Hip-Hop ist facettenreich und verbindet Menschen. Vergangenes Jahr wurde der Heidelberger Hip-Hop gar als Immaterielles Weltkulturerbe ausgezeichnet. Gute Gründe das Thema mit einem zweiten Symposium in den Mittelpunkt zu rücken. Etwa einmal im Jahr veranstalte die Popakademie eine komplexere Großveranstaltung, in dessen Rahmen Workshops, Panels und Keynotes zu einem gemeinsamen Thema stattfinden, erzählt Derek von Krogh, Künstlerischer Direktor und einer von zwei Geschäftsführern der Popakademie. Das zweitägige Event lockte daher am Freitag und Samstag mehrere hundert interessierte Gäste in die Popakademie.
Derek von Krogh: Fokus aufs Thema mit Raum für gewisse Nerdigkeit
Das Symposium verfolge verschiedene Ziele, so von Krogh. „Es gibt einen ganz pragmatischen Popakademie-Ansatz der heißt: Wir wollen eine Themenwoche oder Thementage haben, an denen man sich sehr auf ein Thema fokussiert und man sich auch wirklich eine gewisse Nerdigkeit traut“, sagt er. „Dann gibt es einen gesellschaftlichen Auftrag, der sich wiederum in verschiedene Teilbereiche aufteilen lässt. Man kann sagen: Die Hip-Hop-Kultur beleuchten, hinterfragen und zelebrieren. Sowas finde ich, ist eine Aufgabe dieses Hauses, weil Hip-Hop ein ganz massiver Bestandteil der Popkultur ist“, sagt er. „Ich empfinde jede Form der kulturellen Tätigkeit, Information und Pädagogik immer auch als gesunde Medizin für die Gesellschaft.“
Zudem sei Kultur ein Bindeglied in der Gesellschaft. An der Popakademie gebe es, im Gegensatz zu anderen Hochschulen fast keine Diskussionen zum Nahost-Konflikt. „Das kann ich mir nur damit erklären, dass Musik als die universelle Sprache, die alle sprechen, uns verbindet und wir das zelebrieren.“ Am ersten Veranstaltungstag sei beim rein männlich besetzten Panel mit Torch, Samy Deluxe, Megaloh und Marvin Game auch schon mal kontrovers zugegangen (wir berichteten online), sagt er. „Und das soll und darf es aber auch mal sein“, sagt von Krogh. „Gleichzeitig hat das Haus natürlich eine Verpflichtung, dass alle, die wir hier einladen, eine Safe Space-Dynamik im Rücken haben. Sie sollen Rückenwind kriegen und niemand darf sich angegriffen fühlen.“
Finanzminister Danyal Bayaz diskutiert mit Torch und Co.
So stand am Freitagabend eine wissenschaftliche Keynote von Rap-Forscherin Heidi Süß über Männlichkeit im Deutschen Hip-Hop auf dem Programm - hochkarätig und differenziert. Deutsch-Rap-Pionier Torch, der mit dem Heidelberger Hip-Hop Institut 2018 das erste Symposium organisiert hatte und sich jetzt offenbar ein wenig übergangen fühlte, hatte Teile des Vortrags offen kritisiert. Das stieß auf Gegenwind aus dem Publikum, genau wie die Tatsache, dass im Headliner-Panel nur Männer auf der Bühne saßen.
DasDing-Moderator Sandy begleitete die Runde mit den vier Rap-Stars. Ein Gespräch, zu dem am Ende auch Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz stieß, der zuvor eine kurze Rede über die Bedeutung von Hip-Hop gehalten hatte. Auf dem Podium versuchten die Rapper, den Grünen-Politiker für die in ihren Augen mangelhafte Unterstützung für jugendliche Subkultur in die Verantwortung zu nehmen. Was den glühenden Hip-HopFan aus Heidelberg offenkundig ein wenig in Verlegenheit brachte.
Zuvor hatte das Quartett aus vier Hip-Hop-Generationen in seltener Offenheit über Geschichte und Trends ihres Genres diskutiert. Wobei Torch aus der Perspektive als Pionier immer wieder anmahnte, die vielfältige Hip-Hop-Kultur nicht mit dem Geschäft um Rap-Musik zu verwechseln. Alle vier waren sich im musikalischen Ansatz, auf Qualität als Rapper zu setzen, einig, und sendeten unisono die Botschaft, dass Hip-Hop Selbstermächtigung bedeute: „Einfach machen!“ Ein wenig Musik gab es am Freitag auch: Der Schlagzeuger Syriuos beeindruckte bei seinem ersten Auftritt als Rapper. Zum Abschluss rappten die Heidelberger Stieber Twins als Überraschungsgäste ihren 25 Jahre alt gewordenen Song „Malaria“ gemeinsam mit Samy Deluxe.
Der Samstag startete mit Live-Painting von Yannik Czolk. Roman Schneider vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache hielt einen Vortrag zur Bedeutung von Deutschrap in der Sprachforschung. Zudem gab es Workshops zur Produktion. „Mein Workshop ,Der lange Weg der 808 - von 1980 bis Heute’ war extrem nerdig“, sagt von Krogh und lacht.
Frage zur Sichtbarkeit weiblicher Identitäten in der Musikbranche
Bewegung stand beim Workshop von Tänzerin Dorit Rode auf dem Programm. Sie studierte mit den Teilnehmenden eine Choreografie zu 2Pacs „California Love“ ein. Beim Panel „Zwischen Highlighting und Hypervisibility“ stellten Daniela Ammermann, Sheyda, Lina Burghausen, Josi Miller, Anna Groß und Haszcara die Frage, wann weibliche Identitäten in der Musikbranche normal sein werden.
Die queeren Acts Finna und Maurice Conrad unterhielten sich über Queeren Rap. Finna stellte fest, dass queere Musiker selten im Vorprogramm von Bands oder Künstlerinnen und Künstlern, die heterosexuell sind, auftauchen. Man sage queere Acts können ja alle auf dem CSD spielen und vielleicht auch in einem queeren Club. „Damit ändert sich halt in dieser Live-Festival-Ebene wenig.“ Denn das Line-Up bestehe weiterhin aus Cis-Hetero-Acts.
Eva Betzinger führte die Gesprächsrunde zum Thema Künstlerische und Künstliche Intelligenz, an der die Acts Mine, Ralph Heidel und Bazzazian teilnahmen. Bazzazian befürchtet nicht, dass KI Künstlerinnen und Künstler überflüssig mache. „Macht euch nicht so einen Kopf“, beruhigt er. Auch das Thema Streaming wurde beleuchtet. Heidel erklärte, Studien zeigten, dass Spotify dafür sorge, dass „die Leute auch mehr Platten kaufen.“
Hip-Hop als cooler Lebensratgeber für junge Menschen
Autorin und Hip-Hop-Expertin Anna Groß, die viel mit Jugendlichen zusammenarbeitet, vermittelte den teilnehmenden Multiplikatoren in ihrem Workshop „It’s more than just Rap - Hip-Hop in der Jugendarbeit“ anschauliche Methoden. Multimedia und Analysen von Songtexten etwa können wertvolle Wegweiser beim Erwachsenwerden sein.
Musikalische Darbietungen standen ebenfalls auf dem Programm. Neben Auftritte von CeyCey und Siryous gab es als Finale ein Konzert von Aufmischen Featering Haszcara & Maurice Conrad, Kiki und Lazlo.
Mit dem Symposium zeigt sich von Krogh im Bilanzgespräch sehr zufrieden. „Meine größte Sorge war, dass es irgendwie langweilig sein könnte“, sagt er. „Wir haben uns sehr viel Mühe gegeben, es so bunt und wild wie möglich zu machen. Und das ist auf jeden Fall gelungen.“ (jpk)
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