Er trägt Uniform mit Pickelhaube, die Herren um ihn herum alle Frack und Zylinder – den sie aber flink und ehrerbietig vor ihm ziehen. Schließlich lautet seine Anrede „Königliche Hoheit“. Es ist der Erbgroßherzog, Friedrich II. von Baden. Am 1. Mai 1907 kommt er nach Mannheim. Ein unbekannter Kameramann hat das aufgenommen. Es ist der älteste Film, den es von Mannheim gibt. Jeden Donnerstag stellen wir künftig an dieser Stelle solche Filmschätze vor. Damit will diese Zeitung helfen, sie zu retten, denn diese Raritäten sind vom Verfall bedroht.
Und es wäre so schade darum. Der gerade erst fertiggestellte Rosengarten, der nur wenige Jahre ältere Wasserturm – 1907 hat man sie erstmals auf Zelluloid gebannt. Es sind die ersten bewegten Bilder aus einer Zeit der filmischen Pionier- und Experimentierphase.
Manche Bewegungen sind daher noch etwas ungelenk, wirken unnatürlich-hektisch. Aber es war sicher auch ein hektischer Tag, dieser 1. Mai 1907. Die Festschrift schreibt von schweren Regenwolken, die am Himmel hängen. Aber Menschenmassen wollten den Tag freudig mitfeiern, da zum 300. Stadtjubiläum die Internationale Kunst- und Große Gartenbauausstellung eröffnet werden soll – vom Erbgroßherzog.
Er sei „glücklich, wieder im guten Mannheim weilen zu dürfen“, bekundet Friedrich II. Oberbürgermeister Otto Beck trägt stolz seine Amtskette, läuft aber mit Hilda, der Frau des Erbgroßherzogs, zu langsam. Bürgermeister Robert Ritter indes, der Ausstellungsleiter, eilt mit seiner Hoheit voraus, zeigt ihm das Gelände. Man sieht, wie die Wasserspiele rauschen, eine Blaskapelle spielt und sich mehrere Herren vor dem Großherzog verneigen.
Es sind damalige sowie spätere Ehrenbürger zu entdecken, etwa die spendablen Geschwister Anna und Carl Reiß, der Bankier Carl Ladenburg und der Stadtchronist Friedrich Walter. Man sieht die Terrasse des Hauptrestaurants am Wasserturm, den wohlgefälligen Blick des Erbgroßherzogs auf Friedrichsplatz und Rosengarten, dazu die Schwarzwaldanlage mit Kapelle und altem Schwarzwaldhaus sowie kurz die Ausstellungshalle der Sunlicht-Seifenfabrik. Zu erkennen sind ebenso die monumentalen, eigens für die Ausstellung zusätzlich errichteten Bauten rund um Wasserturm und Friedrichsplatz – nicht jedoch die damals noch nicht bebaute Augustaanlage mit dem Vergnügungspark und dem Abessinierdorf. So weit reicht der Blick der Kamera nicht. . .
Regent ist Friedrich II. damals noch nicht, sein Vorgänger Friedrich I. aber bereits erkrankt. Erst am 28. September 1907 übernimmt er die Amtsgeschäfte in Karlsruhe, gründet in Mannheim 1908 die Handelshochschule. 1918 dankt er ab – als letzter Großherzog von Baden.
Bewegte Bilder aus dieser Zeit gibt es sonst nicht, es ist also ein Dokument von hohem zeitgeschichtlichem Wert. Aber Säuren und Zerfallsprozesse bedrohen diese Filmschätze, für manche gibt es bald die Technik nicht mehr, um sie abzuspielen. Dabei gibt es viele solcher herrlicher alter Filme – rund 450.
„Die einzige Chance, sie zu retten, ist die Digitalisierung“, so Ulrich Nieß, der Direktor des Stadtarchivs. „Aber das kostet richtig viel Geld, wir reden von einem sechsstelligen Betrag“, so Nieß. Er ist daher froh, dass der von Helen Heberer geführte Förderverein „Freunde des Stadtarchivs“ die Aufgabe übernommen hat, dafür Spenden zu sammeln. Heberer bringt auch die Stummfilme zum Sprechen, hat schon einige Streifen vertont. Die Digitalisierung übernimmt ein Team vom Rhein-Neckar-Fernsehen (RNF). „Das ist richtig viel Arbeit, da muss jede einzelne Bildsequenz bearbeitet werden, teilweise gibt es schwarze Streifen, die man elektronisch herausnehmen muss“, so Nieß. Aber es lohne sich sehr, diese Schätze zu retten.
Spendenkonto
- Freunde des Stadtarchivs
- Stichwort: "Digitalisierung Filmbestand"
- Commerzbank Mannheim
- Spendenkonto: IBAN DE42 6708 0050 0663 636600
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