Nachruf - Emil Mangelsdorff, der ältere Bruder des Posaunisten Albert Mangelsdorff, ist im Alter von 96 Jahren an seinem Wohnort Frankfurt verstorben

Jazz-Musiker Emil Mangelsdorff gestorben

Von 
Thomas Groß
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Im Alter von 96 Jahren ist der bekannte Saxofonist Emil Mangelsdorff verstorben. Das Bild zeigt ihn bei einem Auftritt bei EnjoyJazz im Jahr 2016 © manfred rinderspacher © Manfred Rinderspacher

Frankfurt. Im Alter von 96 Jahren ist er noch aufgetreten, aber jetzt hat er das Saxofon zur Seite gelegt: Nach einem langen, dem Jazz geweihten Leben, das ihn auch regelmäßig in die Rhein-Neckar-Region führte, ist der Musiker Emil Mangelsdorff in seiner Heimatstadt Frankfurt gestorben. Was bleibt, ist der lebensfrohe Drive in Kompositionen wie „The Grabtown Grapple“. Mangelsdorff starb nach Informationen des Jazzinstituts in Darmstadt bereits am vergangenen Donnerstag.

„Gemeinsam mit der deutschen Jazz-Szene trauere ich um einen ihrer profiliertesten und renommiertesten Solisten“, erklärte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) am Samstag. „Schon früh entdeckte er gemeinsam mit seinem Bruder die Liebe für den Jazz – in einer Zeit, in der jeder, der Jazz hörte oder gar selbst spielte, schwerste Strafen riskierte.“ Seine Musik und sein Wirken bleibe in Erinnerung.

Emil Mangelsdorff war der ältere Bruder des international berühmteren Jazz-Musikers Albert Mangelsdorff (1928-2005), dessen Instrument der Wahl die Posaune war. Die beiden gingen musikalisch getrennte Wege, spielten aber auch immer wieder zusammen. Seine erste Begegnung mit dem Jazz beschrieb Mangelsdorff nach Angaben der Frankfurter Bürgerstiftung einmal mit einem Erlebnis vor dem Radio seiner Eltern: „Da lief Louis Armstrong. Ich war geradezu elektrisiert, hatte einen Puls von 160 und wusste: Das ist es, das will ich auch machen!“ Aber als Jugendlicher erfuhr der Frankfurter, dass seine Lieblingsmusik als subversiv galt: Im NS-Regime spielte er trotz Verbots im Hinterzimmer eines Hotels mit Freunden amerikanischen Swing.

Damit die Polizei keinen Verdacht schöpfte, wurden die Titel „eingedeutscht“. Aus dem „Tiger Rag“ wurde „Die Löwenjagd im Taunus“, aus dem „St. Louis Blues“ die „St.-Ludwigs-Serenade“. Zeit seines Lebens hat sich Mangelsdorff als radikaler Demokrat verstanden. Als Zeitzeuge berichtete er Jugendlichen über Ausgrenzung und Unterdrückung im NS-Regime. Am Dr. Hoch’s Konservatorium in Frankfurt studierte er Klarinette – ehe er wegen „Wehrkraftzersetzung“ 1943 kurzzeitig inhaftiert und 1944 an die Front nach Russland geschickt wurde. Geprägt wurde er von Swing und Bebop. Seine Vorbilder: Charlie Parker und Lee Konitz, der oft in Frankfurt bei ihm zu Gast war. Mit Charles Mingus spielte er in New York.

Auftritt bei Gedenkkonzert

Am Altsaxofon ließ er mit einfühlsam-melodiösen Balladen die Herzen im Publikum schmelzen. Er liebte auch die klassische Musik – seine 1973 gestorbene erste Frau Simone war Opernsängerin. Seinen besonderen Sound brachte er in Bands ein, die Namen trugen wie Two Beat Stompers oder Frankfurt All Stars. 1966 gründete er die Swinging Oil Drops. Mangelsdorff trat in ganz Deutschland auf, war auch regelmäßig zu Gast in der Rhein-Neckar-Region. Sein letztes Konzert im Frankfurter Holzhausenschlösschen, gleichsam sein musikalisches Wohnzimmer, gab er im vergangenen November. Sein 213. Konzert an diesem lauschigen Ort lässt sich im Internet noch anhören.

Mehrfach war Emil Mangelsdorff Gast des Festivals Enjoy Jazz. Bei der von dieser Redaktion initiierten Konzertreihe „Jazz im Quadrat“ spielte er im Jahr 2003 vor mehr als 1000 Zuhörern. Vergangenes Jahr trat er noch beim Gedenkkonzert für den Mannheimer Jazz-Kritiker und Publizisten Matthias Spindler auf. Die Musiker seines Ensembles, des Emil Mangelsdorff Quartetts, wollen im Frühjahr bei den „Frankfurter Jazztagen“ für ihren verstorbenen Bandleader spielen. (mit dpa)

Das Foto zeigt ihn mit seinem 2005 verstorbenen Bruder Albert 1986 in der Mannheimer Feuerwache © Manfred Rinderspacher © Manfred Rinderspacher

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

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