Pop - Am Freitag veröffentlicht Xavier Naidoo mit dem Rapper Kool Savas das Album "Gespaltene Persönlichkeit"

Freie Fahrt für Xavas

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Zwei Seiten einer musikalischen Medaille: Kool Savas (links) und Xavier Naidoo alias Xavas.

© Katja Kuhl

Wer Xavier Naidoo nur als Fabrikanten von Radio-Hitballaden kennt, wird sich wundern: Warum macht er eine Duo-Platte mit dem um explizite Worte nicht verlegenen Hip-Hopper Kool Savas? Und umgekehrt: Was treibt den begabtesten und vielleicht authentischsten Vertreter des Berliner Gangsta-Rap zu dem Xavas-Projekt mit dem gottesfürchtigen Mannheimer? Musikalisch ist das schlicht Qualitätsmagnetismus: Die zwei führenden Vertreter ihrer Genres ziehen sich nicht erst seit gestern an. Schon 2005 war Naidoo auf dem Kollaborationsalbum "One" von Savas und Azad zu hören, auch auf dessen jüngstem und reifstem Soloalbum "Aura" (2011) meldet sich der Soulpopsänger zu Wort. Seine Rap-Affinität hatte er schon 2003 mit dem Live-Quartett Fourtress als "Hip-Hop-Ventil" ausgelebt.

Erste Songs Anfang 2011 aufgeführt

Da Soul bzw. die moderne Ausprägung "Contemporary R&B" und Hip-Hop schon allein aufgrund der artverwandten Beatstruktur zwei Seiten einer musikalischen Medaille sind, liegt die Zusammenarbeit nahe. Und sie war lange geplant: Beim gemeinsamen Festival-Projekt "Wir Beaten mehr" in Hamburg im Januar 2011 zur Ehrenrettung des damals noch kriselnden deutschsprachigen Hip-Hop waren schon die ersten Xavas-Songs zu hören. Persönlich steht sich das Duo ohnehin sehr nahe: Der langjährige Wahl-Kurpfälzer Savas bezeichnet den vier Jahre älteren Mannheimer seit Jahren als eine Art "großen Bruder". Sein Song "Der beste Tag meines Lebens" hat wiederum Naidoo zum Vegetarier gemacht.

Persönlich ist das Schlüsselwort für das Xavas-Debüt "Gespaltene Persönlichkeit": Der Titel mag Schizophrenie signalisieren, aber in den 15 Songs passt kein Blatt zwischen die beiden Liebhaber schneller Autos. Sie werfen für den Projektnamen nicht nur die Buchstaben ihrer Vornamen und in der sehr gelungenen Cover-Holographie ihre Gesichter zusammen, sondern auch ungewohnt private Ansichten - zum Leben allgemein, zur Liebe, aber auch in Sachen Politik und Wirtschaft. In Songs wie "Satan weiche" ("Der Teufel, er steckt im Management") und vor allem "Mehr als sie" setzen die beiden die Mächtigen auf den Schleudersitz, weil von "Wachsfiguren" keine Gerechtigkeit zu erwarten sei: "Wir wollen so nicht mehr leben, vergebt uns, aber ihr geht jetzt." Das säuselt Naidoo in einem typischen Refrain - aber die Botschaft ist klar und kompromisslos.

Überhaupt sind die meisten der Naidoo-Texte weniger verästelt und klarer - die Hit-Single "Schau nicht mehr zurück" und "Ich bin ich" bieten so alltagsphilosophische Lebenshilfe, das eingängige "Wenn es Nacht ist" erlaubt Einblicke in seinen Lebensstil, einem allgemeinen Lied wie "Form von Liebe" stehen sehr konkrete Liebesbekundungen wie "Du bereicherst mich" oder "Wage es zu glauben" gegenüber. Beide scheinen sich an die Glückliche zu richten, die Naidoo unter größter Geheimhaltung vor Monaten geheiratet hat, wie er jüngst in einem Radio-Interview ausplauderte. Dass in "Abschiedsfluss" auch von Abschiedstränen für einen erstgeborenen Sohn die Rede ist, bietet Raum für Spekulationen.

Kool Savas steuert seine Sichtweisen bei - und setzt dabei den thematischen Reifeprozess von "Aura" fort. Die genreübliche Dicke-Hose-Rhetorik fällt sozialverträglich aus und beschränkt sich auf "X.A.V.A.S." und die düster groovende, ungeahnt spacige Nummer "Die Zukunft trägt meinen Namen", die entfernt an den Fourtress-Track "Reimroboter" erinnert. Hier fährt Savas seine PS als Rapper mit rasant das Tempo wechselnden Wortkaskaden eindrucksvoll aus - aber das Gaspedal bedient er nur in vier, fünf Stücken derart intensiv.

Deswegen müssen die Fans der Mannheimer Radioballaden-Manufaktur vor dieser "Gespaltenen Persönlichkeit" auch nicht zurückschrecken: Der von über einem halben Dutzend Produzenten geprägte Sound ist zwar noch beatbetonter, aber fast alle Songs würden mit ihren eingängigen, gefühlvollen Refrains auch auf ein Naidoo-Soloalbum passen - allen voran "Du bereicherst mich". Altgedienten Anhängern werden auch die harten Töne über Ritualmorde an Kindern nicht fremd sein, die Xavas in einem versteckten Track nach dem Schlusssong "Lied vom Leben" anschlagen.

Das Duo-Projekt Xavas

  • Der türkischstämmige Kool Savas, geboren als Savas Yurderi am 10. Februar 1975 in Aachen, war vor Bushido der führende Künstler des Berliner Gangsta-Hip-Hop und gilt als einer der technisch besten Rapper in Deutschland. Mit dem am 2. Oktober 1971 in Mannheim geborenen Xavier Naidoo bildet er nun das Duo Xavas.
  • Die erste Xavas-Single "Schau nicht mehr zurück" erreichte Platz 2 der Charts und ist Baden-Württembergs Beitrag zu Stefan Raabs Bundesvision Song Contest am Freitag, 28. September, in Berlin (ab 20.15 Uhr live auf ProSieben). Das Mannheimer Capitol veranstaltet ein Public Viewing mit Live-Musik von fünf Mitgliedern der Band Sing Um Dein Leben. Eintritt frei.
  • Kool Savas gastiert auf seiner "Warum rappst Du?"-Tournee am Freitag, 28. Dezember, in der Heidelberger Halle 02. Karten unter 0621/10 10 11 (33,05 Euro).
  • Das Xavas-Debütalbum "Gespaltene Persönlickeit" erscheint am Freitag, 21. September, im Vertrieb von Tonpool. jpk

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