Der neue Film

Hommage an Hildegard Knef: Die Diva lebt im Film auf

Luzia Schmidt erweckt in ihrem Dokumentarfilm „Ich will alles. Hildegard Knef“ „Die Knef“ zu neuem Leben – mit Hilfe ihrer Tochter Christina als kenntnisreicher Kommentatorin.

Von 
Gebhard Hölzl
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Eine Szene aus dem Film „Ich will alles. Hildegard Knef“. © Bavaria Media/Piffl Medien/dpa

„Ich will, will alles, oder nichts“: Die Textzeile aus „Rote Rosen“, einem der bekanntesten Chansons von Hildegard Knef, gibt der Dokumentation von Luzia Schmidt ihren Titel. Begleitet von Kurt Edelhagen und seinem Orchester steht sie bei einem Auftritt im Jahr 1968 auf der Bühne. Die Augen wie eigentlich immer schwarz geschminkt. Einen Halbton liegt sie daneben, auch wie immer. Ein Markenzeichen, wie bei den Riffs und Licks von „Glimmer Twin“ Keith Richards. „Die beste Sängerin ohne Stimme“ merkte die große US-Kollegin Ella Fitzgerald einmal anerkennend an.

Die Knef: früher Superstar, Stilikone, musikalische Grande Dame, erste und letzte deutsche (Nachkriegs-)Diva, Feministin. Autorin. Schauspielerin. Meinungsstark, umstritten, zugleich Spiegel und Gegenfigur ihrer Zeit. 1948 zierte sie das Cover der ersten Ausgabe des Magazins „Stern“. Nicht zuletzt wegen ihrer Rolle des „Trümmermädchens“ in Wolfgang Staudtes „Die Mörder sind unter uns“ (1946), dem ersten deutschen Nachkriegsfilm. Der brachte ihr gleich eine Einladung nach Hollywood ein. Vom mächtigen David O. Selznick, Produzent von „Vom Winde verweht“. Zu Hildegarde Neff wurde sie hier, lernte Marilyn Monroe kennen, verewigte ihre Hand- und Schuhabdrücke im Zement im Eingangsbereich des legendären Grauman’s Chinese Theatre.

Ein Leben voller Höhen und Tiefen

Doch mit der erhofften Karriere in der Glitzermetropole wurde es (zunächst) nichts. Der Beginn vom ewigen Auf und Ab ihres Lebens. Ob beruflich oder privat in ihren Ehen mit dem US-Amerikaner Kurt Hirsch, dem britischen Schauspieler David Cameron und dem Adeligen Paul Rudolf Freiherr von Schell zu Bauschlott. Sie feierte nationale und internationale Erfolge, erlebte krachende Niederlagen, kämpfte, zigfach operiert, mit der Gesundheit, starb 2002 – als starke Raucherin – an den Folgen eines Lungenemphysems. Mehr als fünf Jahrzehnte lang war sie schöpferisch tätig. Bereits als 20-Jährige wurde sie von der deutschen Öffentlichkeit vereinnahmt.

War mal Hassobjekt, mal Liebling der Boulevardpresse, ob ihrer Drei-Sekunden-Nacktszene geschmäht als Willi Forsts „Die Sünderin“ (1951), gefeiert als Cole Porters „Ninotschka“ im Broadway-Hit „Silk Stockings“ (1955), mit ihrem autobiografischen Roman „Der geschenkte Gaul“ 1970 an der Spitze der „Spiegel“-Bestsellerliste … Erfolgreich sein, scheitern, wieder aufstehen, sich neu erfinden. Gegen jede Chance. Die 1925 geborene Ulmerin war eine Stehauffrau. Hochbegabt, ehrgeizig, lakonisch, scharfsinnig. Ein Vorbild, rastlos und umtriebig, eine moderne, selbstbestimmte Persönlichkeit, die der Welt vorführte, wie man Ruhm und Niederlagen meistert.

1943 steigt die Filmemacherin, ohne von Knefs Eltern zu berichten, in die „Handlung“ ein. Beleuchtet die entscheidenden Phasen ihrer Karriere, als Darstellerin in „Entscheidung vor Morgengrauen“ oder „Fedora“, als Hitlieferantin, Bestsellerautorin. Bis zum letzten TV-Auftritt in der „Johannes B. Kerner“-Show, zwei Wochen vor ihrem Tod. Tochter Christina Antonia Palastanga (*1968), von der Mama im Song „Ferienzeit“ – „Christina, drei Jahre alt, spielt ihre Platten“ … – verewigt, führt durch das Werk, ergänzt durch Fernsehinterviews, Texte, Zeitungsschlagzeilen und Lieder. Eine ungeheure Materialfülle, klug zusammengestellt, rasant montiert. Ein Puzzle, das sich zum komplexen Porträt fügt. Kurzweilig, unterhaltsam und anrührend.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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