Filmpräsentation

Im Mannheimer Cinemaxx lässt Fatih Akin tief blicken

Mit ungewohnter Präsenz von Sicherheitskräften, aber friedlich verlief die Präsentation des Films "Rheingold" im ausverkauften Multiplex-Saal. Regisseur Akin dachte laut über die Qualität seines Films nach, der Gangsta-Rapper gab nur auf der Bühne Gas

Von 
Markus Mertens
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Regisseur Fatih Akin bei der Präsentation des Films „Rheingold“ im Mannheimer Cinemaxx. Rapper Xatar durfte nicht fotografiert werden. © Markus Mertens

Mannheim. Die Zahl der Filmvorstellungen, die in Mannheim unter Polizeischutz abgehalten werden mussten, lässt sich in der Kino-Historie der Stadt wohl an einer Hand abzählen. Doch nachdem in Hannover zuletzt Scheiben zu Bruch gingen und Verletzte zu beklagen waren, als Rapper Xatar und Regisseur Fatih Akin ihren Erfolgsfilm „Rheingold“ vorstellten, wird auch das Cinemaxx in der Quadratetstadt von dutzenden Sicherheitskräften und uniformierten Beamten kontrolliert. Ein Sprecher der Mannheimer Polizei wird auf Anfrage dieser Redaktion hinterher aber erklären: „Es ist alles ruhig geblieben.“ Die Lage im Verlauf dieser guten zwei Stunden war also alles andere als „Xatar“ („gefährlich“).

Doch soweit ist der Abend noch nicht, als die beiden Stargäste in dem Multiplex-Kino eintreffen. Zumal die Gesprächsinhalte dieses Abends eine inhaltliche Wucht und Strahlkraft mit sich führen, über deren Brisanz man trefflich diskutieren kann. Denn auch, wenn Xatar selbst den berichterstattenden Journalisten kein Interview gestattet und sich Fotos von seinem Auftritt verbittet: Filmemacher Akin stellt sich den Fragen - und gibt deutliche Antworten.

Wie ein „Method Director“

Im Gespräch mit dieser Redaktion gibt der Golden-Globe-Preisträger Einblick in die Entstehungsgeschichte des aktuellen Erfolgsfilms, von dem keineswegs klar war, dass er überhaupt jemals entstehen würde: „Xatar und ich, wir haben uns gegenseitig auf Instagram geschrieben, ich hörte seine Vinyls, las seine Autobiografie und irgendwann kam es einfach über mich. Erst dann wurde mir klar: Das muss ich machen!“ Die Kunst dabei sei gewesen, seinen Protagonisten, der in Akins 134-Minüter von Schauspieler Emilio Sakraya gespielt wird, keiner moralischen Bewertung zu unterziehen, sondern eine Biografie zwischen Zerrissenheit, Schmerz, Gewalt und Erfolg so authentisch zu erzählen, wie es der Materie tatsächlich gerecht werde.

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Besonders reizvoll war für Akin nach eigener Aussage, dass in „Rheingold“ die größte Fallhöhe mit der größten denkbaren Vielfalt so treffend übereingekommen sei: „Mir war früh klar, wie komplex diese Geschichte wird. Und ich muss zugeben: So viel Risiko bin ich nie eingegangen. Das ist ein Experiment. Aber mir ist damit gelungen, was ich nie zuvor geschafft habe - nämlich ein Flüchtlingsdrama mit einem Biopic mit einer Liebesgeschichte mit einem Martial-Arts-Film zu vereinen.“

Im Filmgeschäft, so Akin, werde in solchen Situationen gerne von einem multikompetenten Method Actor gesprochen, der sich situativ schier endlos flexibel den Umständen anzupassen vermag. Er begreife sich - spätestens durch die Arbeit an diesem jüngsten Film - als Method Director. Inspiriert fühlt sich der 49-jährige Cineast bei Takt und Tempo dabei jedoch keineswegs allein von der Poesie der Bilder: „Ich ziehe unheimlich viel Kraft aus der Welt der Musik. Menschen wie Bob Dylan oder Prince, die mit ihrem Mut und ihrer Kompromisslosigkeit ihre ganzen Genres verändert haben. Nur, wenn du alles anders machst, werden sich die Menschen an dich erinnern.“

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Dennoch - oder vielleicht gerade deshalb - ist für Fatih Akin der Dreh von „Rheingold“ auch ein Grenzgang besonderen Ausmaßes geworden: „Damit du solche Filme überhaupt machen kannst, musst du schmerzhaft tief in die Materie eintauchen. Und die kann dich auch auffressen. ‚Rheingold’ war so gesehen nicht nur der Blick in den Abgrund, ich stand direkt davor.“ Über die Frage, wie es ihm gelungen sei, nicht abzustürzen, muss Akin zwei Atemzüge lang nachdenken - und antwortet dann so bestimmt wie überzeugend: „Das habe ich allein meiner Professionalität zu verdanken. Sonst wäre ich vielleicht gefallen. Ich war einen Millimeter davor.“

Ausverkaufter Kinosaal

Als Fatih Akin wenig später gemeinsam mit Xatar in den mit rund 1000 Personen restlos ausverkauften Kinosaal 10 schlendert, ist von diesen Abgründen, dieser anderen Gefahr, diesem Existenziellen der Kunst nichts mehr zu sehen.

Stattdessen empfangen jubilierende Fans zwei Persönlichkeiten, die sich strahlend lächelnd in diesem Stück Leinwandkunst verewigt sehen. Ein berüchtigter Rapper, der nach seiner kriminellen Karriere die Kurve kratzte und heute mit Stolz auf ein Leben blicken kann, dass es wert ist, porträtiert worden zu sein. Und der Bewegtbildarchitekt, der mit seinem keineswegs nur andeutungsweise Wagner’schen Werk vielleicht das eigene „Rheingold“ seines Œuvres geschöpft hat. Während Xatar gellend am Mikrofon den „geilsten Regisseur der Welt“ preist, erklärt Akin zum Ende unseres Interviews fast schon augenzwinkernd philosophisch: „Es ist ein großer Film, vielleicht mein größter. Aber das weiß ich erst nach dem nächsten.“

Freier Autor

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