Kunst

Kunsthalle Mannheim zeigt Bildhauerzeichnungen seit 1945

In der Ausstellung „Von der Fläche zum Raum" sind in der Kunsthalle Mannheim Bildhauerzeichnungen zu sehen. Sie sind nicht nur bloße Entwürfe, sondern eigene Kunstwerke

Von 
Christel Heybrock
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Richard Serras „Iceland“ von 1991. Seine schwarzen Arbeiten nehmen fast haptisch seine großen Stahlblätter vorweg. © VG Bild-Kunst, Bonn 2022/Kunsthalle Mannheim/K. Schwab

Vier große Säle, zwei kleine und 42 Künstler – Grafikkurator Thomas Köllhofer hat seine Schränke weit geöffnet, aber sich klugerweise auf Bildhauerzeichnungen seit 1945 beschränkt. Die sind eine besondere Gattung, bilden sie doch das Probierfeld für Formen, die in den Raum drängen sollen. Dabei sind eigene Kunstwerke entstanden, die den späteren räumlichen in nichts nachstehen, und sie sind manchmal gar das Einzige, was von großen dreidimensionalen Schöpfungen blieb: Da ist dieses unspektakuläre Blatt von Fabrizio Plessi, „Acquedotto Elettronico“, das 1996 eine großartige Ausstellung im Heidelberger Kunstverein vorwegnahm – und heute an sie erinnert. Die elektronischen Geräte von damals könnten nicht mehr in Gang gesetzt werden, wenn es sie noch gäbe.

Für viele Besucher dürften hinter jedem Blatt Bezüge und Vorgänge aufblitzen, die nicht nur Jahrzehnte lebendiger Kunst dokumentieren, sondern auch die Geschichte der Kunsthalle selbst. Die großformatigen Arbeiten von Magdalena Jetelova, Andrea Zaumseil, Wilfried Hagebölling wurden wie viele andere im Zusammenhang mit Ausstellungen erworben. Manche Arbeiten lassen einen bekannten Künstler neu entdecken. Hans Nagel etwa, dessen Röhrenplastiken in Mannheim gegenwärtig sind – von ihm ist die Zeichnung eines seltsam kratzigen, geteilten Körpers zu sehen, nicht Figur, nicht Tier, es ist eine Kastanie mit aufgeplatzter Schale.

Köllhofer tat recht daran, die Blätter an der Wand jeweils mit einer zentralen Skulptur im Raum zu kombinieren. So ist Henry Moore nicht nur mit einer kleinen Steinplastik vertreten, sondern auch mit einer schönen Gouache, auf der das Mutter-Kind-Motiv sechsmal variiert wird. Spektakulär in einem Raum das große Ensemble „Codex Dissolutus“ (2006) von Christoph M. Loos, das ein Gegengewicht zu Werner Haypeters streng geometrischen Formen bildet: Loos’ „Holzschnitte“ muss man wörtlich nehmen, es sind dünne, vom Baumstamm geschälte Schichten, die sich von allein wieder aufrollen, wenn man sie nicht in die Fläche zwingt.

Im Grunde geht die Schau über die Gattung „Bildhauerzeichnung“ hinaus – Richard Serras asphaltartig schwarze Riesenblätter nehmen fast haptisch seine großen Stahlplatten vorweg. Dagegen wagt Fred Sandback die radikale Gegenposition: Auf seinen zwei Blättern ist nichts zu sehen als jeweils eine senkrechte und eine kürzere gekippte Linie. Und dass durchaus auch Farbe eine Rolle spielt, zeigt sich bei Lucio Fontana und in einem kleinen Kabinett bei Ben Muthofers subtilen Schlitzungen.

Freie Autorin MM Kulturredaktion 1974-2001, Fachgebiet Bildende Kunst

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