Filmkritik

Mehr als nur eine Fortsetzung von „The Accountant“

Nach dem Mord an einem alten Weggefährten ist Ben Affleck in Gavin O‘Connors „The Accountant²“ erneut als hieb- und stichfester, inselbegabter Buchhalter unterwegs.

Von 
Gebhard Hölzl
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Jon Bernthal (links) und Ben Affleck liefern in "The Accountant²" kompetent harte Action. © Warner Bros. Pictures

Klugerweise hat der heimische Verleih diesmal darauf verzichtet, den US-Titel seines Produkts einzudeutschen. Ein Werk namens „Der Buchhalter“ würde wenig verlockend klingen, vergangene Telekolleg-Zeiten ins Gedächtnis rufen, wohl Assoziationen bezüglich fälliger Steuern wecken und kaum Lust auf Kino machen. Bei „The Accountant“ liegt der Fall anders. Gerne erinnern sich Fans an den von Ben Affleck gespielten Mafia-Buchprüfer namens Christian Wolff, der vor neun Jahren von seinem Kleinstadtbüro aus weltweit für gefährliche Verbrecherorganisationen tätig war und nun erneut zum Einsatz kommt.

Hochgestellte Zwei signalisiert Potenzierung von Härte, Tempo oder Spannung

Schlicht „The Accountant²“ heißt das Sequel, wieder von Bill Dubuque („Ozark“) geschrieben und Gavin O‘Connor („Jane Got a Gun“) inszeniert. Die hochgestellte 2 belegt, dass man es nicht mit einer simplen Fortsetzung zu tun bekommt. Die Zahl lässt sich vielmehr als Potenzierung des Vorläufers deuten, ob in Sachen Härte, Tempo oder Spannung. Blutig geht‘s los. In einer Bingo-Halle sitzt Christians Ex-Kuman Raymond „Ray“ King (J.K. Simmons), der mit Auftragskillerin Anaïs (Daniella Pineda) verabredet ist – und in eine tödliche Falle läuft.

Die erste große Schießerei ist angesagt, befeuert von Nina Simones „See-Line Woman“, interpretiert von Danielle Ponder und Bryce Dessner von der US-Band The National. In der Ruhe nach dem Sturm folgt Tom Jones‘ „Help Yourself“. Womit die exzellente Auswahl der Songs gleich belegt ist. Sie korrespondieren stets mit der Handlung und werden von Bryce Dessners („The Revenant – Der Rückkehrer“) Score ideal ergänzt. „Ray“ liegt im eigenen Blut, auf den Arm hat er mit letzter Kraft eine kryptische Nachricht gekritzelt: „Findet den Buchhalter“. Auftritt Wolff, der sich nun mit Bundesagentin Marybeth Medina (Cynthia Addai-Robinson) und seinem entfremdeten Bruder Braxton (Jon Bernthal) zusammentut, um die bösen Buben zu jagen.

Einen verschwunden Jungen, Sohn illegaler mittelamerikanischer Immigranten, gilt es zu finden

Fiese, gewalttätige Zeitgenossen sind diese, Schlepper, Drogen- und Menschenhändler, darunter der zwielichtige Fischhändler und Großgastronom Burke (Robert Morgan) sowie der überaus treffsichere Scharfschütze Cobb (Grant Harvey). Einen verschwunden Jungen, Sohn illegaler mittelamerikanischer Immigranten, gilt es zu finden. Dabei werden der Titelheld und seine Helfer von einer mysteriöse Frau, genannt „The Voice“ („Die Stimme“), telefonisch unterstützt. Sie steht dem „Harbor Neuroscience Institute“ vor, einer Einrichtung für hochbegabte Jugendliche, die via Internet alle nur erdenklichen Informationen beschaffen – die „School for Gifted Youngsters“ aus der populären „X-Men“-Reihe lässt grüßen.

Ben Affleck – „Big“ in jedem Sinn

  • 3,5 Millionen Dollar soll der Verlobungsring gekostet haben, den Ben Affleck einst Jennifer Lopez 2002 an den Finger steckte. Aus der Hochzeit wurde es zunächst nichts – erst 2022 fand die Trauung statt – und auch ihre gemeinsame Gangster-Komödie „Liebe mit Risiko – Gigli“ floppte. Wie schließlich ihre Ehe 2025.
  • Eine Seltenheit in der Karriere des 1972 in Berkeley, Kalifornien, geborenen Benjamin Géza Affleck-Bold t, der als Schauspieler, Drehbuchautor, Regisseur und Produzent tätig ist.
  • 35 Millionen Dollar Gage strich für „Batman v. Superman – Dawn of Justice“ ein, bei „The Last Duel“ bzw. „Hypnotic waren es gar 55 Millionen.
  • Als guter Geschäftsmann erwies sich der 1,89 Meter große „Big Ben“ bereits zu Beginn seiner Karriere, für ihr Academy-Award-gekröntes Drehbuch(-Debüt) zu „Good Will Hunting“ kassierten er und Co-Autor Matt Damon 600.000 Doll ar.
  • Der Erfolg blieb ihm treu, ob vor der Kamera, bei „Pearl Harbor“, „Die Hollywood-Verschwörung“ (Coppa Volpi als bester Darstelle r) und „Daredevil“, oder dahinter, siehe „The Town“, der Oscar-Gewinner „Argo“ oder „Air – Der große Wurf“.
  • Von 2005 bis 2018 war der ältere Bruder von Casey Affleck („Gone, Baby, Gone“) mit Kollegin Jennifer Garner („30 über Nacht“) verheiratet. Der Beziehung entstammten drei Kinder.

Klingt vertrackt. Ist es auch. Es dauert eine Weile bis man sich im Kosmos des Films zurechtfindet, erkennt, wer mit wem zusammenarbeitet und warum. Was letztendlich – trotz final logischer Auflösung – nicht von Belang ist. Wie ein Puzzle setzt sich der Plot, inklusive schwarzweißer Rückblenden, zusammen.

Gut getimt werden die einzelnen Sequenzen miteinander verknüpft. Mal geht es mächtig zur Sache, dann gibt es wieder ruhige Momente, bei denen trockener Humor angesagt ist. Etwa wenn ein Gangster aus einem Apartment geworfen wird und dabei zu Tode kommt. Da merkt das autistische Rechengenie Wolff trocken an, dass nicht der Sturz, sondern der Aufprall dem Mann das Leben gekostet hat.

Die ewigen Streitereien der überaus Waffen-affinen Geschwister sind es, die besonders viel Spaß machen. Dauernd liegen sie sich in den Haaren, selbst bei den diversen Feuergefechten können sie ihren Mund nicht halten. Wie in der Bar-Szene, in der Christian die Aufmerksamkeit einer Hispano-Frau erregt und von dieser zum Tanzen aufgefordert wird. Dies mündet in einer fulminanten Line-Dance-Nummer zum Sound einer Country-Band. Die freilich – Eifersucht kommt ins Spiel – in einer deftigen Keilerei mündet. Diesmal nicht im Bild zu sehen. Nur deren Ausgang, als drei Cowboys den Saloon – ordentlich vermöbelt – durch die Fenster „verlassen“. Nur einer der zahlreichen kurzweiligen optischen Einfälle.

Ein 1A-Actioner, handwerklich perfekt gestaltet

Ein 1A-Actioner, handwerklich perfekt gestaltet, maßgeschneidert für die einschlägige Klientel, die über einen guten Magen verfügen sollte. Schauspiel-Minimalist Affleck („Argo“) harmoniert perfekt mit dem quecksilbrigen Bernthal („The Walking Dead“, „Punisher“), die geplagte Addai-Robinson („Der Herr der Ringe – Die Ringe der Macht“) versucht vergeblich für politische Korrektheit und Gesetzestreue zu sorgen, Pineda („Jurassic World: Ein neues Zeitalter“) wandelt schmallippig auf den Spuren der mörderischen Sandra Oh der Hit-Serie „Killing Eve“, Morgan („Hacksaw Ridge – Die Entscheidung“) besticht als Mega-Schurke, der seiner gerechten Strafe nicht entkommt. Perfekte Popcorn-Unterhaltung.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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