Frankfurt. Im Sommer malte er Landschaften, im Winter indes Stillleben. Im Grunde seines Herzens aber war er Landschaftsmaler. Die Stillleben waren nur Mittel zum Zweck, konnte er doch im Winter nicht mit der Staffelei umherziehen. Das heißt aber keineswegs, dass er die Stillleben hingeschludert hätte. Denn der Wiener Carl Schuch (1846–1903) spürte der Essenz der Dinge nach und wollte deshalb Formen und Farben ausgewogen verteilen. Heute ist Schuch fast vergessen, da er sich immer abseits vom Kunstmarkt- und Ausstellungsbetrieb hielt.
Das konnte er sich leisten, da er aus einer betuchten Familie stammte und finanziell unabhängig war. So entwickelte der Maler seinen eigenen Stil, mit dem Nachteil, dass er zeitlebens unbekannt blieb. Erst nach seinem Tod wurde Schuch entdeckt und seine Werke von Museen erworben. Doch nach 1945 geriet er wieder in Vergessenheit. Vor fast 40 Jahren, 1986, war er in Mannheim und München zu sehen, zuletzt 2012 in Wien.
„Selbst sehen und selbst finden“, war das Motto von Schuch
Jetzt wagt das Frankfurter Städel einen neuen Anlauf und stellt 70 Bildern von Schuch rund 50 Werke von Paul Cézanne, Gustave Courbet, Ėdouard Manet, Claude Monet und einigen weniger bekannten französischen Künstlern gegenüber. So wird deutlich, dass sich Carl Schuch locker neben den Franzosen behaupten kann. Städel-Direktor Philipp Demandt ist hellauf begeistert: „Schuchs Malerei ist eine Entdeckung, ein Fest für die Sinne, ein betörendes Wechselspiel aus Licht und Farbe.“
Freilich muss der Besucher etwas Zeit mitbringen, um sich einzusehen und die Parallelen oder Unterschiede zwischen Schuch und den Franzosen zu entdecken. Die Entdeckungsreise in die Malwelt des Koloristen und Kosmopoliten lohnt sich. „Selbst sehen und selbst finden“, war das Motto von Schuch, berichtet Kurator Alexander Eiling, der die Schau zusammen mit seinen Kolleginnen Juliane Betz und Neela Struck betreut.
Zum Auftakt sind gleich im ersten Raum einige Werke von Schuch neben Bildern der Franzosen gehängt. Manets „Melone“ von 1880 regte Schuch später zum Gemälde „Kürbis, Pfirsiche und Weintrauben“ an. Beide Künstler pflegten einen ähnlichen Pinselduktus, der jeden Strich sichtbar lässt; beide verwendeten nur wenige, farblich verwandte Töne. Aber Schuch störte Manets allzu virtuose Malerei, die er als Manie kritisierte. Denn Schuch suchte „nach einem Gleichgewicht der Farben, das in jedem Bild neu erkämpft werden wollte“, erklärt Eiling.
Das führte dazu, dass er seine Gemälde geradezu „manisch überarbeitete“ (Eiling), wenn er unzufrieden war – und das war er oft. Der Maler umkreiste die Motive und entwickelte oft aus dem Dunklen heraus die Leuchtkraft der Farben. Beim weiteren Rundgang, der biografisch-chronologisch angelegt ist, erfährt man, dass Schuch sogar Werke seiner Kollegen erwarb, um sie auf ihre Machart zu untersuchen und daraus für die eigene Malerei zu lernen. Wilhelm Trübners grün-braun schillernder „Fasan“ von 1873 ist dafür ein schönes Beispiel.
Die zwölf Jahre Schuchs in Paris stehen im Zentrum der Schau
Doch Carl Schuch war ein rastloser Mensch, seitdem er früh seine Familie verloren hatte. Von 1870 an reiste er durch Europa, malte im Münchner Kreis des Realisten Wilhelm Leibl, ging dann für sechs Jahre nach Venedig. Seine beste Phase hatte er aber in Paris 1882 bis 1894, da er die Franzosen ausgiebiger studieren konnte. Diese zwölf Jahre stehen im Zentrum der Schau, das Obergeschoss der Halle dreht sich nur um Paris. Den Neubeginn markieren zahlreiche Spargelbilder, darunter Manets berühmtes „Spargelbündel“ von 1880, das in Köln beheimatet ist. Schuch sah es 1884 und ließ sich zu Variationen inspirieren.
Er malte aber keinen weißen Spargel auf weißem Tuch, ließ ihn vielmehr violett schimmern, teils auch in Türkis- und Blautönen aufleuchten. Selbst das Tuch darunter hat ein fast abstraktes, unregelmäßiges Muster zwischen Weiß und Grau. Andere Bildvarianten leuchtete er ins Rötliche aus – das scheint im ersten Augenblick sehr gewagt, hält aber die Balance vom „farbigen Weiß“ (Eiling).
Zur Ausstellung
- „Ich muss inmitten der Natur sein, die ich male, um sie in jedem Augenblick studieren zu können, herumlaufen, suchen, gucken, drin leben, um sie ganz einfach auf mich wirken zu lassen, in ihr aufzugehen.“ Carl Schuch schrieb dies 1878 an seinen Kollegen Karl Hagemeister, bevor er sich mit ihm in der Mark Brandenburg traf. Die dortige unspektakuläre Landschaft ermöglichte es ihm, sich auf seine Themen zu konzentrieren, auf Farbe und Licht, Raum und Komposition .
- Städel , Frankfurt, Schaumainkai 63, bis 1. Februar.
- Öffnungszeiten: Di bis So 10–18, Do 10–21 Uhr. Katalog 44,90 Euro. Eintritt 18 Euro.
- Mehr Info: Tel. 069/60 50 980. Internetadresse: www.staedelmuseum.de
Frappierend sind auch die Parallelen zu Paul Cézanne, weshalb Schuch oft als „deutscher Cézanne“ bezeichnet wurde. Beide tarierten ihre Farben fein aus, aber Cézanne grenzte die Flächen klar ab, Schuch malte weiche Umrisse. Das Städel, das selbst zwei Schuch-Werke besitzt, hat sogar Untersuchungen einiger Werke mit Einverständnis der Leihgeber gemacht. So kam zutage, dass Schuch beim Malen oft Motive austauschte. Dabei bewegte er sich geschickt zwischen allen modernen Stilen, da es ihm nur um die Formen und Farben ging. Damit wird die Schau zu einer guten Schule des Sehens.
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