Mannheim. Den Mann kennt hier noch niemand, und auch in den USA ist er eher Insidern ein Begriff: Morgan Talty, 1991 geboren in Bridgeport, Connecticut, kam mit sechs Jahren nach Maine in die Penobscot Indian Nation, deren Mitglied er ist. Bisher hat er den Erzählband „Night of the Living Rez“ und 2024 den Debütroman „Fire Exit“ veröffentlicht.
Der Rowohlt Verlag wagt den Einstieg des neuen Autors nicht etwa mit dem großen Erzählwerk, sondern mit dem Band von zwölf Geschichten, der jedoch als Roman deklariert wird: „Sein Name ist Donner“ setzt die letzte Erzählung an den Titel des Bandes, und da alle von denselben Personen erzählen, hätte es nur eines Kniffs bedurft, um einen Roman daraus zu machen. Talty verzichtete darauf – „Fire Exit“ entspringt einem anderen Ansatz.
Zwölf Erzählungen vom Scheitern und Standhalten
Abgesehen davon fasziniert die Übersetzung von Thomas Überhoff jedoch durch Behutsamkeit und Zupacken, durch inspiriertes Mitdenken und Lust an den schnoddrigen Schlenkern des Originals. Der Band beginnt mit „Burn“, dem geplanten Verbrennen eines Haarschopfs – und er endet mit einer Verbrennung, dem Babykörbchen eines toten Kindes. Dazwischen liegen Geschichten von prekären Verhältnissen, die sich über Jahrzehnte erstrecken, aber nicht chronologisch verlaufen. Icherzähler David, genannt Dee, ist zu Beginn ein junger Erwachsener, dann mal ein Kind, mal ein Teenager, schließlich ein älterer Mann, der sich erinnert.
Im Grunde handeln alle Erzählungen vom Scheitern, von der Unfähigkeit speziell der Männer, ihr Leben im Griff zu haben. Dee und seine Freunde Tyson, JP und der brutale Fellis leben Mitte zwanzig bei ihren Müttern und versumpfen in Drogen, Alkohol und Kriminalität. Familien sind zerrissen, Dees Mutter hat sich von seinem Vater getrennt und lebt mit Medizinmann Frick, Dees ältere Schwester Paige verschwindet von Zeit zu Zeit – als sie auftaucht, ist sie schwanger, unklar von wem, womöglich von ihrem und Dees Vater, bei dem sie zurückgeblieben ist, als Dees Mom ihn zusammen mit Dee verließ.
Derartige Unklarheiten durchziehen fast alle Geschichten, sie sind Bestandteil eines latent magischen Denkens. So erfährt man nicht explizit, wodurch und warum Paige ihr Baby verliert – hat Frick ihr ein indigenes Abtreibungsmittel verabreicht, ist es tatsächlich der Fötus, der bei einer Feuerzeremonie auf die Beerdigung vorbereitet wird? In der letzten Geschichte verliert Paige erneut ein Baby, den mit Methadonkrämpfen geborenen Bedogi – dessen Name Donner bedeutet, obwohl er so leise sein kleines Leben aufgibt.
Stärker als Chaos: die Kraft von Frauen und der Natur
Dennoch gibt es in der Tiefe etwas, das unzerstörbar bleibt, was Einsichten und Reste von Verantwortung weckt. Es sind die Frauen, die standhalten und sich ausbeuten lassen, ohne Opfer zu sein, sie sind die Stärkeren. Verwoben in die Dinge, die Körper und ihr Handeln ist die Natur, sind die Bäume, das Eis und der Fluss, sind Matsch, Dunkelheit und das Auf- und Untergehen der Sonne. Was dem Chaos standhält, ist tiefer als das Chaos.
Info: Morgan Talty, „Sein Name ist Donner“, Rowohlt Verlag, Hamburg, 25 Euro
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