Mannheim. Herr Baldu, am 23. April spielen Sie mit Dave Mette ein Schlagzeug-Duo-Konzert in der Alten Feuerwache. Eine ungewöhnliche Besetzung – was erwartet die Besucher konkret – neben den Songs ihres gemeinsamen Albums „Zukunft“?
Tommy Baldu: Dave und Ich haben uns spontan entschieden ein kleines Konzert zu spielen im Café der Feuerwache, ganz entspannt – ohne großes Theater. Natürlich wird es zwei Drum-Sets geben – wir werden auch an anderen Instrumenten zu sehen sein. Wir sind stolz, dass wir ein paar geschätzte Kollegen gewinnen konnten – Christoph Carl am Bass, Konrad Hinsken an den Keys, Christian Ehringer an der Trompete und als Special-Gast Alex Mayr für Vocals und Gitarre. Wir werden Tracks der Platte spielen und damit experimentieren. Mal schauen, was alles passiert! Dünnes Eis – aber gewollt!
Das Album gibt es nur digital, man findet also keine Credits, wer alles mitspielt. Wen konnten Sie dafür gewinnen – also für Keyboard, Gitarre, Bass und Flügelhorn? Ein einziges Mal hört man auch eine Frauenstimme.
Baldu: Tatsächlich stehen im Zentrum Dave und Ich. Dave spielt toll Klavier, Harmonium und Flügelhorn, Ich habe Gitarre, Bass und viele Sounds beigesteuert. Bei „November“ ist Christoph Carl am Bass zu hören und Andie Mette an der E-Gitarre. Bei „Paula“ hat uns Constantin Krieg mit dem Synth-Bass unterstützt. Die Stimme bei „Gesichter“ gehört Stephanie Neigel. Der Rest – auch Recording und Mix – sind wir beide.
Nun ist das Titelstück „Zukunft“ erstaunlich gefällig, fast smoother Jazz, bis Sie am Ende einen typischen Baldu-Wirbel entfachen. Kann die Zukunft so angenehm werden, angesichts der – mitunter auch in der Musik – hysterischen Gegenwart?
Baldu: „Zukunft“ war der erste Song, der entstanden ist. Musik machen war eher der kleinere Teil unserer Treffen – es gab viele intensive Gespräche über das Leben und das Vatersein in dieser intensiven Welt. Der Titel zu dem Song „Zukunft“ kam über die Gespräche und das Bewusstsein, in unserem Umfeld eine positive Energie zu starten. Der Song endet in einem E-Dur-Akkord, der das Gefühl der Zuversicht vermitteln soll.

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Ist es für Sie positiv, wenn ich finde, dass sich „Zukunft“ nicht wie ein Schlagzeuger-Album anhört?
Baldu: Da Dave und ich uns eher in der unsportlichen Ecke der Schlagerzeuger-Welt sehen, war relativ klar, dass die Drums nicht im Mittelpunkt stehen. Unsere Leidenschaft für Klavier, Gitarre und Melodien ist groß. Wir haben viel Freude mit dem kleinen Werk.
Ich hatte mir „Zukunft“ tatsächlich anders vorgestellt – unzugänglicher, vertrackter. Eigentlich hört man in den sieben Stücken vor allem sehr unterschiedliche Atmosphären, mit Stilistiken von Jazz bis Klassik – und vor allem ist die starke Wirkung von Pausen spürbar. War Ihnen das wichtig, weil das die eigentliche Kunst guter Drummer ist?
Baldu: Ich denke, dass Pausen in der Musik sehr wichtig sind. Wir sind unserem Gefühl gefolgt im Hier und Jetzt – ohne große Überlegung. Sicherlich sind wir beide Fans des Slow-Hand-Drummings und -Sounds.
Überhaupt ist das Album mit sieben Stücken und 18 Minuten erstaunlich kurz. Weil Weglassen wichtig ist – oder weil in der Zukunft die Aufmerksamkeitsspanne nicht lange währt?
Baldu: Auch das passierte ohne eine Absicht oder Planung. Zwei Freunde treffen sich und machen Musik – nicht mehr und nicht weniger. Irgendwann hatten wir das Gefühl: Das Bild ist fertig.
Das groovige „Illinois“ ist wenig mehr als eine Minute lang ... hätte nach diesem fast szenischen Intro nicht noch eine halbe Filmmusik passieren können – und warum verzichten Sie darauf?
Baldu: Ich mag Stücke, die ein kleines Fragezeichen hinterlassen. Man will Sie noch mal hören.
Wie kam es zur freundschaftlichen Beziehung und der Zusammenarbeit mit Dave Mette?
Baldu: Dave ist ein geschätzter Drummer und Musiker – ich war schon immer Fan. Und bei seltenen Treffen war klar: Wir teilen den gleichen Musikgeschmack und haben die gleichen Heroes. Irgendwann haben wir uns getroffen bei mir und da entstand auch gleich der erste Track „Zukunft“.
Ist die Zusammenarbeit auch deshalb spannend für Sie, weil Mette einer anderen Generation angehört und über die Popakademie anders ausgebildet ist?
Baldu: Für mich ist es immer spannend, Künstler zu treffen – egal, ob jung oder alt –, die eine Stimme und Persönlichkeit haben. Eine Ausbildung ist mir da völlig egal.
Wie würden Sie Ihre jeweiligen Zugänge zur Musik charakterisieren? Wo gibt es Unterschiede, wo Gemeinsamkeiten?
Baldu: Ich denke, dass wir beide Song-Drummer sind und interessiert daran, einen eigenen Sound zu haben. Der Unterschied ist sicher, dass jeder andere Farben nutzt. Das Tolle war, dass keiner ein Ego mitgebracht hat. Wir haben für die Musik gelebt. Jeder hat mal das Schiff gesteuert.
Schließt sich mit dieser Kooperation auch irgendwo ein Kreis für Sie? Dave Mette ist ja Ihr Nachfolger in Laith Al-Deens Band, Ihrem kommerziell wohl
erfolgreichsten Projekt.
Baldu: Sicherlich ein Zufall – Ich denke, auch ohne diese Gemeinsamkeit hätten sich unsere Wege irgendwann gekreuzt.
Apropos Erfolg. Der scheint Sie zu verschrecken oder zumindest nicht zu reizen. Bei Laith Al-Deen sind Sie ausgestiegen, als es richtig losging. Selbst das von Ihnen begründete Projekt Das Vereinsheim, das sich immer wieder erneuert, konnte Sie nicht mehr fesseln. Woran liegt das, was treibt Sie dann weg?
Baldu: Eine wirklich gute Frage – die ich mir oft selber stelle. Gegen Erfolg habe ich wirklich gar nichts einzuwenden. Es ist nur die Frage, wie man Erfolg definiert. Für mich ist Erfolg, wach und spannend zu bleiben. Ich muss da ganz ehrlich und treu mit mir sein. Der Inhalt muss für mich stimmen. Ich möchte brennen mit meinen Mitstreitern. Manchmal ist das Feuer erloschen. Dann ziehe ich weiter.
Nach Ihrem Ausstieg hat Lui Hill bisher bei zwei Vereinsheim-Episoden getrommelt. Das war gut, wobei er als Songwriter und Sänger ein größerer Gewinn ist als am Schlagzeug. Aber nicht nur mir fehlt dieses waghalsige Phänomen, das ich gern Baldu-Wahnsinn nenne . Weil man bei Ihrem Spiel nie sicher sein kann, was als Nächstes passiert. Trauern Sie dieser Spielwiese gar nicht hinterher und sind Sie zufrieden, wie Ihr „Baby“ jetzt läuft?
Elementarer Bestandteil der Musikszene zwischen Karlsruhe und Mannheim
- Tommy Baldu wurde am 8. April 1966 in Karlsruhe geboren. Er begann mit acht Jahren Schlagzeug zu spielen. Er machte eine Ausbildung als Musikalienhändler und mit 20 Jahren bei Edo Zanki die ersten Gehversuche als Profimusiker.
- Bekannt wurde der Produzent, Komponist, Schlagzeuger und Percussionist durch seine Arbeit in der Region unter anderem bei Edo Zanki, Laith Al-Deen, For Your Soul, Triband oder Six Was Nine.
Live oder im Studio arbeitete er außerdem mit Herwig Mitteregger, Six Was Nine (1996 im Vorprogramm von Tina Turner), Emiliana Torrini, Rebekka Bakken, André Heller, Söhne Mannheims, Gregor Meyle, Daniel Wirtz, dem Rilke Projekt, Stephan Eicher und vielen anderen. - Baldu ist Begründer des erfolgreichen Multimedia-Live-Projekts Das Vereinsheim, das er 2023 verließ.
Zuletzt produziert er in seinem Studio in Jockgrim mit Stephanie Neigel alias Phalleé das Duo-Album „Zwischen den Zeilen“ (2022). - Gerade ist eine weitere Duo-Kollaboration digital erschienen, das rund 18 Minuten lange Werk „Zukunft“ mit Popakademiker Dave Mette, seinem Nachfolger als Drummer der Laith-Al-Deen-Band.
- Das Projekt Baldu Mette spielt am Dienstag, 23. April, 20 Uhr, im Café der Alten Feuerwache Mannheim. Der Eintritt ist frei.
Baldu: Der Abschied hat lange gedauert. Die Liebe war groß. Wie bei einer Frau – man kann sie erstmal nicht treffen! Ich bin stolz, die Reihe ins Leben gerufen zu haben. Man kann sich nur freuen, dass es solche Konzerte gibt!
Was sind Ihre weiteren oder nächsten Projekte?
Baldu: Es gibt noch einiges, was in diesem Jahr noch passiert. Ein Album mit dem Klarinettisten David Orlowsky und Gitarrist Daniel Stelter. Ein Album von dem Sänger Marcus Zimmermann, das ich produziert habe. Dazu gibt es im Sommer einige Support-Gigs vor Herbert Grönemeyer. Mit meinem alten Freund Hägar, dem Video-Mann vom Vereinsheim, das er auch verlassen hat, starten wir im November im neuen Karlsruher Jazz Club eine Reihe „The Spirit. Eine Reise durchs Leben“. Dann habe ich ein Herzensprojekt mit meinem Freund Omar Gudjonsson aus Island namens ROFOROFO. Wir schöpfen gerade neue Energie, um unser zweites Album zu veröffentlichen. Im Frühjahr war ich mit der Sängerin Fola Dada im Studio für ihr kommendes Album. Zwischendurch schwinge ich die Sticks für Ringsgwandl. Stolz bin ich, ein Teil zu sein auf dem kürzlich erschienenen Album von Ibadet Ramadani aus Berlin. Im Moment arbeite ich an dem neuen Album von Daniel Stelter, das ich in meinem kleinen Studio in Jockgrim aufgenommen habe. Immer wieder bin ich in Berlin und arbeite mit verschiedenen Produzenten und Künstlern. Der Rest ist: das Leben kennenzulernen.
Warum ist eigentlich der Eintritt zu dem Release-Konzert frei?
Baldu: Eintritt frei? Weil wir Bock darauf hatten. Die ganze kleine EP ist in erster Linie aus großer Lust entstanden, Musik zu erforschen, die in erster Linie uns gefällt. Ich denke, wir Künstler sollten wieder mehr auf uns schauen und nicht immer an „Auf welche Playlist könnte unsere Musik passen? Gefällt das jemand?“ denken. So entsteht nichts Neues.
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