Mannheim. Am Mittwochabend (20 Uhr) spielt das Ensemble Colourage im Mannheimer Capitol. Der Name der Gruppe aus Musikern der Deutschen Staatsphilharmonie und Musikerinnen der Orientalischen Musikakademie ist eine Synthese aus Colour, Collage und Courage - wie auch die Musik eine Synthese ist aus europäischer Klassik und Kunstmusik aus dem türkisch-orientalischen Kulturraum - ein Gespräch mit Kanun-Spielerin Laila Mahmoud.
Frau Mahmoud, Sie spielen mit klassisch ausgebildeten Instrumentalisten zusammen und selbst Kanun, eine arabische Zither. Was reizt Sie an der Zusammenarbeit?
Laila Mahmoud: Wir sind alle klassisch ausgebildet, aber teils eben auf arabische oder türkische Musik spezialisiert. Und das ist es auch, was mich an der Zusammenarbeit mit der Staatsphilharmonie reizt. Wir machen eine kreative Recherche, die unendlich ist. Zum Beispiel erleben wir alle neue Klänge auf unseren Instrumenten. Ich spiele Dinge auf dem Kanun, die ich vorher nie gespielt habe. Das ist bei allen so. Wir merken, dass wir viel mehr sagen können, als wir dachten.
Was mussten die Kollegen zuerst von Ihnen lernen, und was haben Sie von den Kollegen gelernt?
Mahmoud: Also ich habe vor allem gelernt, wie ich systematisch und strukturiert arbeiten kann - besonders beim Notenschreiben. Es gibt da Unterschiede, und der Austausch war ein sehr wertvoller Prozess für mich. Umgekehrt haben die Leute von der Staatsphilharmonie viel über arabische Musik gelernt, über das Maqamsystem der Tonleitern.
In der arabischen Musik gibt es doch meines Wissens nach keine Polyphonie, oder kaum. Wie sind Ihre Erfahrungen damit?
Mahmoud: Das stimmt, die arabische Musik besteht aus einer Melodie, die viel moduliert wird durch die verschiedenen Tonleitern. Polyphonie oder Kontrapunkt hört man selten, aber es gibt schon Kompositionen, die Kontrapunkt und Harmonie einbeziehen. Doch das ist tatsächlich eine der Herausforderungen für uns, dass wir die Maqam-Musik mit all ihren Modulationen mit Polyphonie zusammenbringen und eine feine, schöne Harmonie schaffen.
Wie reagieren die mit europäischer Klassik sozialisierten Musiker aufs arabische Tonsystem? Wie schwierig ist es, die andere Tonaufteilung umzusetzen? Und wie verträgt sich das dann mit einem polyphonen und kontrapunktischen Denken?
Mahmoud: Das ist ein langer Prozess. Wir haben viele Workshops gemacht, uns lange ausgetauscht über die jeweils andere Musik. Wie können wir uns in der Mitte treffen und dort den neuen Klang schöner klingen lassen? Das ist nicht einfach. Aber wir sind auf dem Weg. Für viele ist das ungewöhnlich, aber machbar. Und es kommt immer gut an.
Entsteht da neue Schönheit?
Mahmoud: In jedem Fall, eine, die voll ist mit unseren Leidenschaften und Geschichten, damit wir uns besser verstehen und lernen, miteinander zu fühlen. Ich empfinde das als Reichtum. Wir genießen das. Das spürt man auch an der Aufregung vor Konzerten wie jetzt im Capitol, wenn wir neue Stücke vorstellen.
Was sind das für Kompositionen?
Mahmoud: Das sind Kompositionen von uns, jeder bringt ein Stück mit und wir arrangieren das zusammen, manchmal komponieren wir auch zusammen in kleinen Gruppen oder dem ganzen Ensemble.
Das klingt sehr demokratisch …
Mahmoud: Ja, das ist immer eine sehr demokratische Atmosphäre bei uns. Das hat Vor- und Nachteile. Ich finde es gut, weil alles offen ist. Man kann alles vorschlagen. Man kann auch immer sagen, was man über das Stück denkt, das wir spielen. Aber der Prozess ist deswegen auch lange. Wir brauchen für jedes Stück sehr viel Zeit, um eine Version zu finden, mit der wir alle zufrieden sind und sich jeder Charakter wiederfindet.
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