Mannheim. Durch das Verkaufsverbot von Silvesterraketen und Böllern waren die pyrotechnischen Möglichkeiten zwar eingeschränkt, aber immerhin zündete zum Jahreswechsel ein musikalisches Feuerwerk in Mannheim: Kantorin und Organistin Marion Krall gab mit Falk Zimmermann, langjähriger Trompeter des Nationaltheater-Orchesters (NTO) das Festliche Silvesterkonzert in der Christuskirche. Zuvor hatte Pfarrer Stefan Scholpp den Gottesdienst am Altjahrsabend unter dem Motto „Koexistenz“ abgehalten. Das in diesen seltsamen Tagen so zentrale Thema führte das Duo auf der Empore der Steinmeyer-Orgel fort, indem es demonstrierte, wie orchestral opulent, dynamisch und abwechslungsreich nur zwei Musizierende einen Raum füllen können.
„Mannheims Wunderwerk“, die Steinmeyer-Orgel, erklingt voll und tief
Sie begannen den Abend frohlockend mit der Ouvertüre in D-Dur von Johann Sebastian Bach, dessen „Bereite Dich Zion“ und „Wacht auf, wacht auf“ die Stimmung zunehmend feierlicher machten. Bei Ersterem beeindruckte das perfekte dialogische Zusammenspiel von Orgel- und Zimmermanns Flügelhorn, danach unterfütterte Marion Krall den strahlenden Trompetenklang ihres Partners. Beim opulenten Intro zu William Henry Harris‘ heraldisch-romantischem Orgelwerk „Flourish To The Occasion“ bringt die Kantorin das „Mannheimer Wunderwerk“, die Steinmeyer-Orgel, voll und tief zum Klingen. Danach entfaltet sie die komplette Dramatik des Stücks. „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ in der Fassung von Bachs Vorbild Dieterich Buxtehude verbindet frohgemute Feierlichkeit mit Ruhe, was ideal zu Brahms‘ Choralvorspiel „Es ist ein Ros entsprungen“ passt.
Olivier Messiaens „Les bergères“ entfaltet ein enormes Klangspektrum und erinnert trotz romantischer GRundprägung mit fast künstlich wirkenden Tönen daran, dass die ersten Moog-Synthesizer dereinst nach dem Klangvorbild von Kirchenorgeln gebaut wurden – unter anderem, um Bachs-Musik elektronisch nachzubilden. Auch die „Variations sur un Noël“ von Marcel Dupré starten mit „künstlich organischen“ Klängen – auch hier wirkt die Orgel phasenweise wie ein kleines Orchester beim Steigerungslauf und nutzt die Raumfülle des „Mannheimer Doms“ voll. Großer Applaus.
Händels Feuerwerksmusik als Schluss und Höhepunkt
Das gelingt auch eindrucksvoll bei Gustav Mahlers Posthorn-Melodie „Wie aus weiter Ferne“. Dabei falten Marion Krall und Falk Zimmermann mit dem erstaunlich großvolumig wirkenden Flügelhorn von den gegenüberliegenden Emporen den Klangraum auf. Schluss und Höhepunkt ist Georg Friedrich Händels 1749 in London aufgeführte Feuerwerksmusik. Sie ist so abwechslungsreich und effektvoll, dass sogar die Pyrotechnik-Rocker von Rammstein damit ihre Konzerte eröffnet haben – in der Ouvertüre schlägt dabei Kantor Johannes M. Michel gekonnt auf die Pauke.
Dabei steht der Frieden im Zentrum der Orchestersuite. Auch das ist eine Botschaft, die nach einem anstrengenden Jahr gut in die Zeit passt. Das unterstreicht die Zugabe: Sie besteht aus einem der wenigen politischen Broadway-Songs, „Feeling Good“, den Nina Simone Mitte der 1960er zum Hit machte, den Interpreten wie Lauryn Hill, Muse oder Michael Bublé lebendig hielten und der auch bei der Inauguration von US-Präsident Joe Biden seine emanzipatorische Botschaft verbreitete. Die mitreißende Version für Orgel und Trompete konnte es mit mancher Big Band aufnehmen, sorgte für Mitwippen und noch einmal sehr viel Applaus. Das hätte wunderbar ins traditionelle Orgelfeuerwerk in der Christuskirche gepasst, das normalerweise um 22 Uhr stattgefunden hätte, aber abgesagt wurde.