Mannheim. Ob „Hair“, „Jim Knopf“ oder „Blume Peter“, ob Musicals, Konzerte oder Theaterinszenierungen: Der Regisseur, Autor und Schauspieler Georg Veit hat das Mannheimer Capitol über bald drei Dekaden entscheidend geprägt. Nun verlässt er das Kulturhaus als künstlerischer Leiter. Wir sprachen mit ihm über diese bewegte Zeit.
Herr Veit, Sie verlassen das Capitol nach 27 Jahren als fester künstlerische Leiter. Erinnern Sie sich, wie Sie zum ersten Mal mit dem Haus in Kontakt kamen?
Georg Veit: Ja natürlich. Ich war vorher schon Besucher im Capitol, ich habe diese legendären „Rocky Horror Nights“ da erlebt. Dann war es aber eher ein Zufall, über einen gemeinsamen Bekannten: Ich habe mit einem Musiker zusammen ein Stück gemacht, und der hat mich Thorsten Riehle (bis 2023 Capitol-Chef, Red.) empfohlen, der am Capitol „Der kleine Horrorladen“ gemacht hat - und dem der Regisseur davongelaufen war. Wir haben uns in einem Eiscafé getroffen in Bruchsal und zack! (lacht), dann war’s so. Unsere erste Produktion war ja auch für Thorsten relatives Neuland, weil es ziemlich unklar war, was mit dem Capitol passieren würde. Die Cineplex-Kinos waren entstanden, und das Capitol als Kino konnte sich nicht mehr halten. Als Veranstaltungsort, als Kulturort war niemand da, der das wirklich konsequent betrieben hätte und so gab es tatsächlich Überlegungen, eine Resterampe daraus zu machen.
Es kam zum Glück anders ...
Veit: Wir haben dann den „Horrorladen“ drin gemacht und das lief eigentlich ganz gut. Haben dann uns getraut, den Sprung zu machen. Die ersten Jahre war das ganz schön heftig. Es war wirklich unklar, ob das nicht jeden Tag Pleite geht. Und jeder hat alles gemacht, ich hab da drin auf- und nachts abgestuhlt, ich habe geputzt. Erst nach und nach bis in die 1990er Jahre hat es sich stabilisiert. Aber nicht lange, dann kam 2007, 2008 die Finanzkrise - das hat das Capitol komplett wieder aus der Bahn geworfen. Die Leute gaben kein Geld mehr aus, kamen nicht mehr. Damals haben Thorsten und ich gesagt, wir senken die Preise und haben die „Mutmacher-Preise“ entwickelt, 15-Euro-Tickets, um wenigstens die Zuschauer zu halten. Und das hat tatsächlich funktioniert. Vor allem mit „Hair“ haben wir uns danach wieder unglaublich gut aufgestellt – und dann kam Corona.
Debüt mit „Horrorladen“
- Der Regisseur, Autor und Schauspieler Georg Veit wurde 1964 in Forst bei Bruchsal geboren.
- Er studierte Literaturwissenschaft und Geschichte in Karlsruhe, wo er auch heute noch lebt.
- 1997 gab es seinen Einstand am Mannheimer Capitol, mit der Inszenierung des Musicals „Der kleine Horrorladen“. Insgesamt entstanden unter seiner Leitung seither 35 Produktionen für die Capitol-Bühne, hinzu kommen ebenso viele Konzertabende und zahlreiche Kindertheaterstücke, die im Casablanca, der Capitol-Kleinkunstbühne oder auch außer Haus gespielt wurden.
- Außerdem ist Veit Regisseur der Interessengemeinschaft Volksschauspiele (IGV) Nußloch. 2023 führte er beim Joy-Fleming-Musical „Ein Lied kann eine Brücke“ auf der Mannheimer Buga 23 Regie.
- Auch nach seinem Abschied als fester künstlerischer Leiter bleibt er dem Capitol indes vor allem im Bereich Kindertheater verbunden. Im April 2025 feiert dort sein nächstes Stück „Ronja Räubertochter“ Premiere.
Während der Pandemie hat das Capitol schnell Formate und Aktionen entwickelt, etwa die Gäste-Konzertreihe „Sascha im Quadrat“ zu den „Rockt zu Hause“-Streams umgewandelt ...
Veit: Das ganze Haus hat sich die Frage gestellt, was können wir denn noch machen? Und es war ganz schnell klar - das klingt jetzt heroisch, war aber tatsächlich so: Es geht gar nicht so sehr um das Haus, sondern es geht auch darum, den Kolleginnen und Kollegen außen herum Auftrittsmöglichkeiten zu geben. Es hieß ja immer „Bleibt zu Hause!“ und dann habe ich mir überlegt: Machen wir „Rockt zuhause“! Es gab ganz große Dankbarkeit von den Kolleginnen und Kollegen. Und das Capitol hat ja wahnsinnig viel Geld gesammelt, über 250.000 Euro, und das konnten wir an andere, kleinere Theater weitergeben.
Sie selbst sind künstlerisch enorm vielseitig aufgestellt, inszenieren Musicals, Theater, Kindertheater, stehen selber auf der Bühne. Woher rührt das?
Veit: Manchmal denke ich, dass das von meinen katholischen Wurzeln her kommt, ich war ewig Ministrant und bin in einem katholischen Dorf aufgewachsen. Dieser Katholizismus ist ja schon eine große Inszenierung und natürlich auch immer eine große Geschichte. Ich wollte das schon immer, ich habe als Kind immer in Theatergruppen gespielt, bin später in die Amateurtheater gegangen und habe angefangen, dort auch zu inszenieren. Vor allem habe ich dann Literatur in Karlsruhe studiert – meine eigentliche Basis: Geschichten verstehen, Geschichten weiter erzählen und dafür eine bildliche Umsetzung suchen. Deshalb vielleicht auch die verschiedenen Formate. Ich habe auch Lyrik-Performances während meines Studiums gemacht, mich hat von Anfang an immer alles interessiert. Ich bin keiner, der vorbeikommt und nur die Probe leitet oder nur das Stück macht, sondern ich bin immer im Bühnenbild mit drin, ich bin immer im Kostüm mit drin, bis hin zum Plakatentwurf. Weil ich es als befriedigend empfinde, wenn ich ein Gesamtbild schaffen kann - das gelingt mir mal besser, mal schlechter, keine Frage. Das hat nicht angefangen, das war immer so (lacht).
Eine zentrale Frage soll nicht ungestellt bleiben: Warum hören Sie jetzt auf?
Veit: 27 Jahre sind schon eine sehr lange Zeit. Sicherlich ist so ein Wechsel in der Geschäftsführung auch ein Moment, selber noch einmal nachzudenken: Möchte ich mich auch vielleicht noch einmal anders oder neu orientieren? Und das war ein guter Zeitpunkt. Es waren ja unglaublich viele Produktionen. Mein Hauptantrieb heute ist, dass ich etwas Neues machen möchte. Die Frage ist vielleicht weniger, warum ich aufhöre, die spannendere Frage ist, warum ich so viele Jahre da war? Was ich am Capitol so geschätzt habe und natürlich weiterhin schätze, ist: Wir hatten unglaublich viele Möglichkeiten, uns auszuprobieren. So konnten wir durchaus auch außergewöhnliche Inszenierungen machen oder ich konnte mich zum Beispiel auch als Autor ausprobieren. Ob mit „Evita“ oder mit dem „Blume Peter“, wir konnten neue Wege gehen.
Was aus dieser langen Zeit werden Sie in besonderer Erinnerung behalten?
Veit: Ich bin unheimlich froh, dass es uns über die Jahre gelungen ist – egal, was wir gemacht haben –, immer wieder Momente zu schaffen, mit denen die Leute sich persönlich haben berühren lassen. Und das ist letzten Endes auch das, warum ich Theater mache.
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