Wie es um die deutsche Rechtschreibung steht, hat im Kongresszentrum Rosengarten drei Tage lang Sprachwissenschaftler aus insgesamt 24 Ländern beschäftigt. In Referaten und Diskussionen ging es auf der Jahrestagung des Mannheimer Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache (IDS) um den Forschungsstand zum einzigen Bestandteil des Sprachsystems, der einer Normierung unterliegt. Letztere dokumentiert das amtliche Regelwerk zur Orthografie.
Auf der Abschlusspressekonferenz erläuterten IDS-Direktor Henning Lobin und Sabine Krome von der Institutsfachabteilung Grammatik auch die Bedeutung des 2005 gegründeten Rats für deutsche Rechtschreibung. Er habe die Aufgabe, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung in allen deutschen Sprachregionen zu wahren und beobachte das Spannungsfeld von Schreibgebrauch einerseits und Sprachsystem andererseits. Regelungen, die gegen den Sprachgebrauch getroffen würden, führten zu „Kollateralschäden“, betonte Krome. Beispiele dafür hatte auf dem Kongress die Sprachwissenschaftlerin Nanna Fuhrhop beigetragen. Es handelte sich dabei um Fälle, die mutmaßlich deshalb auftreten, weil sich die Rechtschreibreform von 1996 teils mehr der Systematik verpflichtet sah als der bestehenden Schreibpraxis.
Gendern bei Jüngeren akzeptiert
Das viel und kontrovers diskutierte Gendern war ebenfalls ein Thema der Jahrestagung. Damaris Nübling, Mannheimer Duden-Preisträgerin 2014, und Evelyn Ferstl stellten dazu „Linguistische Überlegungen und experimentelle Befunde“ vor. Demnach akzeptierten junge, gebildete Versuchspersonen den Genderstern als gültiges Zeichen und reagierten auf gegenderte Wörter genauso schnell wie auf korrespondierende herkömmliche Formen. Ergebnisse einer anderen Studie, die auch ältere Personen einbezieht, zeigten ebenfalls, dass zumindest Jüngere das Sonderzeichen des Gendersterns mühelos akzeptierten und verarbeiteten. Die Meinung, dass das Gendern den Sprachfluss hemme und das Verstehen erschwere, wird dadurch relativiert. Die Sprachwissenschaft bezweifelt zwar, dass das Gendern den Kernbestand der Orthografie eigentlich betrifft, der Rechtschreibrat wird sich aber dennoch mit dem Thema befassen. Fraglich ist, ob er auch eine Empfehlung dazu abgeben wird. Und erst recht offen ist damit auch, ob das Gendern im amtlichen Regelwerk der Rechtschreibung Erwähnung finden wird.
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