Konzertkritik Klassik

Mannheimer Bläserphilharmonie glänzt mit (Sanft)-Mut

Die Mannheimer Bläserphilharmonie um ihren Dirigenten Miguel Ercolino begeistert im Musensaal des Rosengartens mit einer Frühlingsmatinee und einem spannendem Ausblick

Von 
Markus Mertens
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Die Mannheimer Bläserphilharmonie glänzte im Musensaal. © Markus Mertens

Mannheim. Die Mannheimer Bläserphilharmonie um ihren Dirigenten Miguel Ercolino ist seit Jahren dafür bekannt, sich von musikalischen Herausforderungen wenig beeindrucken zu lassen, sondern zur Überraschung zu konvertieren, was andere für schwere Materie gehalten hätten. Und doch darf man immer wieder mit Freude feststellen, dass keines dieser Wagnisse deshalb an individueller Strahlkraft verlöre.

An diesem Vormittag im Mannheimer Rosengarten ist bereits die Ankündigung des Kommenden ein Akt, der erfreulicherweise Neugier weckt. Denn auch, wenn sich Mannheims Ohren noch gut drei Monate werden gedulden müssen, bis Gregor Mayrhofers „Recycling Concerto“ auf Kanistertrommeln, Pfandflaschen-Marimba und Blumentopf-Xylophon auf der BUGA-Bühne erklingen wird - allein die Vorfreude lässt beschwingt nach vorne blicken.

Weitblick beweisen die Bläserphilharmoniker auch bei ihrer Frühlingsmatinee im bestens besetzten Musensaal schon zum Auftakt. Denn als „Opener“, wie Dirigent Ercolino kokett ankündigt, spielen seine Musiker keineswegs eine klassische Ouvertüre: John Mackey und sein „Asphalt Cocktail“ bringen mächtig Gummi auf den Asphalt - und das im akustischen Wortsinne. Denn es wird laut. Es scheppert und kracht, es klirrt und lacht. Ohne Zweifel: Hier ist Musik drin! Dass der geschliffene Klangkörper bei aller Opulenz des Stückes so feinfühlig agiert, dass das Gehörte die Leitplanken weder touchiert noch durchbricht, ist keine Kleinigkeit.

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Das zeigt sich noch mehr, als schließlich Mackeys Wine-Dark-Symphony folgt. Als altertümliches Liebesspiel der Nymphe Calypso angelegt, beginnt ein Ränkespiel der Mächte. Da mag der holde Odysseus noch so siegreich aus dem Trojanischen Krieg hervorgegangen sein: Den bezwingenden Gesängen, die sich aus Flöten, Fagotten und Klarinetten verpartnern, hat das tiefe Blech zunächst wenig entgegenzusetzen. Ein wenig grollende Gegenwehr von Tuben und Posaunen gibt es zwar, doch streng genommen hätte die Nymphe nun freie Bahn. Fände sie nicht irgendwo auf der Strecke ihr Mitleid wieder, wäre es um den adretten Helden wohl geschehen. Doch der aufbrausende Fortissimo-Sturm bringt hier keine Vernichtung, sondern allenfalls Wirrnis mit sich, die innere Sammlung erfordert, um schließlich wieder klar und präzise eigenen Plänen nachzugehen. Wie mutig und beherzt Ercolino und die Seinen diese kleine Sinfonie gestalten und zu einem ganz eigenen Klangdrama machen, muss man in den höchsten Tönen loben.

Rachmaninows Sinfonische Tänze bräuchte es da schon fast nicht mehr, um die Beifallsstürme am Ende zu rechtfertigen. Und doch sind diese melodischen Inschriften zwischen Flucht und Identität ein weiterer Beweis dafür, wie sorgsam und bedacht die Bläserphilharmonie mit Stoffen umzugehen versteht, die in ihrer ursprünglichen Fassung noch nicht einmal für diese Besetzung auserkoren waren. Hinterher fühlt man sich beschenkt: Denn während am Sonntagshimmel aus einem tristen Grau nicht viel mehr als Regen strömt, erlebt der Musensaal einen Vormittag voller (Sanft)-Mut, der begeistert.

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