Kunst

Kunsthalle: Tino Zimmermann gestaltet Studioraum

Dieses Zimmer bietet keine Aussicht, jedenfalls keine schöne: Künstler Tino Zimmermann hat das Studio der Kunsthalle Mannheim gestaltet. Er setzt sich in seiner Kunst mit seiner Biografie auseinander

Von 
Thomas Groß
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Blick ins Studio der Kunsthalle – und auf Bilder von Tino Zimmermann. © Daniels/KUMA

Mannheim. Seine Erfahrungen sind exemplarisch, aber seine Kunst ist eigenwillig, individuell. Und bei aller Unverwechselbarkeit zielt diese Kunst doch klar in eine sozialkritische Richtung. Tino Zimmermann, geboren im Jahr der deutschen Wiedervereinigung 1990, wuchs auf in Templin in der brandenburgischen Provinz. In der strukturschwachen Region boten sich ihm während seiner Jugend keine großen Perspektiven. Drogen lockten immerhin mit kleinen Fluchten. Doch sie enttäuschten auf Dauer auch diese Erwartung - und brachten Tino Zimmermann zudem mit einer schweren Psychose in die Psychiatrie.

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Zurück ins Leben und in die Freiheit führte ihn die Kunst, sein kreativer Umgang mit einer alltäglichen Fotokamera der Marke EXA. Der Markenname ist kein marginales Detail, denn die Herstellerfirma in Dresden ging unter mit der DDR. Und Zimmermann dokumentierte mit seiner EXA, was von diesem Staat übrig blieb und welche Schwierigkeiten die Wiedervereinigung mit sich brachte. Er machte zahlreiche Aufnahmen des Ortes, der Umgebung, vor allem aber von sich selbst und seinem unmittelbaren Lebensumfeld, vom Zimmer und dem Computer, die ein Zentrum seiner Existenz bildeten. Das alles ging ein in sein fotografisches Langzeitprojekt „Developments (2011-2020)“, und dieses wiederum führte Tino Zimmermann, der dann an der Kunstakademie in Karlsruhe studierte, nun ins Studio der Mannheimer Kunsthalle.

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Gemeinsam mit Kunsthallen-Direktor Johan Holten hat Zimmermann den Raum im Erdgeschoss des Neubaus gestaltet, als Ergänzung zum Künstler-Fotobuch „Developments“, das am Ende seiner fotografischen Recherchen stand. Das vor dem Studio platzierte und im Museum erhältliche Buch (Preis: 79,95 Euro) führt weiter aus, wovon die Schau ein Konzentrat bildet.

Der offene Ausgang steht für den Ausweg, den die Kunst bietet

Der Studio-Raum und das Buch erhellen sich gegenseitig. Und es ist kein Zufall, dass die mit einer Collage stark vergrößerter Fotografien ausgestalteten Studio-Wände eng, ja geradezu klaustrophobisch wirken. Die bedrückende Stimmung, die Zimmermann erlebte und die beispielhaft wirkt für den Ort Templin und seine Umgebung in der Nachwendezeit, teilt sich hier unmittelbar mit. Und wenn durch die Weise der Zusammenfügung der Bilder auch ein Eindruck von gekippten Perspektiven entsteht, so ist das ebenfalls aussagekräftig. Ein großes Wandstück ist mit Abbildungen unzähliger Zigarettenkippen übersät. Verraucht, geknickt und zusammengedrückt - so ließe sich wohl auch Zimmermanns damaliges Lebensgefühl beschreiben. Und wie ihm die Kunst einen Ausweg bot, so führt der offene Ausgang das Publikum weg von diesen Bildern - aber eben auch hinein in die künstlerische Arbeit.

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In seiner Kunst beschäftigt sich Zimmermann mit gesellschaftspolitischen Fragen. Seine persönlichen Erfahrungen bilden dafür einen Ausgangspunkt. Nach Templin kehrt er jetzt übrigens zurück. Denn er sagt: „Wenn alle immer weggehen, die dazu die Möglichkeit haben, dann ändert sich vor Ort niemals etwas.“ Zur Veränderung möchte er als Künstler beitragen. Und seine Arbeit macht verständlich, dass dies dringend geboten ist.

Bis 24.11. Di, Do - So 10-18 Uhr, Mi bis 20 Uhr. Katalog fünf Euro.

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

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