Eindrücke aus dem NTM (mit Video und Fotostrecke)

Mannheimer Reden: Mit Raum für Polarisierungen

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Dass das eine ganz andere Veranstaltung war als die sieben Vorgänger, hat Elisabeth Niejahr gleich am Mittwochmorgen (6.39 Uhr!) getwittert: „Das gestern war kein einfacher Stoff, teilweise eher wie ein VWL-Seminar“, schrieb die ehemalige Journalistin und heutige Geschäftsführerin der Hertie-Stiftung. Sie bezog sich dabei sicher auch auf die für den Anlass eher ungewöhnliche Power-Point-Präsentation des Hauptredners Jakob von Weizsäcker, der im Bundesfinanzministerium der sogenannte Chefvolkswirt ist, was bedeutet: von Weizsäcker ist Abteilungsleiter für Grundsatzfragen und internationale Wirtschaftspolitik.

Die sieben Vorgänger-Reden

  • Die Mannheimer Reden sind eine gemeinsame Aktion des Nationaltheaters Mannheim und des Bildungs-und Gesundheitsunternehmens SRH Heidelberg. Diese Zeitung ist Medienpartner der Vortragsreihe.
  • Die bisherigen Teilnehmer: Winfried Kretschmann (Ministerpräsident Baden-Württemberg, April 2017), Nico Hofmann (Filmproduzent, Januar 2018), Norbert Lammert (ehemaliger Bundestagspräsident, April 2018), Jutta Allmendinger (Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, Juli 2018), Aleida und Jan Assmann (Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, November 2018), Maja Göpel und Klaus Töpfer (Wissenschaftlerin und Politiker, Februar 2019), Jagoda Marinic und Siv Bublitz (Autorin und Verlegerin, April 2019). 

Am Abend zuvor saßen Niejahr und von Weizsäcker gemeinsam bei der 8. Mannheimer Rede auf der Bühne im Nationaltheater Mannheim (NTM), und Niejahr lobte vor allem eines: das aufmerksame Publikum im voll besetzten Schauspielhaus. 600 Plätze. Sogar im Foyer hatte das NTM ein Public-Viewing eingerichtet, um dem Interesse gerecht zu werden. Die Rede wurde per Videostream übertragen.

Elefant von Milanovic

Es ging um „Ein neues goldenes Zeitalter der Arbeit?“, so der Titel der Veranstaltung, und der 49-jährige Ökonom von Weizsäcker ging in seiner Rede von Folie zu Folie, zeigte die Verdoppelung der weltweiten Arbeitskraft seit dem Fall der Mauer und sogar den sogenannten „Elefanten von Branko Milanovic“, ein Schaubild, das die Verteilung der globalen Einkommenszuwächse von 1988 bis 2008 grafisch darstellt.

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Die 8. "Mannheimer Rede" in voller Länge

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Einer der Gäste vor Ort war Achim Weizel. Der Theater-Fan und Gemeinderat (ML) lobte wie Niejahr das Publikum. „Der gute Besuch bei einem schwierigen Thema hat mich ebenso beeindruckt wie die Qualität der Redebeiträge der Besucher“, sagte er auf Anfrage dieser Zeitung. Die Reihe zeigt seiner Meinung nach, „dass das Theater erfolgreich auf dem Weg ist, über die theatereigenen Veranstaltungen hinaus den Weg in die Stadt zu suchen“.

Und der Hausherr? Schauspielintendant Christian Holtzhauer war inspiriert. Ihm seien, sagte er, „noch einmal sehr deutlich die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen und wirtschaftlichen Phänomenen“ klar geworden: „Den Optimismus von Herrn von Weizsäcker fand ich ansteckend, auch wenn mir manchmal die konkreten Handlungsempfehlungen – etwa für die Politik – ein bisschen zu kurz kamen.“ Am meisten begeisterte ihn die Diskussionsfreude der Besucher: „Nach kaum einer der bisherigen Veranstaltungen wurde im Anschluss so angeregt und teilweise auch kontrovers diskutiert – und das ist ja der Sinn unserer Reihe.“

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"Mannheimer Rede" mit Jakob von Weizsäcker und Elisabeth Niejahr

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Tatsächlich waren auch gegen 23 Uhr noch einige in Gespräche verwickelt. Auch Andreas Hilgenstock war da. Für den Freund des NTM war das „insgesamt ein mehr als nur gelungener Mannheimer Abend“. Das Thema Arbeit ist für den Geschäftsführenden Gesellschafter des Modehauses Engelhorn von „unglaublicher Relevanz“. Ihm gefiel, dass der Vortrag einen lebendigen Dialog „mit etwa 1000 Mannheimer Bürgern“ ermöglichte und für Polarisierungen Raum war: „Unser Theater bietet diesen Raum, in dem Gesellschaft sich selbst reflektieren und bestimmen kann. Mannheim kann stolz sein auf seine ,Mannheimer Reden’.“

Wirtschaft wichtiges Thema

Natürlich läuft auch Christof Hettich noch spät durchs Theater. Der SRH-Chef und NTM-Stiftungsvorstand erlebte den Abend ebenso „spannend“ und betont wie Niejahr per Twitter das „etwas andere Format – VWL-Vorlesung im Theaterauditorium“. Für ihn war das „Spannungsfeld zwischen VWL-Theorie und den ganz praktischen Herausforderungen und Erfahrungen von Unternehmen und Zuhörern spürbar.“

Herausfordernd sei der Abend für alle gewesen, im Besonderen, „die nachvollziehbaren Theorie-Ansätze mit der eigenen Erfahrungswelt in Einklang zu bringen“. Hettich, der die Reihe zusammen mit dem früheren Schauspielintendanten Burkhard C. Kosminski begründet hat, sieht es als lohend an, „aktuelle Wirtschaftsthemen als wichtige Themen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu behandeln“. Das zeigten auch die kritischen Rückfragen. Sehr interessant fand er noch, wie von Weizsäcker die Chance zu Infrastrukturinvestitionen aus der Zinssituation herleitet. Wie dies gehe, wie „Hindernisse für große Infrastrukturmaßnahmen beseitigt werden können“, die Antwort sei von Weizsäcker schuldig geblieben – trotz Nachfragen aus dem Publikum. Recht behielt im Schlusswort eben der Hausherr Holtzhauer mit Bert Brecht: „Wir … sehn betroffen / den Vorhang zu und alle Fragen offen.“

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