Hintergrund

Darum ging es beim Hip-Hop Symposium an der Mannheimer Popakademie

Der prominent besetzte Auftakt des Hip-Hop Symposiums in der Popakademie gerät in vielerlei Hinsicht spannungsreich - und bestätigt unbeabsichtigt Keynote-Thesen von Forscherin Heidi Süß von "fraglos gegebener" Männerdominanz im Deutsch-Rap

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Hoher Rap-Besuch in der Popakademie (von links): Torch, Marvin Game, Megaloh und Samy Deluxe © Klotz

Mannheim. Der Auftakt des zweiten Hip-Hop Symposiums an der Mannheimer Popakademie am Freitag ist äußerst hochkarätig besetzt – und unerwartet spannungsreich. Kreativdirektor Derek von Krogh hatte das 2018 mit 500 Teilnehmenden sehr erfolgreich gestartete Format wiederaufleben lassen – und als Kurator einer prominenten, live beim Radiosender DasDing übertragenen Talkrunde Deutsch-Rap-Ikone Samy Deluxe gewonnen. Der 47-jährige Hamburger hat sich den Heidelberger Hip-Hop-Pionier Torch (53) sowie die Berliner Megaloh (43) und Marvin Game (33) eingeladen. Baden-Württembergs Finanzminister und Hip-Hop-Fan Danyal Bayaz hält zwischendurch eine euphorische Rede und diskutiert am Ende mit den Rappern u.a, über die Finanzierung von Subkultur. Die Eröffnungs-Keynote hält die Rap- und Männlichkeitsforscherin Heidi Süß.
Das sollte wohl abfedern, dass ein rein männlich besetztes Podium im Jahr 2024 an einer Hochschule durchaus als Provokation aufgefasst werden kann. „Okay, es sind nur Männer – so sue us“, kommentiert es von Krogh in der Zwischenmoderation, verweist aber auf den Samstag: „Morgen sind es nur Frauen. Da könnt ihr uns auch verklagen.“ Theoretisch ist dieses Konzept gut gemeint, praktisch legt der kompetente, differenzierte und unterhaltsame Vortrag von Heidi Süß die identitätspolitischen Konfliktlinien rund um Rap offen – und das nicht nur wissenschaftlich.

Das geht schon beim Titel los: „Ihr wart mal Stars“ – diese Anlehnung an Torchs Klassiker „Wir waren mal Stars“ ordnet Süß vorab als „kleinen Gag“ ein, der keineswegs als „Diss“ gemeint sei. Da Torch seinen Platz im voll besetzten Saal etwas später einnimmt, versteht er es als Affront. Genau wie die Tatsache, dass ein altes ikonisches Foto seiner Band Advanced Chemistry neben anderen Gruppen als Beispiel für im Rap typische homosoziale Männergemeinschaften zeigt – obwohl die Heidelberger schon vor 30 Jahren darauf geachtet hätten, Frauen auch in solche Bilder zu integrieren. Außerdem: „Die Forschung hinkt hinterher“, merkt Torch an. Er hinterfrage seine Männlichkeit seit Beginn seiner Karriere an. Der Rapper hat nicht unrecht, trotzdem wirkt es auf viele so, als würde er die Forscherin am Rednerpult abkanzeln – wofür er später scharfe Kritik aus dem Publikum erntet. Torch selbst macht keinen Hehl aus seiner Unzufriedenheit mit der Tatsache, dass dieses Symposium nicht wie bei der Premiere 2018 von ihm, Andreas Margara und dem Freien Hip-HopInstitut in Heidelberg organisiert wurde.

Hip-Hop Symposium an der Popakademie als gelungenes Sozialexperiment

Al Samy Deluxe in der Männerrunde noch laut über Frauenquoten und Altersdiskriminierung gegen seine Rapper-Generation nachdenkt, sorgt das für gereizte Reaktionen im Publikum. Die Zusammensetzung und die zunächst eher anekdotische Art wie die Männerrunde miteinander plaudert, bestätigt natürlich viele von Süß’ Beschreibungen, etwa die Dominanz von Männergruppen als „fraglos Gegebenes im deutschsprachigen Hip-Hop“. Aber: Da die Rapper vier sehr verschiedene Generationen ihres sich stets rasant ändernden Genres, repräsentieren, entwickelt sich ein offener, hochinteressanter, exklusiver Austausch über die Entwicklung und Definitionen von Hip-Hop, Trends, Techniken, Sichtweisen, Selbsteinschätzungen. Wenn der Abend ein Sozialexperiment hätte sein sollen, wäre es sehr gelungen.  

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Veröffentlicht
Von
Rahel Adel
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