Kunst - Rolf Lauter verwandelt ein Heidelberger Fabrikgebäude in eine Gruppenausstellung

Im Land verworfener Ideen

Von 
Annika Wind
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Ja, posieren kann er gut. Auf die Frage nach Bildern aus einem Fabrikgebäude auf dem Heidelberger Landfried-Gelände lässt Rolf Lauter Aufnahmen von sich selbst in Imperator-Haltung verschicken. Gut, es gibt auch einige Raumeindrücke zur Auswahl, aber selbst in der Ausstellung ist der Kurator nicht nur durch die Anordnung der Kunstwerke präsent. Nein, Lauter zeigt sich gleich mit. Am Anfang des leerstehenden Industrieareals hängen zwei Porträts von ihm an der Wand. Die Nachricht ist also klar: Mannheims geschasster Kunsthallen-Direktor hat offenbar einen neuen Wirkungskreis gefunden. Diesmal in Heidelberg, unterstützt von der Stadt und Sponsoren.

Nach der Mammut-Gruppen-Ausstellung "Artscoutone", die er im vergangenen Jahr noch im Auftrag des Mannheimer Kulturamts an ungewöhnlichen Orten im gesamten Stadtgebiet zeigte, gibt es jetzt "Artscoutneo" zu sehen. Bilder, Plastiken, Zeichnungen, Videos und Installationen von 18 Künstlern aus der Metropolregion, darunter einige Absolventen der Freien Kunstakademie in Mannheim. Neu sind an dem Konzept allerdings nur der Ort und die Fokussierung auf junge Künstler. Obwohl: Wirklicher Nachwuchsförderung bedarf mancher der Ausstellenden nicht. Etwa der Mannheimer Hüseyin Yerlikaya - ein erfolgreicher Modefotograf, der sich in seiner Branche längst etabliert hat. Die Auswahl ist also subjektiv, was im Grunde die Aufgabe eines Kurators ist, ihre Kriterien allerdings bleiben undurchsichtig. Fest steht: Ein Besuch der Schau lohnt, weil einige Künstler schön mit den Räumen arbeiten. Insgesamt jedoch sind die Qualitätsschwankungen enorm.

Wer was wo zeigt, hat der Graffiti-Künstler Moohee (Muhittin Apay) markiert, mit den Namen der Ausstellenden als dynamische Schriftzüge. Eindrucksvoll ist, was Björn Knapp aus dem ehemaligen Raucherzimmer des Bürotraktes gemacht hat: An den nikotingelben Wänden hat er weiße Leerstellen geschaffen, die den Eindruck von Möbelabdrücken erwecken. Dazu zeigt er Holzstöcke, Spanplatten, auf die er subtile Porträts einarbeitete. Sehenswert ist auch das Werk von Carolina Brack, Sarah Peters und Franziska Wolff, die mit Zeichnungen, Malereien und Collagen aus Fundstücken Dynamik in eine eigentlich schnöde, riesige Fabrikhalle bringen und den Raum in einem Gesamtkunstwerk auflösen.

Witzig sind die Gesichter, die Martin Knauf aus bedruckten Plastiktüten herausarbeitete. Auch Thomas Neger zeigt Bemerkenswertes: Wie schon bei "Artscoutone" lässt er Quallen, Konstrukte aus ausrangierten Regenschirmen und LED-Lämpchen, von der Decke baumeln. Wie blaue Lichtpunkte schweben die künstlichen Tiere nun erhaben durch den Raum. Ein Zimmer füllt er zudem mit zerknülltem Papier, als Dokumentation einer Krise, in der ihm nach eigenen Angaben nichts Brauchbares mehr einfiel. Diese Zeit ist nun offenbar vorbei und Negers jüngstes Werk der Beweis: Auch aus verworfenen Gedanken kann etwas Neues entstehen.

Freie Autorin

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