Pop

MC5 veröffentlichen „Comeback“-Album nach 53 Jahren

Unter dem Bandnamen der Wegbereiter des Punk erscheint das neu produzierte „Heavy Lifting“ - nachdem mit Wayne Kramer und Dennis Thompson die letzten noch lebenden Gründngsmitglieder gestorben sind

Von 
Jörg-Peter Klotz
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MC-Gründungsgitarrist Wayne Kramer (links) und Star-Produzent Bob Ezrin bei der Studioarbeit am Erbe der visionären Band aus Detroit. © Margaret Saadi Kramer

Detroit. Eine längere Pause zwischen zwei Studioalben einer Band wird man kaum finden: 53 Jahre nach dem 1971 veröffentlichten „High Times“ ist jetzt „Heavy Lifting“ von den US-Punkrock-Vorreitern MC5 erschienen. Und es ist nicht einmal eine Mogelpackung, denn Gründungsgitarrist Wayne Kramer hat die neuen Songs zusammen mit Produzent Bob Ezrin (Lou Reed, Alice Cooper) sowie dem 2022 dazu gestoßenen Sänger Brad Brooks geschrieben und produziert. MC5-Drummer Dennis „Machine Gun“ Thompson ist immerhin auf zwei Songs zu hören.

Trotzdem ist „Heavy Lifting“ ein posthumes Werk: Kramer und Thompson sind beide im Lauf des Jahres 2024 gestorben – jeweils im Alter von 75 Jahren. Der Rest der Originalbesetzung von MC5 rockt schon wesentlich länger nicht mehr in dieser Welt: Sänger Rob Tyner (1944-1991), und Lead-Gitarrist Fred „Sonic“ Smith (1948-1994, Ehemann von Rock-Ikone Patti Smith) wurden nur 46 Jahre alt. Bassist Michael Davis (1943-2012) erreichte die 69.

Namhafte Fans wie Slash oder Don Was wurden Teil der Band

Heutzutage kennen das 1964 gegründete Rock-Quintett aus Detroit hauptsächlich Experten. Aber die Bedeutung einer Band bemisst sich nicht nur an Evergreen-Hits, Arena-Konzerten oder – bei MC5 durchaus beachtlichen – Charts-Erfolgen. Es geht auch um Wirkung, durchaus auch gesellschaftlich, sowie den Einfluss auf andere Musikerinnen und Musiker. Schon mit „Kick Out The Jams“, dem ersten von drei Studioalben, liefern Kramer, Smith und Co. eine Blaupause für spätere Entwicklungen. Sie zählen zu den wichtigsten Wegbereitern von Punk, Garage und Alternative Rock. Dass ihr für die damalige Zeit unerhört roher Sound auch mit Free Jazz à la Sun Ra oder Albert Ayler flirtete, trägt zur Legendenbildung bei. Der als Robert W. Derminer geborene MC5-Frontmann wählte seinen Künstlernamen nach John Coltranes damaligem Pianisten McCoy Tyner. Die teilweise hochpolitischen Texte taten ein Übriges.

Prominente Fans der „Motor City Five“ gibt es in Massen – von The Damned über Motörhead bis zu den White Stripes. Viele sind für dieses Album quasi Bandmitglieder geworden. Allen voran die Star-Gitarristen und/oder -Sänger Slash (Guns ’N Roses), Tom Morello (Rage Against The Machine), Vernon Reid (Living Colour) William DuVall (Alice In Chains) und Tim McIlrath (Rise Against). Dazu kommt unter anderem ein ultraerfolgreicher Produzent und Musiker wie Don Was (Was Not Was), der aus Detroit stammt.

Kramer entschloss sich 2021, statt einem Soloalbum noch eine MC5-Platte zu machen – „um etwas zu bewirken“. Ein Blick auf die politische Landschaft in den USA macht klar, wie er das meint. Der zweite Song auf „Heavy Lifting“ wird überdeutlich: „Barbarians At The Gate“ rechnet gewohnt aggressiv mit dem Sturm auf das Capitol in Washington nach Trumps Abwahl ab. Nicht sehr elegant, aber doch auch typisch MC5.

Nicht so ungeschliffen wie früher, aber hörenswert

Kramer erklärte zwei Wochen, bevor er im Februar 2024 an Krebs starb: „MC5 standen für einen Geist des Patriotismus, die Prinzipien der Verfassung, der Selbstbestimmung, der Meinungsfreiheit, der Religionsfreiheit, der Gleichheit, der Gerechtigkeit – Prinzipien, für die es sich zu kämpfen lohnte.“ Als Kramer Star-Produzent Bob Ezrin kontaktierte, wurde die Idee eines neuen MC5-Albums konkret. Der räumte die Zweifel des letzten Überlebenden der Band ab mit den Sätzen: „Es gibt dich. Und irgendwie, Wayne, sind wir alle MC5.“

Das fühlt auch ein Tom Morello: „Auf fast jedem Album, (…) von der ersten Rage-Platte an, trug der roheste, schnellste Track den Arbeitstitel ‚MC5‘.“ Passenderweise eröffnet seine brutal und breitwandig groovende Gitarre das neue Werk im Titelsong. Man darf von den 13 neuen Songs natürlich nicht die brillant hingerotzte Kompromisslosigkeit der frühen MC5 erwarten. Ezrin bleibt Ezrin und sorgt für relativ perfekten Alternative-Rock-Sound, ohne die MC5-Essenz total zu verwässern. Trotzdem ist „Heavy Lifting“ dank seiner vielen Einflüsse, gutem Songwriting und spannender Texte ein hörenswertes Schwergewicht. Abgerundet durch eine 2018 mitgeschnittene Live-CD (u.a. mit Musikern von Soundgarden) in der limitierten 2-CD-Edition.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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