In Mannheim geboren, in Karlsruhe aufgewachsen, in Berlin zu Hause: Die Sängerin und Produzentin Antonia Rug alias Novaa ist mit der Region verwurzelt und schwebt doch über der Erde. Gleiches trifft auf den Sound der 24-Jährigen zu. Ihre Produktionen tänzeln mal fragil und verträumt, mal organisch-kraftvoll auf handwerklich wie künstlerisch festem Fundament. Bereits „The Futurist“ (2020) und ihr im Jahr davor erschienenes selbstbetiteltes Debüt brachten der Musikerin neben Lob auch 2018 den „ARD New Music Award“ ein. Nun bringt sie mit “She’s A Rose“ eine sehr persönliche und eindringliche dritte Platte heraus.
„Alle Songs sind unglaublich nah an mir dran“, erklärt die Sängerin im Gespräch über Zoom das neue Werk. Einfluss darauf hatten auch die vergangenen zwei Jahre. Monate in Isolation, eine Gesellschaft im Lockdown, das Leben erst einmal ausgebremst. „Das Album ist stellvertretend für diese Zeit.“ Auch sie hat sich zurückgezogen. Dieses „bei sich sein“, hinterfragen, wer bin ich – das hört man den neuen Stücken an.
„Am Anfang ist ein Gefühl im Körper, dieses Kribbeln“, beschreibt sie den kreativen Prozess. Diese Stimmung sei beim Komponieren grundlegend. Doch auch wenn für Novaa die Anfänge des Schreibens meist gleich sind, so war die Produktion in einer Pandemie dieses Mal viel kleiner, intimer, sie hat alles alleine gemacht. Das glich fast einem Befreiungsschlag.
Von Anbeginn fand sie in der Musik ihren eignen sicheren Raum. Die Eltern haben sie schon früh mit Musik in Kontakt gebracht; immer ohne Druck, wie sie betont. Rhythmik, Querflöte, Klavier, Gesang. Ein breites Angebot, das sie dankbar angenommen hat, eine eigene Welt darin gefunden hat. Mit elf schrieb sie ihre ersten Songs – nie auf Deutsch. „Englisch fühlte sich für mich von Anfang an besser als meine künstlerische Sprache an. Ich habe auch schon früh meine Selbstgespräche auf Englisch geführt.“
Durch die Schulband kam sie zum ersten Mal mit Produktionssoftware in Kontakt, brachte sich Ableton bei. Und tauchte mit 16, 17 Jahren in die Producing-Welt ein. „Musik machen, war nie eine Entscheidung“, erklärt Rug bündig. Sie hat nicht zur Musik gefunden, die Musik fand sie. Dann folgte der Umzug nach Mannheim; einem Ort, mit dem sie immer noch viele wertvolle Erinnerungen, Freunde und Wegbegleiterinnen teilt. Während ihres Studiums an der Popakademie beginnt sie, auch für andere zu produzieren. Trotzdem bricht sie nach einem Jahr ab – sie sei damals mit zwei anderen Frauen die einzige Studentin im Fach Popmusikdesign gewesen. Zu dieser Zeit, sagt sie, sei ihr auch das erste Mal aufgefallen, dass es im Musikbusiness ein Problem mit Diversität oder Gleichberechtigung gibt. Vor allem mangelnde Sichtbarkeit weiblicher Akteure ist für sie zu einem Thema geworden, für das sie kämpft. Dass sie umtreibt, inspiriert und aktiviert. „Es ist so viel Potenzial da von Produzentinnen, es können so große Synergien geschaffen werden.“ Von dieser Energie ist auch das neue Album getragen. Und von einer anderen Herangehensweise.
Mit Musik versucht sich Novaa von Rollenbildern und Labels frei zu machen. „Ich gehe nicht nach dem Kriterium ‚ist der Song gut?’, sondern ‚fühlt er sich authentisch an?’“ Über ihre Musik will sie nicht urteilen – „die ganze Welt bewertet, ich mache das nicht auch noch“.
Notwendige Offenheit
Anders als das „The Futurist“, das thematisch um künstliche Intelligenzen, den Umgang mit Drohnen oder der Klimakrise eng um einen Komplex kreiste, ist „She’s A Rose“ kein Konzeptalbum. Und doch kann man eine zugrundeliegende Thematik erahnen. „Ich mag es einfach, wenn Sachen zusammen passen“, bestätigt Novaa lächelnd.
Diese neue Offenheit, eine zarte wie radikale Introspektive – war das ein schwerer Schritt? „In diesem Raum, den ich als Novaa habe, gibt es keine Unsicherheiten“, erklärt Rug. So kann die Sängerin ihr Innerstes teilen. Manchmal tut sie das auch auf Instagram. Doch einen guten Umgang mit dem kritischen Medium Social Media hat sie selbst noch nicht für sich gefunden, gesteht sie ein. Auch wenn sie durchaus zu schätzen weiß, wie herzlich ihre Followerschaft ist.
Während sie spricht, fällt auf, wie reflektiert und bedacht sie ihre Worte wählt, ohne dabei aber gekünstelt zu wirken. Rug scheint ein Mensch zu sein, der mit Mitte zwanzig in sich ruht. „Ich war von Anfang an viel allein mit mir und meiner Musik“ erklärt sie. „Dadurch konnte ich da immer sehr frei sein. Musik ist mein Safespace.“
Ein anderer Grund mag sein, dass sie sich viel mit sich auseinandergesetzt hat. Die eigenen Songs sind für die 24-Jährige auch Therapie. Dabei kommen dornige Songs zum entknospen. Besonders trifft das für „This ain’t your home“ zu: Er handelt von sexuellem Missbrauch, den sie selbst erleben musste. Das Schreiben, erzählt sie, war für sie heilsam. „Ich konnte endlich diesen Raum in mir aufmachen, es war befreiend.“
Dass sie damit auch anderen Opfern Mut und Kraft machen kann, ist wichtig. In ihren Songs sei diese Offenheit notwendig, sagt sie. „Sie ist fast schon therapeutisch. Diese Lieder gehören nicht mir.“ Sie wollen nach draußen, sie müssen es.
Was sie sich wünscht für „She’s A Rose“? „Mein Album soll auch anderen ein kleines Zuhause sein.“
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