Geburtstag

Mit dem Gefühl die Welt begreifen

Peter Rühring, langjähriges Ensemblemitglied des Mannheimer Nationaltheaters, feiert seinen 80. Geburtstag.

Von 
Alfred Huber
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Peter Rühring verbrachte 16 Jahre am Nationaltheater Mannheim. Eine Zeit, die ihn prägte und ihm die ersten überregionalen Erfolge bescherte. © Matthias Scheuer

Er sei ein Theatermensch. Eine Selbsteinschätzung, die vielleicht überrascht. Schließlich hat Peter Rühring, der am Sonntag 80 Jahre alt wird, seine vielseitigen darstellerischen Möglichkeiten auch in Kinofilmen und Fernsehproduktionen erfolgreich bewiesen. Etwa als Richard Arnold Bermann im oscarprämierten Liebesdrama „Der englische Patient“ oder als Apotheker Joachim Meissner in der ARD-Serie „Rote Rosen“. Alles wichtige Erfahrungen für ihn, die er zu schätzen weiß. Doch seine wahre Liebe gehört dem Theater, betont er nachdrücklich.

Dabei war er, 1942 in Bremerhaven geboren, ein Spätberufener. Erst mit 24 begann er seine Ausbildung an der Schauspielschule Bochum. Über das Landestheater Tübingen kam er 1972 nach Mannheim und blieb hier bis 1988. Anschließend folgte er Jürgen Bosse nach Stuttgart. Ein Regisseur und Intendant, dem er künstlerisch viel zu verdanken hat, obwohl die Zusammenarbeit offenbar nicht einfach war: „Ich habe mich (immer) mit ihm gestritten –und vertragen“, ließ Bosse jedenfalls verlauten.

Immer gern zurückgekehrt

Mannheims Nationaltheater war für Rühring, der von Stuttgart ans Münchner Residenztheater wechselte, ein Lebensmittelpunkt. Sechszehn Jahre, die ihn prägten und ihm die ersten überregionalen Erfolge bescherten. Wohl deshalb ist er immer wieder gern zurückgekehrt. Etwa für die Rolle des Charlie Aiken in Tracy Letts „Eine Familie“ oder als Verkäufer Ellenbeck in Theresia Walsers „Herrenbestatter“. Eine komisch-tragische Gestalt, die vorzeitig in den Ruhestand geschickt wird, weil ihr angeblich der nötige Elan fehlt, um die Sirenengesänge der Warenwelt an die Kundschaft optimal weiterzugeben. Rühring nähert sich dieser Figur voll feiner Empfindungen, mit einer spöttischen Weltverneinung, die Ellenbecks Pedanterie und Enge nicht unterschlägt.

Menschen wie „Richard III.“ in Mannheim, dessen Schatten größer ist als er selbst, hat Rühring selten gespielt. Eher bemühte er sich um jene, die versuchen, ihr unglückliches Leben in den Griff zu bekommen. Zwar schlingern sie unaufhaltsam dem Untergang entgegen, sind aber kaum bereit, ihre überholten Ideale zu korrigieren.

Vielleicht ist das auch ein Grund, weshalb Peter Rühring am Gegenwartstheater einiges auszusetzen hat. Vor allem stören ihn die oft verkrampft wirkenden Modernisierungen. Das Dilemma beginne bereits bei der Kostüm-Auswahl, sagt er. Shakespeare in Jeans aufzuführen, um dessen Aktualität zu demonstrieren, hält er für überflüssig. Schließlich wären die Zuschauer nicht derart beschränkt, dass die Regisseure sie mit solchen Äußerlichkeiten auf aktuelle Bezüge hinweisen müssten.

Manches ist ihm auch zu oberflächlich, zu wenig authentisch, zu willkürlich. Es sei ein Irrtum zu glauben, dass man die Stücke besser verstünde, wenn man sie auf den Kopf stelle. Im Gegenteil. Entsprechend suspekt sind ihm auch theorielastige Bekehrungen. Schon deshalb, weil sich für ihn der Vorgang des Begreifens primär über das Gefühl ereignet.

Eine Lieblingsrolle habe er nicht, bekennt er. Ihm waren stets Texte wichtig, aus denen er einen unverwechselbaren Charakter formen konnte. Und zwar mit all den unangenehmen Wahrheiten, die ihn als Schauspieler zwingen auszusprechen, was er im wirklichen Leben lieber verschwiegen hätte.

Freier Autor Geboren 1941, Studium Musikheorie/Musikwissenschaft, Philosophie, Germanistik, Kunstgeschichte in Mannheim und Heidelberg Volontariat Mannheimer Morgen, Redakteur, anschließend freier Journalist und Dozent in verschiedenen Bereichen der Erwachsenenbildung. Ab 1993 stellvertretender Ressortleiter Kultur, ab 2004 bis zur Pensionierung Kultur-Ressortleiter.

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