Es stehe ein Generationswechsel bevor, sagt der Komponist Sidney Corbett, der auch Chef der Gesellschaft für Neue Musik (GNM) ist. Die Vorstellungen der jungen Generation, sagt er bei der Vorstellung des Jahresprogramms, seien „erfreulicherweise nicht dieselben wie meine“. Sein Alter lehre ihn, „dass dieser Wechsel wichtig und notwendig“ sei. Er wolle ihn – auch mit dem Blick auf die Fragen der gesellschaftlichen Relevanz, „die wir ja uns immer zu stellen haben“ – tatkräftig unterstützen.
Die jüngere Generation, das seien alle Digital Natives, sie navigierten in der Vielfalt ästhetischer, stilistischer und sonstiger gegenwärtiger Haltungen mit Interesse und ohne dogmatische Vorprägung, so Corbett: „Mir scheint es ganz eindeutig, dass wir in einer Zeit leben, musikalisch wie auch sonst, in der bisher gültige Annahmen in Frage gestellt und gegebenenfalls ersetzt werden müssen.“ Stecken hinter diesen Einsichten Aussichten auf das Ende der monokratischen Beziehung zwischen Komponist und Publikum? Oder zumindest die eröffnete Diskussion darüber, für wen die Avantgarde eigentlich komponiere?
Neue Spielorte, neue Schichten
Immerhin: Seit Corbetts Übernahme der GNM-Leitung hat sich einiges getan. Nicht unbedingt stilistisch. Aber Corbett arbeitet eifrig daran, die aktuell komponierte Musik in die Stadt und Region zu tragen, neue Spielorte und dadurch freilich neue Schichten zu erreichen. Mit Kooperationen gelingt es mithin, auch größere Projekte zu realisieren. Corbett nennt als Beispiel das erste Konzert des Jahres am 3. März (20 Uhr), zu dem das bekannte Ensemble Les Percussions de Strasbourg erstmals nach Mannheim kommt – gefördert durch das Goethe-Institut und den Baltic Contemporary Music Days. Viktorija Pakalniece (Sopran) wird singen. Werke, und vor allem Uraufführungen von Helena Tulve, Vykintas Baltakas, Gundega Smite, Thomas Hummel und auch Corbett selbst werden die schöne Akustik der Kulturkirche Epiphanias mit Klang füllen.
Weitere Partner sind „Impulse Neue Musik“, „Neustart Kultur“ und der SWR, der das Sonderkonzert des Ensemble Recherche am 16. Juni in der Feudenheimer Kulturkirche mitschneidet.
Die Trennung vom Kammermusikverein Claus Meissners vor Jahren beurteilt Corbett als richtig, verfolge man doch eigene Ziele mit anderen Partnern und habe auch eine andere Vernetzung. Und Spielorte: Neben der Kulturkirche Epiphanias, wo als drittes Konzert am 5. Mai auch das Ensemble Risonanze mit Peter Tilling spielt, sind das, wie schon zuvor, der Florian-Waldeck-Saal der REM. Dort spielt am 31. März Pianist Florian Hölscher ein Recital mit Alberto Posadas Zyklus „Erinnerungsspuren“, und Steffen Schleiermacher (Klavier) und Holger Falk (Bariton) stellen am 27. Oktober Liedkompositionen von Corbett, Schleiermacher, Wolfgang Rihm und Hanns Eisler vor.
Zudem werden noch Zeitraumexit und das Eintanzhaus bespielt. Im Zeitraumexit will das TrioCoriolis am 21. April Werke von Iris ter Schiphorst, Wolfgang von Schweinitz und Klaus-Peter Werani spielen, und ein großes Konzert im Eintanzhaus mit dem Bremer Schlagzeugensemble und Mezzosopranistin Katharina Rikus am 6. Oktober stellt György Ligeti in den Mittelpunkt, der am 28. Mai 2023 100 Jahre alt geworden wäre. Corbett findet das Eintanzhaus einen „sehr spannenden Ort in Mannheim“. Bei der Frage nach einem Höhepunkt des Jahresprogramms will er sich aber nicht festlegen, denn: „Eigentlich sind ja alle unsere Konzerte Höhepunkte!“
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