Heidelberg. Kann man in unsentimentalen Zeiten noch über Leidenschaften schreiben? Ja, man kann. Die Autorin Ellen Ertelt macht es vor: mit Anmut und Magie. Ihr Debütroman „Leih mir dein Herz für immer“ ist ein Liebesroman von einer ganz besonderen Sorte: eine grandiose Mischung aus Nachhaltigkeitsthemen sowie zarter Poesie. Die Autorin bringt ein Höchstmaß an Grips zusammen, sprachlich und gedanklich. Sie stattet ihre Figuren mit Humor und Realitätssinn aus und schreckt nicht davor zurück, stets jenen Punkt zu suchen, wo das Geschehen ins Märchenhafte kippt. Denn ab dann beginnt man zu begreifen, was romantische Liebe mit dem oft nüchternen Alltag verbindet: die Realisierung des Unmöglichen.
Liebesroman verwebt Nachhaltigkeit mit Poesie
Es gibt nur wenige, die so etwas können, eine solche literarische Anstrengung so unangestrengt und unterhaltsam aussehen lassen. Hauptprotagonisten sind Susanne und Micha. Susanne ist alleinerziehende Mutter einer fünfjährigen Tochter und bestreitet ihren Lebensunterhalt mit einem Leihladen, dem „Borrowland“, in der Heidelberger Altstadt.
Lesungen
- Donnerstag, 14. September, 19.30 Uhr, „Nachhaltiger Leseabend“ mit der Mannheimer Autorin Christine Eigenbrod („Klimabewusst & glücklich“) in der Schmitt & Hahn-Buchhandlung, N 2,8, Mannheim.
- Montag, 18. September, 19 Uhr „Lesung mit Musik“ von der Heidelberger Singer-Songwriterin Darling Diane, Buchhandlung Gansler, Hockenheim.
Gegründet hat sie ihn nach einer ebenso originellen wie nachhaltigen Geschäftsidee: Touristen sollen Dinge, die sie nur einmal benötigen, hier ausleihen statt sie zu kaufen. Und es funktioniert. Susanne sichert sich damit nicht nur ein bescheidenes Einkommen, sondern trägt auch viel zum Umwelt- und Klimaschutz bei.
Micha ist ein erfolgreicher Hamburger Geschäftsmann, der sich eben von seiner Lebensgefährtin Karen getrennt hat. Davor plante er mit ihr einen Trip in die weltbekannte Stadt am Neckar. Allem Ärger und Schmerz zum Trotz fährt er allein nach Heidelberg. Auf der Suche nach Gesellschaft stößt er auf die Borrowland-Besitzerin. Und eben diese „leiht“ er sich als Stadtbegleiterin aus. So nimmt die Autorin die Leser nicht nur durch alle Höhen und Tiefen einer Lovestory mit, sondern auch an die idyllischsten Plätze der vielbesungenen „Diva am Neckar“, mal aus Susannes, mal aus Michas Perspektive.
Fatigue-Syndrom: Mehr als chronisch müde
Bei unserem Treffen in Heidelberg-Neuenheim, wo Ertelt seit 2010 mit ihrer Familie wohnt, antwortet sie bereitwillig auf Fragen zu ihrem Leben und gibt Auskunft über die Entstehung ihres Erstlings. Wach und geradezu unternehmungslustig, nahbar und aufmerksam ist ihr Blick, ihre Stimme frisch und klar - ein einnehmender Auftritt. Und es ist verblüffend, wie sie vergessen lässt, dass sie seit ihrer Jugend schon an einer schweren Krankheit leidet und dieses Buch fast nur im Liegen geschrieben hat. „Für mich war es wie eine Flucht in eine heile, märchenhafte Welt“, gesteht sie.
Tatsächlich, beim Lesen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, einer farbenfrohen Feier des Lebens beizuwohnen. Mit ihrem Debütband in der Hand sitzt die 1978 in Gießen geborene Autorin da und erzählt, dass sie Medienmanagement studiert habe, zunächst als PR-Beraterin und später als Bibliothekarin in N1 in Mannheim tätig war.
Aus gesundheitlichen Gründen ging sie mit 40 Jahren in Rente. Jede geistige oder körperliche Aktivität bedeutete für sie Schmerzen und totale Erschöpfung. Etwa gleich dramatisch wie die Krankheit ist für Ellen Ertelt jedoch, dass kaum eine Ärztin oder ein Arzt die Ursache erkannte. Daher musste sie über 30 Jahre auf eine Diagnose warten: Chronisches Fatigue-Syndrom, kurz ME/CFS genannt, als Folge einer mit dem Epstein-Barr-Virus in der Jugend.
„ME/CFS ist aber viel mehr als nur müde sein“, sagt die heute 45-jährige diplomierte Medienpsychologin, „es ist ein Dauerzustand mit Schmerzen, bei mir insbesondere im Kopf. Ich brauche jeden Tag Hilfe, verlasse kaum noch das Haus.“ Und sie schildert ihren jahrelangen Leidensweg mit kräfteraubenden und deprimierenden Arztbesuchen, Therapieversuchen und Klinikaufenthalten. Stets wurde ihr gesagt: „Ihre chronische Migräne ist psychosomatisch, ratsam wäre ein Berufswechsel oder sonst ein Neuanfang. All das habe sie befolgt, verrät Ertelt, doch es wurde nur noch schlimmer.
Ertelt will auf Fatigue-Syndrom aufmerksam machen
Mit dieser Krankheit ist sie jedoch nicht allein, deutschlandweit gab es vor der Pandemie circa 400 000 Betroffene und eine große Dunkelziffer, weiß sie. Auch das Coronavirus kann Verursacher sein. Geschätzt zehn Prozent der Covid19-Infizierten leiden nach ihrer Infektion an Erschöpfungszuständen mit Schmerzen, kognitiven Einbußen und weiteren Beschwerden. Bei ihnen hat das Syndrom jedoch einen Namen: Long Covid. Experten sind überzeugt, dass Long Covid eine Variante von ME/CFS ist.
Da es bisher keine wirksame Therapie gibt, müssen die Patientinnen und Patienten Energiemanagement lernen, das sogenannte Pacing. Das heißt, man muss zusammen mit den Therapeuten herausfinden, für welche Aktivitäten am Tag Energie vorhanden ist, erklärt Ertelt. Denn schon durch kleine Anstrengungen wie Kochen, Duschen oder Telefonieren kann ein Crash eintreten, der tage- oder wochenweise ans Bett fesselt - stets mit dem Risiko einer dauerhaften Verschlechterung und einer Pflegebedürftigkeit, wie bei der Autorin.
Durch das Buch und Lesungen will sie eine größere öffentliche Aufmerksamkeit für ME/CFS- oder Long-Covid-Patienten erreichen. „Ich wünsche mir mehr Aufklärung der Ärzteschaft und mehr Forschung zum ME/CFS-Syndrom“, so Ellen Ertelt abschließend.
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