„Meine 5. Sinfonie ist ein verfluchtes Werk. Niemand kapiert sie“, kommentierte Gustav Mahler 1905 seine Komposition nach der Uraufführung. Doch spätestens seit Lucchino Visconti die Thomas-Mann-Erzählung „Der Tod in Venedig“ (1971) verfilmte und das Adagietto als ständig wiederkehrendes Leitmotiv einsetzte, ist Mahlers „Fünfte“ populär geworden.
Dass diese für Harfe und Streicher geschriebene Liebeserklärung an seine spätere Frau Alma keineswegs im Zentrum der Sinfonie steht, weiß Michael Francis. Zwar verwandelt die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter seiner Leitung beim Meisterkonzert im Mannheimer Rosengarten das Adagietto in wunderbare elegische Sphärenklänge, doch die wahren musikalischen Kämpfe Mahlers werden in anderen Teilen seines Werkes ausgetragen.
Spuren des Ausgleichs
Musik so kontrastreich wie das Leben, wilde verzweifelte Ausbrüche, drängende, bedrückende Passagen oft voll bestürzender Gewalt. Aber eben nicht nur. Selbst im Furiosen, in den expressiven Eckpunkten von Mahlers Klang-Entgrenzungen findet Francis auch Spuren des Ausgleichs. Großartig jedenfalls, wie all die dynamischen Gegensätze immer wieder gebündelt werden, um sie in dialektischer Unruhe zu belassen. Denn solange die Welt ist, wie sie ist, müssen auch Mahlers Sehnsüchte nach Schönheit und Harmonie unerfüllte Utopien bleiben, abstrakte Botschaften einer im Hoffen verharrenden Idee.
Auch Brett Deans Trompetenkonzert „Dramatis personae“, zu Anfang des Programms, bewegt sich im Modus des Mitteilens. „Die Trompete hat etwas zu sagen, sie ist eine Verkünderin“, so der 1961 geborene australische Komponist. Doch im Unterschied zu Mahlers weltanschaulicher Diktion experimentiert Dean mit unterschiedlichen Charakteren.
Mal verkörpert die Trompete das Gute, dann wieder reflektiert der Solist wehmütig das eigene Schicksal. Zwischen dem „heldenhaften“ Solo-Instrument und dem Orchester ereignen sich zahlreiche Spannungen: Der Einzelne gegen das Kollektiv. Die Trompete, fabelhaft und variantenreich von Hakan Hardenberger geblasen, durchmisst bravourös als Superheld das oft geräuschhafte Begleitspektrum.
Manchmal wirken die kunstvoll verschachtelten Einzelstimmen etwas ausgetüftelt. Beachtlich ist das immer noch, zumal die Staatsphilharmonie brillant auf solche nicht gerade alltäglichen Spieltechniken reagiert. Der Dirigent bändigt das Formale, und die Musiker beweisen einmal mehr wie detailversessen sie eine Partitur zu deuten vermögen.
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