Am Anfang war es die große Liebe. Paula Modersohn-Becker und Otto Modersohn lebten das Idyll einer Künstlerehe in Worpswede bei Bremen, um hier in der Abgeschiedenheit den authentischen Ausdruck der Natur zu finden. Ihr künstlerischer Dialog war glücklich, bis Paula Modersohn-Becker sich in ihrer "großen Sehnsucht nach der Welt" an der französischen Avantgarde orientierte.
In ihrem kurzen Leben (1876-1907) entwickelte sich eine eigenständige Bildsprache, mit der sie zur Wegbereiterin der Moderne in Deutschland avancierte. Die Städtische Galerie Karlsruhe zeigt nun die Malerei der beiden Modersohns im spannenden Kontext mit Künstlerkollegen aus Worpswede wie Fritz Overbeck, Heinrich Vogeler oder Fritz Mackensen. Die reizvolle Ergänzung mit Arbeiten von Otto Modersohns Karlsruher Studiengefährten Hermann Baisch, Friedrich Kallmorgen und Gustav Schönleber macht diese Ausstellung zu einem facettenreichen Bilderbogen der Landschaftsmalerei zwischen "Natur und Poesie um 1900".
Das Zentrum der Ausstellung bildet das malerische und zeichnerische Werk von Otto Modersohn (1865-1943), das an die "Paysage intime" der Schule von Barbizon anknüpft. "Ich will ein Stimmungslandschafter von naturalistischer Kraft und Tiefe werden", schreibt Modersohn 1898 dazu in seinem Tagebuch. In Worpswede, der "Ebene mit weitem Fernblick", die er weit mehr als das schroffe Gebirge schätzte, fand er seine stillen, immer leicht melancholischen Motive: Das Teufelsmoor, ein Birkenwäldchen, Wiesen, eine Sandkuhle, das Wattegrau eines verschneiten Wintertages, große Wolkengebirge am zartblauen Himmel - das ist Modersohns "Verherrlichung der Natur". Vor allem das weiche Licht und die goldbraune Färbung der nördlichen Landschaft im Herbst inspirierten Modersohn immer wieder zu atmosphärischen Bildpoesien. Für Paula Modersohn-Becker war diese Ausdrucksweise zunächst ein großes Vorbild, aber dann abstrahierte sie zusehends und komponierte Mensch und Natur als große Formen im farbigen Licht. Das Gemälde "Dämmerungslandschaft mit Haus und Astgabel" (um 1900) ist ein typisches Beispiel für diesen Weg in die Reduktion. Die Gegenüberstellung gleicher oder ähnlicher Motive in den Werken dieser beiden Künstler dokumentiert sehr anschaulich, dass sich ihre unterschiedliche Auffassung der Naturerscheinung sukzessive in einer subjektiven, sich voneinander fortentwickelnden formalen Gestaltung spiegelt.
Nach dem Tod von Paula Modersohn-Becker verlässt Otto Modersohn die Künstlerkolonie Worpswede; sein landschaftliches Spätwerk ist nur noch ein Abgesang der großen Worpsweder Zeit. Aus diesen fruchtbaren Jahren stammt die große Anzahl von Modersohns Studien und Skizzen vor der Natur, die es nun als das "Zarteste und Gewaltigste" und als den "direktesten Ausdruck seines Gefühls" in der Städtischen Galerie Karlsruhe zu entdecken gilt.
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