Pop

Jungstötters neues Album: Vom Meltdown zum kreativen Höhenflug

Ex-Szarr-Sänger Fabian Altstötter gelingt mit seiner zweiten Soloplatte "One Star" ein ausgereiftes melancholisches Meisterwerk. Sie erscheint am 28. April, am 18. Juni spielt er beim Maifeld Derby

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Wahl-Wiener aus Landau: Fabian Altstötter alias Jungstötter. © Clemens Schmiedbauer

Melancholie war immer der Leitstern seiner Musik. Da wirkte es erstaunlich leichtherzig, als Fabian Altstötter 2018 nach dem Ende der Erfolgsgeschichte mit dem Landauer Indie-Pop-Trio Sizarr, seinen Familiennamen abwandelte und eine Solokarriere als Jungstötter begann. Zumal kaum jemand schon in jungen Jahren so sehr nach alter Seele klingen konnte, wie dieser 1991 in der Pfalz geborene Sänger. Auf seinem zweiten Soloalbum „One Star“ nach „Love Is“ (2019) klingt er noch ausgereifter. So ausgereift, dass man sich schwer vorstellen kann, wie er seine Elegien künftig noch besser, moderner, zeitloser und trotz vieler aufscheinender kleiner Verbeugungen vor Pop-Ikonen noch eigenständiger klingen lassen könnte.

Wie so oft entsteht große Kunst in der Krise – durch Katharsis. Wenn man dem ungewöhnlich persönlichen Pressetext zu „One Star“ glauben darf, durchlebte Altstötter im Sommer 2021 eine schwere persönliche Krise, einen „Meltdown, wie er selbst sagt. Dann: „Rappelte er sich wieder auf, klaubte jene Trümmer, die eine heftige Depression auch von seiner Musik und seinem Selbstwertgefühl als Künstler zurückgelassen hatte, vom Boden.“ Daraus erwuchs deutlich hörbar die Inspiration für Jungstötters zehn neue Songs – „und in der Ruhe nach dem Sturm ergab sich dieses Album, das oft wie ein dunkler Stern über ihm gestanden hatte.“

Gesanglich bewegt er sich dabei längst nicht mehr nur im Spektrum von 80er-Jahre-Ikonen wie Talk Talks Mark Hollis oder einem melancholischen Marc Almond, die zu viel aus Scott Walkers seelischen Abgründen geschöpft haben. Man hört die schonungslos offene Klagsamkeit einer Anohni, die als Stimme von Antony And The Johnsons seit dem Jahr 2000 eine halbe Indie-Pop-Generation geprägt hat. Im Titel- und Schlusssong kulminiert dieser Stil-Mix in einer Dringlichkeit, die man fast nur aus Nick Caves Todeselegien kennt – faszinierend.

Die Musik übertrifft das noch. Sie mag beim oberflächlichen Hören erstmal durchgehend ruhig wirken. Aber was in den zehn Liedern allein rhythmisch passiert in einem Universum zwischen Trip-Hop, Jazz, Experimental-Electro und Anflügen der Sizarrschen Vorliebe für Afrobeat, ist immer wieder überraschend – auch aufwühlend und irritierend. Melodisch kann alles passieren: von der einsamen Trompete am Albumanfang in „Know“ bis zu flächigen Streichern, elegischen Chören, Akustik-Gitarren-Intro und einem halben Maifeld Derby an Electro-Spielarten.

Einfluss auch von Soap&Skin

Von fern erinnert das mitunter an den oft relativ unzugänglichen Stil von Anja Plaschg alias Soap&Skin, mit der Altstötter zusammenlebt – in Wien, nachdem seine Zeit in Berlin 2019 endete. Dort sitzt eine weitere Inspirationsquelle: Das Indie-Label Unguarded“, das kompromisslos eigensinnigen jungen Musikschaffenden eine kreative Plattform bietet. Wie Jungstötter aus durchaus vertrackten und allzu bekannten Pop-Einflüssen derart eigenständig klingende Musik macht, die mit etwas Höraufwand immer zugänglicher wird, ist beeindruckend. Und es steht für die Hauptbotschaft, die Sterne im Allgemeinen und „One Star“ im Besonderen vermitteln: Hoffnung, dass auf Dunkelheit Licht folgt.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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