Balettkritik

Mannheim, Ulm und Freiburg tanzen im Dreieck

Im Eintanzhaus brachte der baden-württembergische Dreierabend „Tanztrialog“ eine gemischte Ausbeute

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Beim "Tanztrialog in Mannheim" unterfordert nur das Freiburger Stück "CARU" die Tanzenden nicht. © David Kalwar / Roxy Ulm

Mannheim. Wer reist schon von Mannheim und Umgebung nach Ulm für eine Tanzaufführung? Oder nach Freiburg? Obwohl, gerade dort ist tanzmäßig viel los, nicht nur gastieren international renommierte Ensembles am Stadttheater, Choreographie-Erleuchtungen wie Crystal Pite aus Kanada; auch die freie Szene hat starke Stimmen. Und Ulm? Da wächst etwas. Nicht von selbst, sondern weil engagierte Leute dran ziehen. Sie versuchen, Künstlerinnen und Künstler von außerhalb anzulocken. Aus einer solchen Einladungsstrategie, dem „ChoreoLab“, entstand die Idee zum „Tanztrialog“: nach Ulm und aus Ulm hinaus.

Choreografien sollen mehr reisen

Wochenlang erarbeitete Stücke sollten häufiger spielen, mehr reisen. So das Ziel. Drei Häuser verbanden sich nun: das Ulmer Roxy, das E-Werk in Freiburg, das Eintanzhaus, Mannheim. Jedes schickte eine Choreographin ins Rennen, die sich wiederum ein-zwei Tänzerinnen, einen Tänzer aussuchte. Das zusammengestückelte Team arbeitete, zum vorgegebenen Thema Nachhaltigkeit, vier Wochen lang „ergebnisoffen“. „Ein Experiment“, erklärte Daria Holme vom Eintanzhaus einleitend. „Doch, überraschend, drei Produktionen entstanden dabei!“

Mittelmäßiges aus Mannheim

Wenn auch nicht nur gute. Die Mannheimerin Julie Pécard begann ihre „Temporary States“, indem die vier Tänzer von irgendwoher kamen, sich die Schuhe zubanden, Haare richteten, erst nur halb da waren. Am Ende tröpfelten sie von der Bühne, Alfonso Fernández Sánchez stand als letzter rum, schaute irgendwohin, latschte davon. Zwischen diesen bröseligen Grenzen passierte auch nur Unentschiedenes, dies und das. Das war wohl Programm, aber wirkte wie mittelmäßige Kunst.
Spielchen: Jeder läuft zwischen die Lücke zwischen zweien. Stellt sich mal nahe, mal fern von jemandem hin. Ein paar Unisono-Tanzschritte, die Füße kreuzen, die Tänzer kippen in einen Schwung oder ins Laufen hinein, stützen mal jemanden. Sie plappern über Tauben und kopieren den Choreographen Sidi Larbi Cherkaoui, als sie mit verteilten Stimmen und im Chor einen Kurzvortrag über „sustainability“ (Nachhaltigkeit) und die eigene Ratlosigkeit halten, mit Handgesten illustriert. Bei „flüchtige Kunst Tanz“ fliegt eine Tänzerin. Erhoben von den Kollegen.

"Warming Stripes" aus Ulm

Der Ulmer Choreograph Pablo Sansalvador übergoss seine „Warming Stripes“ mit viel rotem, theatralisch aufdringlichem Licht. Die Tänzer kriechen, krabbeln, purzeln, liegen, halten einander kopfüber. Dann folgen die seltsamen Wesen einem Kult der leeren Glasflaschen, die erst rollen, dann gegriffen, übergeben, rotiert werden. Dessen Priesterin ist Unita Gay Galiluyo, eine Diktatorin im roten Anzug. Am Ende Aufmupf, das doofe Völkchen zeigt ihr lange Nasen. Au weia.

Freiburgerin Magdalena Weniger bot mehr

Nur Magdalena Weniger aus Freiburg unterforderte die Tänzer nicht so sehr. Die spannen sich in „Caru“ zusammen, indem sie im Gleichtakt tönen, „a ha ha ha ha“, die Münder als großes „O“. Der Atem als Perpetuum Mobile. Dabei spreizen die Finger, rollen Schultern, Beine schreiten aus. Fällt jemand, steht er oder sie wieder auf oder wird aufgefangen. Es könnte endlos weitergehen. Stiller geworden, halten die Tänzerinnen und der Tänzer diese drängende Energie. Klemmen sich zum Vielbeiner zusammen, vier Hintern als Höcker, sie klumpen sich, die Arme sprießen in die Höhe wie junge Triebe. Eine bleibt Baum, während die anderen sich in der Welt verlaufen. Das hat Humor, Spannung, also Rhythmus, überrascht.
„Tanztrialog“ gastiert abschließend am 29. April in Freiburg im E-Werk. Im Eintanzhaus lädt am 28. und 29. April die Cie. Laroque von Helene Weinzierl aus Salzburg zu „Rhythmus und Rausch“.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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