Mannheim. „Komm vor, Oliver. Wir müssen arbeiten.“ Amira Pocher hat sichtlich Mühe, ihren Ehemann zu Beginn des Auftritts beim Mannheimer Carstival auf die Bühne zu holen. Denn Oliver Pocher hat Spaß am Rollerfahren gefunden. Wie ein kleiner Junge wirkt der 42-Jährige, als er quieckend und freudestrahlend im blauen Sakko durch die voll besetzten Reihen auf dem Maimarkt-Gelände düst. Zwischendrin begrüßt er viele Zuschauer. Zeigt sich Fan-nah. Ja, er steigt sogar auf Autos. Kein Zweifel: Pocher hat schon zu Beginn der Veranstaltung großen Spaß – und vermittelt diesen auch.
Es ist ein erfrischender Auftritt des Hannoveraners. Ein Auftritt, der Spaß macht. Dem Zuschauer große Freude vermittelt, auf das, was da nun wohl noch kommen mag. Eine Freude, die nicht erfüllt wird – die enttäuscht wird. Maßlos enttäuscht. Denn den sieben Minuten auf dem Roller schließen sich weitere schier endlos wirkende 110 an.
110 Minuten, in denen man zwischen Fremdscham, Langeweile und dem Sich-Motivieren, dem Programm doch bis zum Ende beizuwohnen hin- und herschwankt. Und am Ende überwiegt die Erleichterung. Geschafft! Die Frage, was man nun mit diesem Abend anfangen soll, drängt sich auf. Da hilft es auch nicht, dass die Organisation wieder einmal reibungslos geklappt hat. Und es hilft vor allem auch nicht weiter, dass nach etwa 45 Minuten mit Chris Tall noch ein dritter Comedian die Bühne betritt.
Diskussion über Pädophilie
Was bis zu Talls Auftritt geschieht, ist peinlich. Amira und Oliver unterhalten sich etwa darüber, mit welchem Prominenten sie jeweils Sex haben wollen würden. Eine endlose Diskussion, die sich doch immer wieder im Kreis dreht. Der tiefere Sinn dieser Unterhaltung? Den gibt es nicht, jedenfalls erschließt er sich einem, wie so vieles an diesem merkwürdigen Abend, nicht. Als Podcast soll man das Gespräch nachhören können. Dabei muss man das sicherlich kein zweites Mal tun.
Dass Amira die Hälfte der Namen ihrer Traumpartner nicht einfällt, passt zum peinlichen Auftritt. „Ist das das Niveau? Hat Mannheim das verdient?“, fragt Oliver seine Frau, nachdem sich die beiden ausgiebig über ihre primären und sekundären Geschlechtsorgane ausgelassen haben. Die Antworten: Ja, das ist wohl das Niveau an diesem Sonntagabend, dem ersten von zwei Auftritten der Pochers beim Carstival. Und nein, Mannheim hat das eigentlich nicht verdient.
Doch es kommt noch schlimmer. Weitaus schlimmer. Man muss sich fremdschämen, als sich das Paar – ausgehend vom Fall Michael Jackson – über verschiedene Formen der Pädophilie unterhält. Auf Instagram hatte sich das Paar kürzlich öffentlichkeitswirksam für den Kampf gegen Pädophilie starkgemacht. An diesem Abend aber werden Argumente ausgetauscht, die man zumindest in diesem Kulturteil sicherlich nicht wiedergeben muss.
Es ist ein skurriler Auftritt. Einer, der im Gedächtnis haften bleiben wird. Negativ, versteht sich. Im Schwadronieren über Belanglosigkeiten verlieren sich die beiden – auch weil kein Faden erkennbar ist. Das Duo dreht sich im Kreis. Vielleicht spannende Diskussionsansätze wie etwa die Personalie Xavier Naidoo (Amira: „Ich kann Xavier nicht nicht mögen“) müssen schnell weiteren Belanglosigkeiten – etwa der Frage: Botox oder kein Botox im Alter? – weichen.
Nach etwa 45 Minuten bittet Pocher Chris Tall auf die Bühne. Er soll das Ehepaar unterstützen – vielleicht gar retten? Doch auf die Qualität des Abends hat Talls Auftritt wenn überhaupt nur geringfügige Auswirkungen. In die andere Richtung war zu diesem Zeitpunkt auch nur wenig Spielraum. Und so diskutiert man nun eben zu dritt. Die Themen: weiterhin recht willkürlich. Man plaudert. Belangloses, nichts wirklich Erwähnenswertes.
Pocher spult sein Programm ab. Erzählt von seinen vielen, auch juristischen Privatfehden mit C-, mit gutem Willen vielleicht noch B-Prominenten. Das sorgt mal für ein kleines Schmunzeln, doch ist die Methode inzwischen hinlänglich bekannt: Singer Michael Wendler wird auf die Schippe genommen, andere Namen sind eher unbekannt. Immerhin: Zum Ende hin steigert sich die Qualität – zumindest, was die Stimmung auf dem Parkplatz betrifft. Pocher wird doch noch mal gesellschaftspolitisch. Bezieht klar Stellung gegen Attila Hildmann, Corona-Leugner, Verschwörungstheorien oder Donald Trump. Hält ein Plädoyer für den Kampf gegen Corona. Das bringt zu Recht Applaus.
Für das, was in den knapp zwei Stunden davor passierte, entschädigt das wenig. Am Ende wird übrigens wieder Roller gefahren. Zum Glück! Mit passender Musik entwickelt sich sogar noch richtige Partystimmung auf dem Parkplatz. Ein Gewitter von Warnblinkern begleitet den Abschied an einem denkwürdigen Abend und Oliver Pocher sorgt auf dem Elektroroller für gute Laune. Wäre er doch bloß nie abgestiegen.
Die nächsten Termine
- Die nächsten Termine beim Carstival-Festival auf dem Mannheimer Maimarktgelände:
- 9. Juli: Gentleman
- 10. Juli: Haftbefehl
- 18. Juli: Sixx Paxx
- 23. Juli: Völkerball ... a tribute to Rammstein
- 24. Juli: Schiller
- 26. Juli: Sweet Soul Music Revue
- 31. Juli: Musikalischer Gottesdienst als Drive-in
- 1. August: Sunshine live – die 90er live on Stage Autofestival
- Karten jeweils unter: carstival.de/konzert
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