Das Interview - Der deutsch-marokkanische Kabarettist Abdelkarim über Polizeikontrollen, Ethno-Comedy, das „Umweltsau“-Lied des WDR und den deutschen Pass

Kabarettist Abdelkarim kritisiert "Bürgerkriegsstimmung nach Witzen"

Von 
Jörg-Peter Klotz
Lesedauer: 
Der in Bielefeld geborene Abdelkarim spielt am 16. Januar im Mannheimer Capitol sein zweites Bühnenprogramm „Staatsfreund Nr. 1“. © Guido Schröder

Vor allem durch Fernsehauftritte, ist der Wahl-Duisburger Abdelkarim zu einem der beliebtesten Komiker in Deutschland geworden. Der in Bielefeld geborene Sohn marokkanischer Eltern punktet aber auch live mit souverän gesetzten Pointen über den Alltag mit (oder ohne) Migrationshintergrund. Im Telefoninterview vor seinem Auftritt am 16. Januar im Mannheimer Capitol spricht der 38-Jährige über Polizeikontrollen, Ethno-Comedy und warum er endlich den deutschen Pass beantragen muss.

Abdelkarim, hat die Polizei Sie heute schon kontrolliert?

Abdelkarim: Nein. Das ist ohnehin seltener geworden. Durch die Flüchtlinge bin ich offensichtlich etwas aufgestiegen. Die Polizei hat wohl andere Sorgen. Die letzte Kontrolle ist gut zwei Monate her. Nur in Bayern werde ich eigentlich so gut wie immer kontrolliert, das ist schon eine Art Begrüßungskomittee.

Auch in der Satire wird kategorisiert, etwa mit dem etwas unschönen Begriff Ethno-Comedy. Die Vertreter scheinen aber zahlreicher und immer erfolgreicher zu werden. Und längst sind es nicht mehr vor allem Deutschtürken wie Bülent Ceylan. Liegt es an der politischen Lage, dass die Nachfrage in dem Bereich steigt - sublimieren die Deutschen so ihre Ängste?

Abdelkarim: Oh, gute Frage. Die Beobachtung habe ich auch gemacht, dass in den letzten Jahren mehr Kollegen mit Migrationshintergrund auftauchen. Wenn es zum Fußballprofi nicht reicht, bleibt halt nur noch Comedy. Aber in jüngster Zeit scheint es mir wieder mehr neue Urdeutsche im Geschäft zu geben. Generell ist es heute viel leichter mit Comedy anzufangen. Kaya Yanar oder auch Michael Mittermeier hatten es vor gut 20 Jahren viel schwerer als ich. Die haben richtig Pionierarbeit geleistet.

Yanar und Ceylan bekamen immer wieder auch Vorwürfe zu hören, Sie würden Ausländer-Stereotype bedienen. Wie beurteilen Sie das, passiert Ihnen das auch?

Abdelkarim: Ich lese sehr wenig über Comedy, sogar über mich eigentlich nichts. Von daher kenne ich die Vorwürfe nicht.

Sind Sie so uneitel?

Abdelkarim: Ich habe dafür zu wenig Zeit. Viele sagen ja auch, man sollte es selbst besser nicht lesen. Denn wenn die Berichte zu positiv sind, neigt man zum Durchdrehen. Sind sie zu negativ, nimmt man es womöglich zu ernst. Ob das mit den Stereotypen stimmt, weiß ich nicht: Die Gefahr ist aber immer da. Denn wie ein Mensch das meint, was er auf der Bühne sagt, weiß letztlich nur er selber. Und wie es beim Publikum ankommt, hängt nicht nur vom Menschen auf der Bühne ab. Je größer die Zuschauerzahlen sind, desto weniger ist man auch auf Augenhöhe mit dem Publikum und bekommt die Reaktionen weniger gut mit.

Apropos: Vor 20 Jahren gab es eine scharfe Trennlinie zwischen ernsthaftem Kabarett und nur ulkiger Comedy, die vor allem Dieter Nuhr aufgebrochen hat. Heute würde ich eine Grenze ziehen zwischen Komikern, die in ganz großen Hallen wie der SAP Arena auftreten wollen - wo man den Niveauball etwas flacher spielen muss. Und den Nuhrs und Priols, denen maximal 3000 Zuschauer genug sind. Wo stehen Sie da?

Abdelkarim: Da habe ich keine Entscheidung getroffen, weil ich Beides schön finde. Ich hatte schon die Möglichkeit, vor ganz großem Publikum zu spielen. Das macht auch riesigen Spaß, ist aber eine andere Nummer an Spaß. Weil je kleiner das Theater ist, desto persönlicher wird der Auftritt und desto mehr hat man mit den Zuschauern gemeinsam Spaß. Wenn ich zum Beispiel jemanden in der dritten Reihe anspreche, dann hören auch alle die Antwort und es geht nicht so in der Masse unter. Inwieweit manche Themen in großen Hallen nicht funktionieren, weil die Gruppendynamik ganz anders ist, kann ich aus eigener Erfahrung nicht abschließend beurteilen. Was ich vor 4000 bis 6000 Zuschauern schon erlebt habe, ist dass der Eventcharakter und der Hang zum Feiern steigt. Das fühlt sich dann so an, als ob da ein einzelner Mensch ganz laut lacht und nicht 6000 Leute. Das Party-Feeling ist schon schön, aber vor 600, 700 Zuschauern wie im Capitol ist es persönlicher. Wie in einem großen Wohnzimmer.

Wie setzt sich Ihr Publikum zusammen?

Abdelkarim: Ich habe keine spezielle Zielgruppe. Mein Publikum ist so durchmischt wie die Einkaufsmeile in einer Großstadt. Ich find das super. In großen Städten gibt es kaum Unterschiede, etwa zwischen Mannheim, Frankfurt oder Darmstadt. Auf dem Land kommen weniger Leute mit migrantischer Geschichte. Aber sie sind nie in der Mehrzahl, falls Sie das meinten.

Wir leben in einer zunehmend gespaltenen Gesellschaft. Kann Humor helfen, die Gräben zuzuschütten? Speziell Ihre Arbeit?

Abdelkarim: Ich weiß nicht, ob wir Komiker diese Probleme lösen können. Ich kann nur für meine Shows sprechen, da empfinde ich es definitiv so, dass Gräben zugemacht werden können. Das passiert jeden Tag, wenn ich auf der Bühne stehe. Nicht, weil ich ein geiler Typ bin, sondern weil die unterschiedlichsten Menschen zu mir kommen. Es ist nicht nur eine Art von Publikum, das da gemeinsam lacht. Nach der Show entstehen Gespräche. Auch zwischen den Zuschauern. Und spätestens, wenn das Licht angeht, merkt man, dass da so ziemlich alles dabei ist: vom coolen Shisha-Bar-Araber bis zum seriösen Spießer-Araber, und die Blonden sind in der Mehrheit. Aber auch die Blonden unterscheiden sich untereinander extrem. Eins haben alle gemeinsam: Keiner nimmt sich zu ernst. Es ist wunderschön zu sehen, dass wir am Ende doch alle gleich sind, was wir ja eigentlich auch wissen, aber in der heutigen Zeit kann man es nicht oft genug betonen.

Ihr satirisches Geschäftsmodell besteht für mich darin, dass Sie sich sehr souverän über die Behandlung von Minderheiten in Deutschland amüsieren. Bräche das weg, wenn die Utopie perfekter Integration verwirklicht wäre?

Abdelkarim: Ich vermute eher nicht. Irgendeinen Anlass Witze zu machen, hatte ich immer - auch in der Grundschule, wo die Herkunft wirklich keine Rolle spielte. Und ich habe heute auch andere Themen.

Von US-Superstar Dave Chappelle bis Dieter Nuhr und zuletzt dem WDR: In der Satire wird es ein immer größeres Thema, über was man noch ungestraft Pointen setzen kann, ohne vom Volkszorn oder sonst jemandem abgestraft zu werden. Ihnen passiert das eher nicht. Warum?

Abdelkarim: Direkt kommt da bei mir tatsächlich wenig Negatives an. Öffentlich heißt es schon mal „Staats-Comedy“ oder „Warum macht der Islam-Witze?“ Das kann man auch nicht beeinflussen. Wobei ich immer eines versuche: Charmant zu bleiben, wenn ich kritisiere. So dass diejenigen, die ich in einer Pointe thematisiere, selbst am lautesten mitlachen, und nicht direkt zumachen. Ich bin auch nicht der Typ, der vorsätzlich verletzen will. Aber auch das garantiert nicht, dass sich niemand auf den Schlips getreten fühlt. Die Gefahr ist immer da.

Wie beurteilen Sie den Umgang des WDR mit der „Umweltsau“-Satire? Wächst einem als Satiriker da nicht automatisch eine Schere im Kopf?

Abdelkarim: Die Umweltsau-Affäre ist ja nur ein Beispiel von vielen für Bürgerkriegsstimmung nach Witzen. Für mich war die Umweltsau-Nummer ganz klar als Comedyclip erkennbar. Und ob Comedy und Satire erlaubt sind oder nicht, hat mit der Qualität und ob es einem gefällt oder nicht überhaupt nichts zu tun. Satire muss immer geschützt werden. Aber wenn’s geht, bitte ohne Schaum vorm Mund. Nach der „Umweltsau“ wollten einige, dass der WDR für immer eingestampft wird. Nach Löschen des Clips wollten einige, dass Buhrow seinen Job verliert. Diese Hexenjagd- und „Hängt-ihn-höher“-Mentalität wird keinen von uns weiterbringen. Wir sollten uns alle etwas beruhigen und besonnen miteinander streiten. Vor allem dann, wenn es aus nachvollziehbaren Gründen schwerfällt.

Sie sind in Bielefeld geboren, haben aber aus Zeitgründen den deutschen Pass nie beantragt. Damit sind Sie nicht wahlberechtigt. Ist das für einen Kabarettisten nicht etwas seltsam?

Abdelkarim: Wobei das ja keinen wirklichen Aufwand bedeutet: Er wird beantragt, dann werde ich angerufen, sobald ich ihn abholen kann, sagte man mir. Ich muss mich da auch ein wenig maßregeln. Denn aktuell muss man den Pass unbedingt haben, allein, um wählen zu können. Momentan könnte es auf jede Stimme ankommen. Deswegen steht das mit dem Pass ganz oben auf meiner Agenda 2020. Aber in der Gesellschaft, untereinander, ist der Pass - egal welcher Nation - völlig unwichtig. Weil ich damit auch nicht deutscher wäre als bisher, fand ich es bisher unwichtig. Aber da man nicht weiß, wer hier womöglich an die Macht kommt, wird der deutsche Pass vielleicht noch wichtig, um nicht abgeschoben zu werden (lacht).

Kabarettist aus Bielefeld

  • Abdelkarim Zemhoute wurde am 6. Oktober 1981 in Bielefeld als Sohn marokkanischer Migranten geboren. Er studierte zunächst zwei Semester Germanistik und Islamwissenschaft, dann Jura, konzentrierte sich aber früh auf die Comedy-Karriere.
  • Erste Live-Auftritte hatte Abdelkarim ab 2007. Seit 2009 ist er regelmäßig im Fernsehen zu Gast. 2013 und 2014 war er auf EinsPlus drei Staffeln lang als Moderator der Show „StandUpMigranten – Comedy mit allem und scharf“ zu sehen. Er zählt zu den regelmäßigen Teilnehmern von Erfolgssendungen wie „Die Anstalt“ (ZDF), „Nuhr im Ersten“ (ARD) und „Heute Show“ (ZDF).
  • 2018 erhielt der Grenzgänger zwischen Kabarett und Comedy den Deutschen Fernsehpreis in der Sparte „Beste Information“.
  • Abdelkarim spielt am Donnerstag, 16. Januar, 20 Uhr, im Mannheimer Capitol. Karten unter 0621/33 67 333 (28,45 Euro, freie Platzwahl).

Ressortleitung Stv. Kulturchef

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen