Konzertkritik

Euphorie dank Schmerz: 1000 Fans feiern Blumengarten in Mannheim

Das mit dreiköpfiger Band verstärkte Duo Blumengarten kehrt mit einer triumphalen Show in die ausverkaufte Alte Feuerwache zurück _ und liefert auch ohne Paula Hartmann einen der Live-Momente des Jahres

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Aus Schulfreunden wurde das Erfolgsduo Blumengarten: Sänger Rayan Djima und Produzent Samuel „Sammy“ Eickmann konnten gar nicht glauben, wie viel Euphorie sie mit 1000 Fans in Mannheim erlebten. © Langfingerjo

Mannheim.
Mannheim. Okay, Blumengarten sind eine der deutschen Bands der Stunde. Sie haben eine Million monatliche Hörerinnen und Hörer bei Spotify. Hippe Pop-Prominenz von Paula Hartmann oder Betterov bis Cro und Mark Foster steht Schlange, um mit ihnen zu singen – oder zumindest in einem Video des Duos aus dem nordrhein-westfälischen Velbert kurz aufzutauchen. Und 2023 haben Sänger Rayan Djima und Produzent Samuel „Sammy“ Eickmann spektakulär die Sommerbühne eröffnet – wegen Regen leider im Mannheimer Kulturzentrum Alte Feuerwache. statt auf der Open-Air-Bühne davor. Diese kostenlose Show hat offensichtlich mächtig Eindruck hinterlassen: Das Konzert ist schon seit Wochen ausverkauft. Während die Vorband Jupyter spielt, steht noch eine sehr lange Schlange vor dem Eingang. Aber was Blumengarten mit ihrer dreiköpfigen Live-Band und 1000 von Beginn an euphorischen Fans im randvollen Saal am Freitagabend abreißen, kommt trotz alledem unerwartet.

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Zwei Minuten kann Sänger Rayan Djima im Arena-Applaus baden

Schließlich ist der Titel der bislang umfangreichsten Veröffentlichung der beiden Schulfreunde inhaltlich Programm: „Schönheit die in Schmerzen liegt“ – und viele Songs strotzen nur so vor Melancholie. Und die Stimme von Rayan Djima ist etwas speziell. Eher hoch angelegt, meistens auf emotionaler Gratwanderung, ohne gesanglich jemals abzustürzen. Aber eigentlich ist das etwas für Indie-Liebhaber und erinnert von Ferne ein wenig an Ahnoni, die frühere Frontperson von Antony And The Johnsons, oder Scott Matthew. Dementsprechend könnte man ein kontemplatives Konzert erwarten. Mit einem jungen, klugen, sehr diversen Publikum, das versonnen in Gefühligkeit und Texten über das Verlieren an vielen Fronten schwelgt. Genau das Gegenteil passiert.
Gut, dass Publikum ist jung, divers, so klug, dass es alle Texte bis in die komplexeste Phrasierung mitsingen kann – und sehr aufgeschlossen. Es feiert schon das Indie--Quartett Jupyter im Vorprogramm, lässt sogar die Smartphones für die jungen Mannheimer glühen, bevor es bei rockigen Songs wie „Ostberlin“ und „Vespa“ richtig abgeht. Doch schon der Auftritt von Blumengarten gerät triumphal: Mit ausgebreiteten Armen kann Rayan Djima zwei Minuten lang im Arena-Applaus baden. Dann gibt es erstmal erstaunlich gradlinig auf die Zwölf: Mit dem auf Anhieb inbrünstig mitgesungenen „Du bist mutig“ und „Life Goes On“, dessen treibenden Beat die Fans klatschend verstärken. „Habt ihr Bock, ein Bisschen Party mit uns zu machen?“, ruft der euphorisierte Sänger. Die Antwort ist ein massives „Jaaaaaaa!!!“ Das wird nach Wiedersehen ohrenbetäubend getoppt auf die Frage „Ist das alles, was ihr habt?“

„Es ist crazy. Wir können es noch gar nicht fassen, dass es so viele von euch gibt“

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Das fängt gerade an, sich wie eine x-beliebige Deutschpop-Sause anzufühlen, da erinnert Djima selbstironisch daran, dass sie auch ein paar melancholische Lieder hätten: „Wir sind ja die Kuschelrockband.“ Das emotional todesmutige „Mama“ dreht das Steuer radikal Richtung herzzerreißend, nach dem Space-Funk der frühen Nummer „Wohin Du willst“ (2022) kommt das Spezielle der Stimme voll zur Geltung: bei „Herz aus Porzellan“, der inbrünstig geschmetterten Verlierer- Hymne „Gloria“ (mit den zurzeit wohl unvermeidlichen NDW-Anleihen), nach dem „Creep“-verdächtigen Intro des am Ende schön mehrstimmigen „Pieces“, dem gefeierten AnnenMayKantereit-Cover „Vielleicht vielleicht“ und „Tisch für zwei“. „Es ist crazy. Wir können es noch gar nicht fassen, dass es so viele von euch gibt“, gibt Djima Einblick in sein Seelenleben angesichts der Kulisse.

Vielleicht müssen sie ihr zentrales Werk in „Euphorie die in Schmerzen liegt“ umbenennen. Dafür sorgen das tanzbare „Rosa Rugosa und „Neue Welt“. Musikalisch kann dank Blumengartens Funkvater Frank Sammy alles passieren von Indie-Soul bis Rock-Gitarrensolo und Sprechgesang. Aber der Cro-Hit „Nie mehr normal“, mit dem nach einer Stunde das Hauptprogramm endet, wird in der stürmisch erklatschten Zugabe noch übertroffen. Vom fragilen „Paris Syndrom“, das auch ohne die seelenverwandte Duett-Partnerin Paula Hartmann funktioniert – schon jetzt ein Höhepunkt des Mannheimer Live-Jahres.

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Jubel auch für den Busfahrer und die Mannheimer Vorband Jupyter

Nach 70 Minuten endet die kurze, aber extrem intensive Show mit der zweiten Version von „Tisch für zwei“ zum Stimme-kaputt-singen. Und einer Bandvorstellung, bei der sich Djima vor Freude überschlägt und auch den Busfahrer sowie die „allerheftigste Vorband“ Jupyter nicht vergisst.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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