert die Autorin und Literaturvermittlerin Carolin Callies schon seit 2017 alljährlich in Ladenburg ein Literaturfestival. Dieses Jahr ist das Literaturfest deutlich größer als gewohnt, denn von 7. bis 16. Juni sind die Ladenburger Literaturtage zugleich die 41. Baden-Württembergischen Literaturtage. Statt wie gewohnt vier Tage mit Veranstaltungen rund um neue Bücher, werden es nun zehn. Im Interview spricht Carolin Callies über die damit verbundene Herausforderungen und Erwartungen.

Frau Callies, als Mitinitiatorin und Hauptorganisatorin der Ladenburger Literaturtage haben Sie schon Routine. In diesem Jahr vergrößern sich diese aber zu Baden-Württembergischen Literaturtagen. Das ist ehrenhaft, macht aber auch viel mehr Arbeit, nicht wahr?

Carolin Callies: Auf jeden Fall. Üblicherweise dauern die Literaturtage in Ladenburg ja nur vier Tage, jetzt sind es zehn Tage. Allerdings arbeiten wir in diesem Jahr auch eng mit der Stadt Ladenburg zusammen, und so erfahren wir große Unterstützung in der Organisation insgesamt und noch besonders in der Logistik und der finanziellen Abwicklung. Unser Verein vielerorts ist vor allem für den inhaltlichen Aspekt zuständig: Wir durften die Autorinnen und Autoren auswählen und übernehmen auch die Moderationen zu den Lesungen.

Wie schon die Ladenburger Literaturtage finden auch die Termine der größeren Auflage an besonderen Orten statt, in Höfen, Gärten, auf der Neckarfähre gar oder auf einem Tennisplatz. Warum legen Sie darauf Wert?

Callies: Das hat zwei Gründe. Der eine ist, dass wir in Ladenburg nicht mit großen Kinos, Theatern und anderen respektablen Veranstaltungsräumen gesegnet sind. Man muss schon deshalb nach Alternativen suchen. Zum anderen ist es so, dass es gerade den Reiz einer Stadt wie dieser ausmacht, dass sich beispielsweise hinter einem unscheinbaren Tor ein schöner Hof öffnet, der vielleicht für 80 bis 100 Menschen Platz bietet. Es zählt überdies zu den Besonderheiten unseres Festivals, dass sich Menschen spontan bereit erklären, ihre Gärten oder Höfe für Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen und so zur Gastgeberin oder zum Gastgeber zu werden.

Reicht es nicht, auf das – traditionell gesprochen: dichterische Wort zu vertrauen?

Callies: Das tun wir sowieso. Unseren kleinen Verein zeichnet eine große Bandbreite auch der Lesevorlieben aus, vom historischen Roman bis zur Lyrik. Das zeigt sich dann auch im Programm – und kann durch die Veranstaltungsorte noch zusätzlich verdeutlicht werden.

Carolin Callies und das Festival

Carolin Callies, geboren 1980, studierte Germanistik und Medienwissenschaften. Sie ist Autorin und Literaturvermittlerin. Zuletzt erschien nach „fünf sinne & nur ein besteckkasten“ (2015) sowie „schatullen & bredouillen“ (2019) ihr dritter Gedichtband „teilchenzoo“ (2023, Schöffling & Co). Callies wurde unter anderem mit dem Gerlinger Lyrikpreis und dem Berliner Kunstpreis geehrt.

Als Literaturvermittlerin organisiert sie die Ladenburger Literaturtage „vielerorts“ und kuratiert die Bühnen der Kurt Wolff Stiftung für unabhängige Verlage auf den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig.

Vorverkauf für die Baden-Württembergischen Literaturtage von 7. bis 16. Juni in Ladenburg unter www.reservix.de; allgemeine Info zum Festival: www.literaturtage-bw.de

 

Was macht für Sie und ihre Mitstreiter ein Literaturfestival aus? Was ist Ihr Anspruch dabei?

Callies: Das sind so viele Aspekte – ich denke aber, es ist die Lust aller in unserem Verein, Menschen zusammenzubringen, und zwar ganz unterschiedliche Menschen, verschiedenen Alters und unterschiedlichster Herkunft. Wir möchten sie alle zusammen- und ins Gespräch miteinander bringen. Wir wollen den Austausch fördern, ohne dass dabei hohe Hürden überwunden werden müssten. In einen Garten zu gehen, wo Literatur zu hören ist und dafür häufig nicht einmal Eintrittsgeld zu entrichten ist – das senkt die Eingangsschwellen enorm.

Empfinden Sie die entsprechenden Veranstaltungen in den benachbarten Großstädten Heidelberg und Mannheim als Konkurrenz – und zählen Sie darauf, dass auch Publikum von dort den Weg zu Ihnen findet?

Callies: Nein, Konkurrenz empfinden wir da keine. Das Mannheimer Literaturfest Lesen.Hören findet ja schon viel früher im Jahr statt, und das Heidelberger Literaturfestival setzt anders als wir einen starken internationalen Schwerpunkt. Besucher aus Mannheim oder Heidelberg begrüßen wir bei uns durchaus regelmäßig – ebenso wie solche aus Frankfurt oder auch der Schweiz. Wir haben uns offenbar schon über die Region hinaus einen Namen gemacht.

Die erwähnten Festivals in den großen Städten setzen seit kurzem verstärkt politische Akzente. Machen Sie das auch?

Callies: Nun, die Frage wäre ja, was „politisch“ hier meint. Heutzutage ist alles politisch. Wenn wir eine Veranstaltung mit Annette Pehnt und Deniz Ohde über Machtstrukturen in Paarbeziehungen im Programm haben, dann ist das ja auch schon eine politische Ansage. Oder wenn wir bei einer Veranstaltung kooperieren mit den jüdisch-muslimischen Kulturtagen in Heidelberg. Auch wenn wir es nicht so stark betonen, so drehen sich doch viele unserer Veranstaltungen um gesellschaftspolitische Fragen.

Liest zur Eröffnung aus seinem Roman: Rafik Schami. © dpa

Buch-Tiktok und sogenannte New-Adult-Liebesgeschichten sind in der Verlagsbranche und im Lesepublikum ein angesagtes Thema. Gilt das auch für Sie und Ihr Festival?

Callies: An diesem Punkt sind wir tatsächlich noch nicht angelangt. Wir haben niemanden zu Gast, der auf diesem Kanal sehr präsent ist – und sind es auch selbst nicht. Vielleicht ist das ein Thema für die Zukunft des Festivals – wobei es sinnvoll wäre, wenn sich jemand aus unserem Verein in diesem Bereich gut auskennen würde…

Mit welchen Publikumszahlen rechnen Sie?

Callies: Der Vorverkauf läuft sehr gut. Die erste Veranstaltung ist so gut wie ausverkauft. Wir sind also guter Dinge, was die Resonanz betrifft. Allerdings kosten ja nur sieben Veranstaltungen Eintritt und lassen im Vorfeld schon durch die Kartennachfrage eine Erwartung zu. Was die Termine mit freiem Eintritt angeht, müssen wir uns einfach überraschen lassen. Um die 2000 Besucher hatten wir bei unseren Ladenburger Literaturtagen schon regelmäßig – in ja nur vier Tagen. Also erwarten wir, dass noch einiges zu dieser Zahl dazukommt und dass es 4000 Besucher werden in diesem Jahr.

Und auf welche Veranstaltung freuen Sie sich selbst am meisten?

Callies: Lust habe ich natürlich auf das große Sammelsurium, das für jeden etwas bietet. Ich selbst freue mich nicht zuletzt besonders auf Paul Maar, den ich schon seit meiner Kindheit als Autor schätze, außerdem auf Eugen Ruge, der mit seinem Roman „Pompeji“ perfekt in unsere auf die Römerzeit zurückgehende Stadt passt – und zudem noch auf die Veranstaltung mit zeitgenössischen Lyrikautorinnen und -autoren.

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke