Mit einem Redner fing alles an. Dabei ist Frank Brabant ein stiller Beobachter der Kunst und bleibt lieber im Hintergrund. Doch „Der Redner“ von 1918, ein kleiner Holzschnitt eines kämpferisch auftretenden Mannes von Max Pechstein, war Brabants erste Erwerbung eines Kunstwerks im Jahr 1964. Diesem eher unfreiwilligen Kauf folgten bis heute 600 begeisterte Erwerbungen, denn Brabant fand rasch Gefallen an der Kunst. Vor 54 Jahren aber war Brabant eher zufällig in eine Frankfurter Galerie geraten. Er glaubte, es herrsche Kaufzwang und wählte den „Redner“ aus, der ihm gefiel. Den Preis von 350 Mark stotterte er in zwölf Raten ab. Damals kannte Brabant nur populäre Künstler wie Chagall oder Picasso und machte sich erst nach dem Kauf über den Expressionisten Pechstein kundig.
Geld in Diskos verdient
Jetzt hängt das Porträt inmitten von 130 Werken aus Brabants Sammlung im Museum Wiesbaden, das nach dem Tod des 80-jährigen Stifters die Hälfte des Kunstschatzes erhalten soll. Die anderen 300 Werke erhält Schwerin, wo Brabant 1938 geboren wurde. Mit 20 ging er nach Wiesbaden und verdiente dort gutes Geld mit Diskotheken, in denen auch Promis wie Udo Jürgens oder Helen Vita ein und aus gingen.
Derweil sammelte Brabant weiterhin die damals noch erschwingliche Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, zuerst die Expressionisten, später die Neue Sachlichkeit. Heute besitzt er Werke von allen wichtigen und vielen vergessenen Künstlern dieser Zeit, die in seiner 150-Quadratmeter-Wohnung dicht an dicht hängen. Es ist eine der großen Privatsammlungen der Klassischen Moderne in Deutschland, die „Von Beckmann bis Jawlensky“ reicht, so der Ausstellungstitel.
Den Wiesbadenern hat Brabant schon vor einiger Zeit ein Bild geschenkt. Es ist ein Glanzpunkt der Sammlung, Alexej von Jawlenskys um 1901 gemaltes Porträt „Helene im spanischen Kostüm“, sein Hausmädchen, das er später heiratete. Mit dem Gemälde erweiterte das Haus seinen Bestand an 100 Werken des russischen Künstlers. Die Sammlung ist einzigartig – nur ein kalifornisches Museum hat noch mehr Jawlenskys.
Freilich hat Brabant nicht immer die teuersten Werke gekauft. Von Max Beckmann etwa kommt künftig ein Porträt eines älteren Herrn ins Museum, eine Druckgrafik von 1921. Doch Wiesbaden kann den Expressionismus auch so gut abbilden, Brabants Werke ergänzen und erweitern das noch. Anders ist das mit der Neuen Sachlichkeit, die hier bisher schwach vertreten war. Nun kann das Haus künftig mit Otto Dix, Georges Grosz und Rudolf Schlichter aufwarten, aber auch mit Künstlerinnen dieser realistischen und sozialkritischen Stilrichtung wie Elfriede Lohse-Wächtler und Jeanne Mammen. So erweist sich der vermeintliche Kaufzwang über 50 Jahre später als Glücksfall für zwei Museen.
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