Kunst - Eine Röhrenplastik des Künstlers Hans Nagel findet im Foyer des Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar ein neues Zuhause

Hans-Nagel-Skulptur findet bei der IHK Mannheim ein neues Zuhause

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
Lesedauer: 
Die über drei Meter hohe Röhrenskulptur, die der Künstler Hans Ngel 1968/1969 fertigte, steht nun im Entree der IHK Rhein-Neckar in Mannheim. © Manfred Rinderspacher

Kreative Schöpfer hinterlassen Werke. Aber manchmal verliert sich deren Spur. Jedenfalls für eine Weile. Hier soll einer gut fünf Jahrzehnte alten Röhrenplastik des Künstlers Hans Nagel nachgespürt werden, die aus dem öffentlichen Raum der Innenstadt-Quadrate verschwand. Und als die kurvig, gleichwohl geradlinig Erhabene wunderbar restauriert im Foyer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar einen neuen Standort bekam, da verhinderte Corona eine Vernissage.

Vermutlich haben sich nicht wenige Menschen, die in Mannheim unterwegs sind, schon mal gefragt: Was hat es mit dem klotzigen Karree auf sich, das vor dem Einrichtungshaus Seyfarth (M1,1) auf dem Gehweg prangt? So manche Kurpfälzer kennen des Rätsels Lösung aus eigener Anschauung. Schließlich stand auf dem Beton-Block jene Metall-Röhrenplastik, die Hans Nagel 1968/1969 fertigte. In leuchtendem Rot und Blau reckte sie sich mit stattlicher Höhe von 3,34 Meter (ohne Sockel) gen Himmel. Und wer von der verlängerten Breiten Straße auf das Kunstwerk zuging, hatte obendrein die Kulisse des Barockschlosses im Blick. Welch ein Kontrast!

Bücher und Designermöbel

Die Skulptur in Quadrat M1 war keineswegs das erste oder einzige Hans-Nagel-Werk im Stadtbild. 1972 schweißte der seinerzeitige Wahl-Mannheimer und Dozent an der Werkkunstschule eine kleinere Röhrenplastik in Orange/Schwarz für den Platz hinter der „Zwölf Apostel“-Kirche im jungen (Reißbrett-)Stadtteil Vogelstang. Und ein Jahr später erhob sich auf dem Carl-Reiß-Platz siebeneinhalb Meter hoch sein „Turm“ mit verklammerten Rohrpaaren aus Polyäthylen und Polyvinylchlorid. Nicht zu vergessen jene Hans-Nagel-Werke als Teil von Architektur - in Mannheim beispielsweise eine in sich verschachtelte und dennoch aus einem Guss gefertigte Reliefwand von 1962 im Innenhof des Gesundheitsamtes (damals L 1).

Und einige seiner Arbeiten präsentierten sich in ungewöhnlichem Zusammenhang: So überraschte die Röhrenplastik, um die es in dieser Hommage geht, zunächst zwischen Romanen und Literatur - in der Buchhandlung Behagel. Als Georg Seyfarth vor über vier Jahrzehnten dort, wo Gedrucktes verkauft worden war, sein Designermöbel-Geschäft eröffnete, erwarb er die Plastik - als Symbol für Kunst der schönen Form. Für den öffentlichen Raum waren diese Röhren keineswegs gedacht. Als jedoch eine Reklametafel ausgerechnet mit Ikea-Werbung vor dem Schaufenster auftauchte, „da bemühte ich mich darum, die Plastik draußen aufstellen zu dürfen“, erzählt Seyfarth. 1991 war es soweit.

Im Laufe von zweieinhalb Jahrzehnten sollten jedoch Wind und Wetter der Skulptur mächtig zusetzen, obendrein entsorgten darauf Passanten ihre Kaugummis. Als die benachbarte IHK Rhein-Neckar (L 1,2) an der Röhrenplastik über eine Kunstberaterin Interesse signalisierte, „da war das wie ein Wink des Schicksals“, so Seyfarth. Und Mathias Grimm, Stellvertretender IHK-Hauptgeschäftsführer, blickt zurück: „In unserem Foyer gab es damals nur eine kleine figürliche Skulptur als Leihgabe der Kunsthalle.“ Er war überzeugt, dass die imponierende Röhrenplastik genau das Richtige für das Entree einer Industrie- und Handelskammer ist - „zumal Rot und Blau die früheren IHK-Farben waren“.

Achtsame Restaurierung

Zunächst musste die korrodierte Skulptur flach gelegt werden, um sie per Tieflader nach Friedrichsfeld in die Werkstatt von Andreas Mader zu transportieren. Wenn der selbst künstlerisch tätige Stahlbautechniker, Schweißfachmann und einstige Meisterschüler von Otto Herbert Hajek (bekannt durch seine Objekte aus Stahl und Beton) die fast ein Jahr dauernden Arbeiten vom Sandstrahlen über Nachschweißen brüchiger Nähte bis zur Lackierung schildert, dann blitzt auf, welchen Aufwand, kombiniert mit Achtsamkeit, die Restaurierung erforderte. Eingebunden war der Sohn des 1978 verstorbenen Hans Nagel.

10 000 Besucher im Jahr

Damit das künstlerische Erbe authentisch bleibt, hat Mader beispielsweise Lack-Farbtöne und deren zeitbedingtes Verblassen bei anderen Nagel-Skulpturen in der Region studiert. In seiner Werkstatt entstand außerdem für den neuen Standort ein drehbarer Stahlsockel: Darauf reckt sich in der Mitte der organisch geschwungenen Treppe die tausend Kilogramm schwere Röhrenplastik der Dach-Lichtkuppel in 18 Metern Höhe entgegen.

Die Corona-Pandemie hat zwar eine Vernissage verhindert - aber dafür wird das Kunstwerk auch von Menschen wahrgenommen, die möglicherweise nie in Museen gehen, wo Nagel-Arbeiten ausgestellt sind. Grimm: „Zu uns ins IHK-Gebäude kommen jährlich um die 10 000 Besucher.“ Und alle blicken auf die „gerettete “ Röhrenplastik in neuer alter Pracht.

Der Künstler Hans Nagel und seine Plastiken

  • Hans Nagel, 1926 in Frankfurt geboren und in Heidelberg aufgewachsen, zieht 1953 mit Familie nach Mannheim, wo er später einen Lehrauftrag an der Freien Akademie/Werkkunstschule) bekommt.
  • Nach verschiedenen Gastdozenturen in anderen Städten übernimmt er 1969 in Mannheim die Leitung der neuen Abteilung „Kunst am Bau“. 1973 avanciert er zum ordentlichen Professor für Bildhauerei an der Hochschule der Künste Berlin. Dort unterrichtet er bis zu seinem frühen Herztod 1978.
  • Zu seinem Lebenswerk gehören nach zunächst figürlichen Darstellungen Reliefwände und Eisenschrott-Montagen.
  • Seine Röhrenplastiken aus Eisen wie Kunststoff präsentierten sich mal als Paar-Konstruktionen, dann wieder als Landschaft oder Knäuelform.

Freie Autorin

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen