In „Luschtobjekt“ macht sich Bülent Ceylan gekonnt zum Lustobjekt. Für sein zwölftes Bühnenprogramm (wenn man das frühe „Best of“ aus dem Jahr 2000 mitzählt) hat der Mannheimer Comedy-Star nicht nur allerlei Lustiges rund um die Lust recherchiert (Erkenntnis: „Jeder stöhnt anders“). Wie der 44-Jährige bei der traditionellen Vorpremiere im heimischen Capitol berichtet, hat er sich dafür die Brust enthaaren lassen, trainiert wie ein Chippendale-Tänzer und acht Kilo abgenommen. Das Resultat kann sich sehen lassen: Schlank wie lange nicht und mit wohldefinierter Bauchmuskulatur unter der Lederjacke erzielt der schon immer sportlich wirkende Deutschtürke rein optisch beim ohnehin begeisterten Publikum einen noch größeren Wow-Effekt als man es von seinen Auftritten in Metal-Sänger Manier ohnehin gewohnt ist.
Dann legt er die Lederjacke ab, den Astralkörper frei und quasi einen umgekehrten Striptease hin, indem er lasziv in sein schwarzes „Luschtobjekt“-T-Shirt schlüpft. Ceylan hat schon immer davon profitiert, dass Komiker seit Dieter Nuhrs Zeiten durchaus nicht nur komisch, sondern auch gut aussehen dürfen. Mit lange fast einzigartiger körperlicher Präsenz konnte der Mann mit der schwarzen Mähne schon viele weibliche Zuschauer begeistern, als Comedy-Shows in der Regel noch mit großem Herrenüberschuss stattfanden. Aber so viel Haut gab es von ihm noch nicht zu sehen – was der Hauptdarsteller durchaus emanzipatorisch verstanden wissen möchte: „Ich wollte was für die Gleichberechtigung tun.“
Hammer-Gags als Thor
Aber das ist nicht die einzige Neuerung bei „Luschtobjekt“, Ceylans erstem Programm, das ohne Beteiligung seines langjährigen Autors Roland Junghans entstanden ist. Mit Thor hat es endlich eine seiner hübschen Fernsehparodien auf die Marvel-Superhelden The Avengers auf die Bühne geschafft. Die blondperückte Reinkarnation des Donnergotts hat zwar nicht den ganz tiefen Teller erfunden, wie man in Mannheim so schön sagt, die neue Figur räumt aber genau deshalb mit ihren Hammer-Gags ab wie der Blitz und bekommt frenetischen Szenenapplaus. Auch der Engel, in dessen Kostüm Bülent Ceylan in der Promi-Gesangsshow „The Masked Singer“ (Pro Sieben) für Furore gesorgt hat, taucht gegen Ende auf.
Generell spielt Musik eine noch größere Rolle als sonst. Zum Ende der einstündigen ersten Programmhälfte verblüfft der begeisterte Rock-Fan, der „Ich wollte Opernsänger werden“ bekennt, erst als Süpertürk-Rapper Capital Ha mit prachtvollem Bariton – und dem Lied „Erstarrung“ aus Schuberts „Winterreise“! Das erinnert nur von Ferne an Rammstein-Sänger Til Lindemann, dem Ceylan mit dem Titelsong „Luschtobjekt“ später wie gewohnt die Ehre erweist. Gegen Ende bekommt der Auftritt vor begeistert mitklatschendem Publikum vollends Konzertcharakter als Ceylan gekonnt den Eurythmics-Hit „Sweet Dreams (Are Made Of This)“ in der Marilyn-Manson-Version, Helene Fischers „Atemlos“ in Metal-Manier, die Westernhagen-Ballade „Freiheit“ und – sehr vorzeigbar – Metallicas „Nothing Else Matters“ interpretiert. Mit der Musikkarriere scheint es langsam ernst zu werden für den Komiker...
Ansonsten bekommt der Trend, dass die einst gerade mal als Moderator für die Figuren auftretende Bülent-Bühnenpersönlichkeit immer zentraler wird, auch eine neue Facette: Ceylan hat auf der Bühne zwar immer Publikumsnähe durch authentische Geschichten aus dem privaten Nähkästchen geschaffen, aber so umfangreich und auf den Punkt waren die Alltagsanekdoten aus Elternhaus, Pubertät, Ehe und Karriere noch nie.
Kurz und Apache 207 im Fokus
Bis hin zu köstlichen Kindermund-Geschichten des eigenen Nachwuchses. Als regelmäßigen Ansprechpartner im Publikum findet Ceylan gleich zu Beginn ein prominentes „Opfer“ in der ersten Reihe: Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz. Der nimmt aber sogar die Frage an seine Frau mit Humor, ob „de Peter“ nach 37 Ehejahren für sie noch ein Luschtobjekt sei: „Geht er noch so richtig ab?“
Ansonsten bekommt in Abwesenheit noch ein Kurpfälzer Deutschtürke mit Ceylan-Frisur große Lacher: Rap-Senkrechtstarter Apache 207 aus Ludwigshafen. „Ich kenne nur Winnetou 007. Ich habe zuerst gedacht, das ist die Anneliese“, witzelt der Mannheimer mit Blick auf seine weibliche Kultfigur.
Die schlägt pointentechnisch nicht ganz so intensiv ein, nachdem Ceylan vor ihrem Auftritt erstmal das etwas sperrige VIP-Publikum in den ersten Reihen souverän auf Trab gebracht hat. Aber bei der quietschigen Pelzgeschäftsinhaberin ist Form („Contenance!“) ja stets wichtiger als Inhalt. Dafür sind die Nummern der anderen Luschtobjekte Harald, Hasan als frischgebackenem Zwillingsvater und Mompfreed, der – ausgerechnet – den Integrationslehrer für Flüchtlinge mimt, konzentriert, aber voller Höhepunkte. Und vermitteln Ceylans wohldosierten Toleranzbotschaften. Am Schluss verrät der von Standing Ovations überwältigte Hauptdarsteller, was seine Mannheimer Fans natürlich schon wissen: „Ihr seid mein Luschtobjekt!“ und „Monnem, daheem is daheem.“
Info: Bildergalerie unter morgenweb.de/kultur
Info
- In Mannheim ist „Luschtobjekt“ wieder am 23. Mai, 19 Uhr, in der SAP Arena zu sehen. Die Show, bei der Bülent Ceylan erstmals auf einer Rundum-Bühne mitten im Saal spielen will, ist bereits ausverkauft und wird fürs Fernsehen aufgezeichnet.
- Ein Zusatztermin in der SAP Arena wurde für Samstag, 6. März 2021, 19 Uhr, angesetzt. Karten unter eventim.de (ab 38,90 Euro plus Gebühren).
- Weitere Termine (Auswahl): 14. Februar 2020 und 15. Januar 2021 Weststadthalle Bensheim. 21./22. Juli 2020, Schlossfestspiele Edesheim. 31. Januar 2021 Ebert-Halle Ludwigshafen.
- Am 1. August, 12 Uhr, ist Ceylan wieder beim ausverkauften Wacken-Festival zu sehen - erstmals nicht als Komiker, sondern mit seinem Bandprojekt Bülent & Die Metal-Angels.
- Mehr unter www.buelent-ceylan.de/tourplan
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-kultur-ihr-seid-mein-luschtobjekt-_arid,1590523.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html