Heidelberg. Frisch, farbenfroh, quicklebendig: Die jüngste Heidelberger Operninszenierung hat das Potenzial, auch das jüngere Publikum für die Oper anzuziehen. „Manon Lescaut“, die Oper, mit der Giacomo Puccini 1893 seinen Durchbruch schaffte, ist vom Sujet noch tief im 19. Jahrhundert angelegt. Der Stoff der Femme fatale, die ihren jugendlichen Liebhaber nicht behalten darf und am Ende am Liebesschmerz stirbt, ist im Fin de Siècle nicht ganz unbekannt.
Doch die Dramaturgie ist durchaus modern: Vier Akte, die jeweils eigene Akzente setzen und temporeich fortschreiten. Ein funktionales, scharf konturierendes Bühnenbild, das rasche Umbauten gewährleistet und den Fokus jederzeit auf die Akteure richtet. Und Kostüme, die modische Hingucker italienischer Modeschöpfer zu sein scheinen. Regisseurin Friederike Blum hat im Theater Heidelberg eine vergnügliche, zeitlose Aufführung hingelegt.
Opernglanz früherer Jahre trifft aufs Jetzt
Vorhang auf: Premierenstimmung im Foyer, teure Ballkleider im Publikum verbreiten im Marguerre-Saal einen Hauch vom Opernglanz früherer Jahre. Doch auf der Bühne legt mit viel Temperament ein lässig-frech angezogener Bühnenchor los, der mit Tanz-Einlagen Feierlaune verbreitet. Generalmusikdirektor Mino Marani lässt die Ouvertüre aus dem Orchestergraben in den Saal hineinströmen. Oben tobt das Partyvolk, der verschmitzte Edmondo (passend von Tenor João Terleira besetzt) facht die Stimmung der bunten Studentenschar mit artistischen Sprungsequenzen an. Genial ergänzt wird die Meute von den jungen Frauen des Jugendchors, die unmissverständlich die Jetztzeit in das angestaubte 130 Jahre alte Werk reinmixen.
Aus der ausgelassenen Gesellschaft im Hin und Her des ersten Akts profiliert sich bald Renato Des Grieux (Jaesung Kim, Tenor) als ernsthafter Liebhaber-Anwärter heraus. In rascher Reihenfolge gesellen sich die anderen Hauptfiguren zum Straßenfest: Manon (Signe Heiberg, Sopran), ihr Bruder (Giorgos Kanaris, Bariton) und der Steuerpächter und Gegenspieler Geronte de Ravoir (Wilfried Staber, Bass) sind blitzschnell und markant in ihre Rollen geschlüpft.
Frische Inszenierung, gut aufgelegtes Orchester und herausragende Stimmen
Das Libretto wird in der Inszenierung von Friedrike Blum intelligent angeschärft. Langeweile, die die Arien mit sich bringen könnten? Gibt’s nicht. Vier spannende Akte rollen unaufhaltsam zum tragischen Ende von Manon. Am Ende bleibt bei allen kreativen Regiekniffs die quirlige, wechselvolle und immer wieder dramatische Musik Puccinis. Dazu das gut aufgelegte Orchester und herausragende Einzelstimmen.
Allen voran das Liebespaar: Signe Heiberg mit ihrem kraftvollen, lebendigen und gut timbrierten Sopran, der besonders im tragischen Sterben überzeugt. Vielseitig präsentiert sich Jaesung Kim: Er intoniert souverän in allen dynamischen Stimmungen, wirkt immer klar und gefühlvoll – quasi die ideale Besetzung für den solidarischen Geliebten der verzweifelten Manon. So wirken die Arien und Duette authentisch und in der frischen Inszenierung mit aktuellen Kostümen (etwa den Regenmänteln im dritten Akt) gar nicht so sentimental. Stimmig besetzt auch die Männerstimmen Giorgos Kanaris und Wilfried Staber, die als Gegenpol zur zarten Liebesgeschichte augenzwinkernd übertrieben virile Akzente setzen.
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