Musikfestival - Thomas Quasthoff präsentiert Preisträger des Gesangswettbewerbs „Das Lied“ / Stücke vom Künstlerpaar Robert und Clara Schumann

Heidelberger Frühling: Ernsthaftigkeit gegen das Weltchaos

Von 
Eckhard Britsch
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Perfekte Harmonie beim Preisträgerkonzert mit Thomas Quasthoff im Rahmen des Heidelberger Frühlings. © Martin Walz

Dürfen wir in diesen Zeiten das deutsche Kunstlied genießen, uns entführen lassen in träumerische Welten von Sehnsucht und Glück, Liebesschmerz und Mondenschein? Thomas Quasthoff geht darauf ein beim Heidelberger Frühling, wenn er die Ernsthaftigkeit, mit der sich junge Sängerinnen und Sänger dem Lied widmen, als hoffnungsvollen Gegenpol zu einer aus den Fugen geratenen Welt einordnet. So wurde denn auch das Liedfest in der Neuen Aula Heidelberg mit Preisträgern des von Thomas Quasthoff initiierten Wettbewerbs „Das Lied“ zu einer Manifestation jener besseren Welt, die nach Frieden dürstet und Eintracht statt Zwietracht als Schatz bewahren will.

Den Abend mit einer wunderschönen Auswahl an Liedern von Clara und Robert Schumann bestritten Nikola Hillebrand (Sopran), in Mannheim bestens bekannt und geschätzt, Jóhann Kristinsson (Bariton), Hagar Sharvit (Mezzosopran) und Jeeyoung Lim (Bass-Bariton), am Flügel partnerschaftlich gestützt und geführt von Alexander Fleischer. Der wurde schon 2009 „entdeckt“ und hat inzwischen selbst in Hirschberg ein feines Lied-Festival in der dortigen Synagoge gegründet und etabliert.

Es bedeutet pure Freude, zu entdecken, wie sehr sich diese Künstlerinnen und Künstler mit dem Kunstlied identifizieren und es jeweils individuell auf hohem Niveau gestalten. Nikola Hillebrand setzt sehr viele modulierende Farben und Nuancen ein, um ihrem Vortrag plastische Form zu geben, in dem Emotionen und Frische gleichermaßen Platz finden. In Dresden hat sie schon die „Constanze“ gesungen, Oper und Kunstlied sind bei ihr keine Gegensätze, sondern komplementäre Ergänzung. Eine gute Entwicklung darf auch dem aus Island stammenden Bariton Jóhann Kristinsson attestiert werden, dessen ins Tenorale changierendes Timbre durch Klarheit und Ausdruck besticht. Die aus Israel stammende Mezzosopranistin Hagar Sharvit gefällt mit einer außerordentlich schönen, immer sauber und angenehm geführten Stimme, mit der sie Aufschwünge und Innerlichkeit immer angemessen aussteuert. Als Vierter im Bunde: Der gebürtige Koreaner Jeeyoung Lim, dessen Bass-Bariton nicht wie bei so vielen seiner koreanischen Kollegen als Kraftprotz daherkommt, sondern durch genau gesteuertes Modellieren der Lieder auf der Grundlage ausgezeichneten Materials punktet.

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Der Hörer hatte das Gefühl, dass sich die Akteure gegenseitig befeuern und gemeinsam perfekt harmonieren. Etwa im mit lockerer Fröhlichkeit vorgetragenen Quartett „Es ist verraten“ von Robert Schumann, oder auch mit dem zauberhaften Duett „Er und Sie“ (Hillebrand/Kristinsson). Im Strauß der gut 30 Lieder fielen die fünf Vertonungen von Clara Schumann besonders auf als Ausweis eines kongenialen Künstlerpaares.

Komplettiert wurde der Abend von Thomas Quasthoff, der den Kafka-Text „Josefine, die Sängerin oder das Volk der Mäuse“ in Auszügen einstreute, wobei die skurrilen Assoziationen des Autors manches Schmunzeln hervorlockten oder auch als Persiflage zum Starrummel verstanden werden durften.

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