Kunst

Nachlass von Walter Stallwitz nun im Marchivum

Das Marchivum macht den Nachlass des Mannheimer Malers Walter Stallwitz - darunter Briefe, Notizen und Zeichnungen - für die Forschung zugänglich

Von 
Christel Heybrock
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Sein Schaffen wurde in vielen Ausstellungen etwa in der Kunsthalle Mannheim gewürdigt: der Maler Walter Stallwitz, hier 1993. © Manfred Rinderspacher

Mannheim. Walter Stallwitz (1929-2022) wird wohl in Erinnerung bleiben als der Maler leerer Stühle und Innenräume einerseits, aber andererseits auch als Porträtist. Wie diese beiden Themen sich in seinem Kopf zu einer Notwendigkeit verbanden, erfuhr man nur im persönlichen Gespräch – die Bilder allein ließen manches ahnen, aber nicht ihre bewusste intellektuelle Basis.

Die Mannheimer Stiftung Künstlernachlässe betreut Stallwitz‘ künstlerischen Nachlass. Die offenbar umfangreichen schriftlichen Hinterlassenschaften des Malers wurden jetzt ans Marchivum übergeben, wo sie nach „professioneller Archivierung“ für Forschung und Wissenschaft zugänglich werden.

Stallwitz, aus einer Arbeiterfamilie stammend, hatte in Mannheim studiert, aber später von Oskar Kokoschka und dessen Salzburger Sommerakademie entscheidende malerische Impulse bekommen.

Wie aus einer Pressemeldung des Marchivums hervorgeht, besteht der schriftliche Nachlass nicht nur aus Briefen und Notizen, sondern auch aus Postkarten und Zeichnungen, darunter einem Konvolut handgemalter Postkarten an Stallwitz‘ Frau Irma – „Mail Art“ würde man so etwas heute nennen. Darüber hinaus geht es aber auch um Korrespondenzen mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie Kunsthallendirektor Heinz Fuchs, der Stallwitz unter anderem in der Schau „Der ausgesparte Mensch“ 1975 breiten Raum gab, sowie mit dem Fotokünstler Robert Häusser, dessen humaner Skeptizismus der Einstellung von Stallwitz wohl recht nah war.

Vielleicht waren es seine gezeichneten Porträts, die Stallwitz bekannt machten

Stallwitz, aus einer Arbeiterfamilie stammend, hatte in Mannheim bei Paul Berger-Bergner und Carl Trummer studiert, aber später von Oskar Kokoschka und dessen Salzburger Sommerakademie entscheidende malerische Impulse bekommen – das dichte Farbengeflirre der leeren Innenräume sind eine Weiterentwicklung dieser Anregungen. Aber auch diese Bilder sind umfassender zu verstehen, wenn man Stallwitz‘ Äußerungen über Menschen berücksichtigt. Das klang schon mal so radikal wie: „Es gibt gar keine Individuen, wir sind von Geburt an sofort in einem Geflecht. Daraus kann man gar nicht ausbrechen, das ist ein Irrtum.“ Oder auch: „Wir sitzen alle in einem Boot. Es macht mich wahnsinnig, dass einfach akzeptiert wird, wie Menschen zu Verlierern werden.“ Stallwitz hat diese Haltung real gelebt: 1993 erhielt er das Bundesverdienstkreuz – ein Jahr später gab er es zurück, aus Protest gegen die damalige Asylpolitik der Bundesregierung (was hätte er dazu erst heute gesagt?).

Aber vielleicht waren es seine gezeichneten und gemalten Porträts, die Stallwitz als erstes bekannt machten: Willy Brandt, Günther Grass und die Autoren der Gruppe 47, mehrfach auch Kunsthallendirektor Heinz Fuchs, der Schauspieler Adolf Laimböck und Mäzen Heinrich Vetter gehörten zu den Personen, die er mit Stift und Pinsel festhielt, wobei zwar die Zeichnungen sich auf Gesichtszüge konzentrierten, die Gemälde wiederum das atmosphärische Umfeld gleichwertig einbezogen.

Unbekannte Schätze im Atelier in der Alten Sternwarte

Stallwitz hatte 1958 das Atelier in der Alten Sternwarte von Bildhauer Gerd Dehof übernommen, der den hohen Raum durch eine Wendeltreppe in zwei Ebenen geteilt hatte. Hier entstanden nicht nur viele Prominentenporträts, sondern auch politisch aufgeladene Bilder wie das mit dem Papst, der die Ungeborenen segnet und den hungernden Geborenen den Rücken kehrt, oder die Kreuzigung nicht etwa von Jesus, sondern von drei schwarzen Frauen vor einer gaffenden Menge. Fast unbekannt geblieben sind zahlreiche Pinselarbeiten auf Papier, ein ungehobener Schatz, den er im Atelier in Mappen aufbewahrte. Es ist zu hoffen, dass auch sie im Marchivum ihren endgültigen Platz haben.

Freie Autorin MM Kulturredaktion 1974-2001, Fachgebiet Bildende Kunst

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