Konzertkritik

James Blunt droht in Mannheim scherzhaft mit neuen Songs - und wird "ausgebuht"

4500 Fans bejubeln den britischen Balladenschmied in der SAP Arena. Ein medizinischer Notfall verzögert den Konzertbeginn, es handelt sich laut DRK Mannheim „nur“ um einen Beinbruch

Von 
Jörg-Peter Klotz
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James Blunt begeistert am Montagabend 4500 Fans in der Mannheimer SAP Arena. © Rudolf Uhrig

Mannheim. Die SAP Arena mag gerade mal halb voll sein. Aber die 4500 Fans bejubeln James Blunt am Montagabend bei seinem fünften Konzert in Mannheim, als wäre die Show seit Monaten ausverkauft. Dabei zieht sich die Wartezeit auf den britischen Hitballadenschmied trotz der sehr passablen Vorgruppe Tors aus Südwestengland.

Dann wird Popmusik plötzlich zur Nebensache, als Sanitäter mit Trage zu einer Besucherin rechts neben der Bühne eilen. Sie müsse stabilisiert werden, das Konzert verzögere sich um 15 Minuten, heißt es in einer Durchsage. Wie ein Mitarbeiter des DRK Mannheim im Gespräch mit dieser Redaktion noch während des Auftritts erklärt, habe die Patientin einen Oberschenkelhalsbruch erlitten und sei ins Krankenhaus transportiert worden.

Konzertbeginn verzögert sich bis 21.15 Uhr

Es wird 21.15 Uhr bis ein tief grollender, pulsierender Rhythmus durch die Arena rollt und signalisiert: Es geht los. Zuerst ist die vierköpfige Band zu sehen, die auf der riesigen Bühne tatsächlich in ein Bühnenbild mit Proberaum-Anmutung drapiert wird. Dann rückt der Star des Abends ins Scheinwerferlicht – und das Energiebündel James Blunt explodiert wie ein Rennpferd, das aus der Box schießt. Der muntere Popsong „Beside You“ lässt die Anspannung durch den Notfall schnell verfliegen und bringt das Publikum wie auf Knopfdruck zum Mitklatschen.

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Die zweite Nummer „Saving A Life“ handelt zwar von einer dramatischen Seenotrettung, wirkt unter den Umständen aber noch kurz beklemmend – auch wenn Veranstalter BB Promotion auf Anfrage schnell Entwarnung gibt, dass es sich „nur“ um einen Beinbruch gehandelt habe. Da gibt James Blunt schon als Entertainer verbal Vollgas: „Guten Abend, Mannheim! Alles gut auf Rechts, alles klar auf Links? – und das ist mein Deutsch“, ruft er nach dem gefeierten Klassiker „Wiseman“. Und macht seinem Ruf als charmanter Witzbold auf der Bühne alle Ehre: „Ich habe eine neue Hose, aber die alte verdammte Band – und neue Songs.“ Damit droht Blunt halb im Scherz: „Wir spielen nur die“ und legt in die aufkommenden, aber ebenfalls nicht ganz ernst gemeinten Buh-Rufe grinsend nach: „Ihr habt ja schon bezahlt.“

Sieben neue Songs vom aktuellen Album "Who We Used To Be"

Gut, am Ende werden es sieben Nummern vom aktuellen Album „Who We Used To Be“ (hier unser Vorgespräch zur Platte). Sie fügen sich trotz des überschaubarsten Verkaufserfolgs in Blunts bisheriger Karriere (Platz elf in den deutschen Album-Charts , Platz 5 im Vereinigten Königreich) ziemlich geschmeidig in die altgediente Hitparade. „Beside You“ hat für einen ordentlichen Kickstart gesorgt, „All The Love That I Ever Needed“ wird teilweise mitgesungen.

James Blunts Programm am 18. März 2024 in der SAP Arena

Hauptteil
1. Beside You (2023)
2. Saving A Life (2023)
3. Wisemen (2004)
4. Carry You Home (2007)
5. All The Love That I Ever Needed (2023)
6. Dark Thought (2023)
7.Goodbye My Lover (2004)
8. Glow (2023)
9. High (2004)
10. The Girl That Never Was (2023)
11. Postcards (2013)
12. I Won’t Die With You (2023)
13. Coz I Luv You (Slade-Song, von James Blunt 2021)
14. You’re Beautiful (2004)
15. Same Mistake (2007)
16. Stay The Night (2010)
17. OK (2017 mit Robin Schulz)
Zugabe
18. Monsters (2019)
19. Bonfire Heart (2013)
20. 1973 (2007)

Für den dritten neuen Song „Dark Thought“ tauscht der 50-Jährige die Akustikgitarre erstmals gegen das Piano und widmet das Lied der 2016 verstorbenen „Star Wars“-Schauspielerin Carrie Fisher, mit der er intensiv befreundet war. Sehr großer Applaus. Noch beeindruckender, wie er allein an den Tasten mit enormer Eindringlichkeit seine 20 Jahre alte Hitballade „Goodbye Lover“ interpretiert. So sehr er zwischen den Songs den selbstironischen Clown spielt, so sehr kann Blunt mit seiner doch sehr speziellen Stimme berühren – vor allem im Duett mit seinen textfesten Fans. Die aktuelle Powerballade „Glow“ ist im Anschluss gut gewählt. Sein im emotionalen Extremfall zum Schluchzen neigender Gesang polarisiert. Das weiß Blunt – und nimmt fast jeder Kritik mit Selbstironie de Wind aus den Segeln. Dass er und seine Band ihr Handwerk verstehen, kommt dazu.

Charmanter Witzbold mit viel Spaß an der Selbstironie

Zum guten Pop-Handwerk gehören Dynamik-Wechsel im Programm: Mit seinem allerersten Hit „High“ wird es wieder fröhlicher. Der Opener von Blunts Durchbruchsalbum „Back To Bedlam“ (2004) ist buchstäblich ein Höhepunkt: „Ich singe da so hoch – wie ein Delphin. Das können nur Mariah Carey und ich.“ Der frühere Soldat könnte wohl auch mit Comedy sein Geld verdienen. Aber beim harmoniesatten Dreierpack „The Girl That Never Was“, „Postcards“ und „I Won’t Die With You“ zeigt Blunt, dass er als Sänger doch noch wesentlich besser funktioniert.

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Zu seiner druckvollen Version des Slade-Hits „Coz I Luv You“ demonstriert der relativ frischgebackene 50-Jährige körperliche Fitness und sprintet durchs Publikum. Die Nummer ist generell großer Sport, weil die Band und die Bühnentechnik hier alle Muskeln spielen lassen. Das ist richtige Rockmusik bis hin zum Boogie-Piano. Danach kann nur Blunts Monsterhit „You’re Beautiful“ kommen, der schon beim ersten Akkord begrüßt wird wie ein alter Freund. Wenn diese eigentlich hinreißende Ballade ab 2005 nicht im Radio halb zu Tode gedudelt worden wäre – wer weiß? Dann wäre James Blunt heute vielleicht ein in den Karlstorbahnhöfen dieser Welt angehimmelter Indie-Popsänger und Kritikerliebling.

Am Schluss peitscht Blunt die Fans noch mal richtig auf

Aber er wird sich über die viel größere Resonanz trotz aller Anfeindungen nicht beschweren. Und seine Fans lieben ihn als Arena-Act: Als er für „Same Mistake“ das Licht dimmen lässt, folgt das Publikum nur zu gern der Aufforderung effektvoll die Smartphone-Lichter glitzern zu lassen. Das passiert bei fast jedem Konzert dieser Größenordnung, wirkt aber immer. Der Hauptteil endet poppig und durchaus heftig mit „OK“, das Blunt 2017 für DJ Robin Schulz besungen hat. Die dreiteilige Zugabe startet kurzentschlossen mit einem weiteren „Misery“-Song: „Monsters“ zunächst allein am Piano. Nach „Bonfire Heart“ liefert „1973 nach mehr als 90 Minuten den letzten Höhepunkt, den der Sänger durch Aufpeitschen des Publikums lustvoll in die Länge zieht.

Fünftes Konzert in der SAP Arena mit achtbarer Resonanz

Das ist ein Erfolg. Auch wenn die Oberränge spärlich besetzt, ja teilweise abgedeckt sind. Aber für einen Montagabend nach der Pandemie ist die Resonanz achtbar. Zuletzt wollten James Blunt 2022 und 2017 an gleicher Stelle 5000 Menschen sehen, 2011 waren es 3500. Zu Spitzenzeiten 2006 strömten 8000 (vor allem) Besucherinnen und Besucher zu seinem ersten Konzert in Mannheim. Das fünfte wird nicht das letzte gewesen sein. Das bleibt auch für die verunglückte Besucherin zu hoffen.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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