Mannheim. Julia Willmann hat eine warme Vorleser-Stimme. Die bekommt nicht nur ihre achtjährige Tochter zu hören: Auch andere Kinder im Grundschulalter haben sich schon über witzige Manuskripte der Autorin schlapp gelacht – und bald können auch Grundschüler aus Mannheim und Umgebung ihr zuhören.
Aus 42 Einsendungen von Autorinnen und Autoren hat die Jury Julia Willmann mit ihrem Buchprojekt „Die keine Fiege ii und das Rauschen der Welt“ zur Feuergriffel-Stipendiatin 2021 gekürt. Mit dem Preis fördert die Stadtbibliothek Mannheim alle zwei Jahre ein Kinder- und Jugendbuchprojekt. Frühere Gewinner-Werke richteten sich hauptsächlich an Jugendliche. Nun wird erstmals eine Geschichte für Kinder im Grundschulalter ausgezeichnet.
Willmann wird nun vom 15. April an für drei Monate das Turmzimmer in der Alten Feuerwache beziehen, um in Ruhe an „Die keine Fiege ii und das Rauschen der Welt“ arbeiten zu können – wenn die Pandemie-Lage dies zulässt. „Wenn man mich nicht in Berlin festkettet, komme ich“, zeigt sich Willmann optimistisch. Doch sie wird nicht nur im stillen Kämmerlein schreiben, sondern auch die Stadt Mannheim und ihre (jungen) Bewohner kennenlernen. Angedacht sind unter anderem Lesungen für Schulklassen, Schreibwerkstätten und eine Drehbuchwerkstatt in den Pfingstferien – zur Not als digitale Veranstaltungen.
Schönheit der Erde als Thema
Auch Dirk Grunert (Grüne) gratulierte Willmann bei der digitalen Pressekonferenz zur Bekanntgabe der Feuergriffel-Preisträgerin. „Wir sind gespannt, wie unsere Stadt ihr Wirken beeinflussen wird“, so der Mannheimer Bildungsbürgermeister. „Für mich ist dieses Stipendium gerade in der Corona-Zeit ein Segen“, freut sich Willmann. „Die Vorstellung, sich in einem anderen Raum als sonst bewegen zu können, ist sehr befreiend.“ Die Autorin freut sich, Mannheim als eine „Großstadt, die sich greifen lässt“, „die nicht so unübersichtlich wie Berlin ist“ kennenzulernen. Vom Turm der Alten Feuerwache wird sie jedenfalls ihren Blick über die Stadt schweifen lassen können.
„Die keine Fiege ii und das Rauschen der Welt“ handelt von einer Schwebfliege namens Lili – die durch einen Unfall ihr „L“ verliert und fortan einen Sprachfehler hat - daher auch der Titel. Sie möchte die weite Welt erkunden und in die Alpen fliegen, landet aber in der Großstadt. Mit der Geschichte möchte Willmann von der Schönheit der Erde erzählen. Schon während sie ihr vorheriges Kinderbuch, „Rascha und die Tür zum Himmel“ schrieb, hat sie gespürt, dass sie literarisch auf den Klimawandel, die Zerstörung der Natur und das Artensterben reagieren möchte: „Aber dystopische Botschaften lähmen mich eher, als etwas Gutes anzustoßen.“ Lange war Willmann nicht klar, welchen Zugang sie zum Thema finden wollte. Aber dann hat sie darauf zurückgegriffen, dass sie für ein früheres Projekt einmal über Fliegen recherchiert hatte. „Als ich dann etwas über Schwebfliegen gelesen habe, ging mein Herz auf. Da passte es zusammen.“
Dies hat auch die Feuergriffel-Jury überzeugt: „In der Textprobe wird nicht der moralische Zeigefinger erhoben, aber die Botschaft kommt rüber“ begründet Albrecht Plewnia vom Institut für Deutsche Sprache die Entscheidung der Jury. Neo Allert, eines der jugendlichen Jurymitglieder, fügt hinzu: „Auch der konsequent durchgezogene originelle Sprachwitz hat uns überzeugt.“
Willmann hat bereits im Alter von sieben Jahren angefangen, literarisch zu schreiben. Beruflich hat sie sich jedoch zunächst für Filmdramaturgie entschieden. „Ich dachte, Filme zu machen, sei einfacher, als zu schreiben, weil man weniger alleine mit den Worten ist“, erklärt sie. Doch nun liebt die Preisträgerin ihre beiden kreativen Standbeine.
Ihr erstes Buch war ein Roman für Erwachsene, ihr zweites dann ein Kinderbuch. Eine Präferenz hat die Autorin nicht. Aber: „Wenn ich für Kinder schreibe, habe ich einen direkten Zugang zu meiner anarchischen Seite. Ich komme viel schneller an die Dinge heran, die wild, bunt und saftig sind.“ Insbesondere auf die Lesungen während ihrer Zeit in Mannheim freut Willmann sich. „Kinder reagieren spontan. Wenn ich den Mund aufmache, sehe ich sofort, was an einem Text funktioniert und was nicht.“
- Das Feuergriffel-Stipendium ist mit insgesamt 9000 Euro dotiert.
- Es beinhaltet einen Aufenthalt vom 15. April bis 15. Juli 2021 im Turm der Alten Feuerwache, eine Pauschale für Anreise und Lebenshaltungskosten in Höhe von 3000 Euro, 3000 Euro Preisgeld sowie weitere 3000 Euro bei Veröffentlichung des in Mannheim entstandenen Buches.
- Die Auszeichnung ist ein Preis der Stadtbibliothek Mannheim, gefördert vom Förderkreis der Stadtbibliothek, der GBG, der Bülent Ceylan für Kinder Stiftung, der Carl Esser Stiftung sowie dem Kulturzentrum Alte Feuerwache.
- Die Antrittslesung von Julia Willmann ist für den 22. April um 19 Uhr in der Stadtbibliothek Mannheim, Dalberghaus N3,4 geplant. Der Eintritt ist frei, um Anmeldung wird gebeten.
- Auch Lesungen und Schreibwerkstätten für Grundschulklassen sind geplant.
- Julia Willmann ist freischaffende Autorin und Filmdramaturgin. Mit „was es ist“ erschien 2017 ihr erster Erwachsenen-Roman. Ihr Kinderbuch „Rascha und die Tür zum Himmel“ erscheint im Juni 2021.
- Die gebürtige Freiburgerin lebt mit Mann und Tochter in Berlin.
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