Schauspiel

Ensemble hat großen Spaß

Tilman Gersch inszeniert Goldonis „Kaffeehaus“ im Ludwigshafener Pfalzbau und macht die Stadt zur Theaterkulisse

Von 
Susanne Kaulich
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Szene aus der Goldoni-Inszenierung von Intendant Tilman Gersch im Theater im Pfalzbau in Ludwigshafen. © Alen Ljubic

Ludwigshafen. Ist gut gemeint auch immer gut gemacht? Dies könnte als Motto für Tilman Gerschs Inszenierung der Komödie „Das Kaffeehaus“ von Carlo Goldoni im Theater im Pfalzbau stehen. Denn sehr schnell wird klar, dass Kaffeehausbesitzer Ridolfo die Menschen gern zum Besseren bekehren, die Streitenden miteinander versöhnen und überhaupt will, dass alles gut wird. Aber ob dies nachhaltig von Erfolg gekrönt ist?

Der Gutmensch hat sein kleines „Supercafé“ ausgerechnet dort eröffnet, wo man nicht unbedingt faire Preise, hohe Qualität und zuvorkommenden Service erwartet. In enger Nachbarschaft zu Pandolfos Spielhalle, Fräulein Lis Massagesalon, Dönerläden, Gold An-und Verkauf, Bars, Nagelstudios und Barbershops verkehrt ein recht buntes Publikum. Ridolfo und sein geflüchteter Kellner Ahmed (Mohammed Nick Nayeri allzu klischeehaft) können sich auf ihrer „Insel des Guten“ die Gäste nicht aussuchen.

Goldonis „Kaffehaus“

Carlo Goldoni (1707 -1793) gilt als Reformer des italienischen Theaters und Mitbegründer der Gattung Komödie. Die Stereotypen der commedia dell’arte ersetzt er durch individuelle Charakterzeichnung. Seine Darstellung des Menschen als soziales Wesen im städtischen Alltagsleben wird von den Zeitgenossen als innovativ empfunden. Goldonis bekanntestes Stück ist „La serva patrona“ (Diener zweier Herren)

Weitere Vorstellungen der Komödie „Das Kaffeehaus“ im Ludwigshafener Pfalzbau am 21. und 22. März 2025, jeweils 19.30 Uhr, Kartentel.: 0621/504-2558

Goldonis venezianische Piazzetta – schon Mitte des 18. Jahrhunderts mit unmoralischem Spielhaus – haben Pfalzbau-Intendant Gersch und seine Ausstatterin Petra Straß in eine deutsche Beton-Innenstadtszenerie verwandelt – ein Ludwigshafener Imbiss samt Patrone diente wohl als Inspiration. Der wilde Mix aus sprechenden Kostümelementen charakterisiert Ridolfos schillernde Klientel. Vom glitzernden Barockwams bis zum Trainingsanzug, von gepuderter Perücke bis Baseball-Cap, vom goldenen Schnabelschuh bis zum weißen Sneaker ist alles dabei. Atmosphärisch kommentiert wird die Handlung von Pianist Frank Rosenberger live. Running Gag: Die witzigen Songs drehen sich allesamt – ob italienisch, deutsch oder wienerisch gesungen – um Kaffee.

Hochstapelei, Spielsucht und weitere Widrigkeiten

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Komödiantisch kompliziert ist die Handlung. Der mit der reichen Vittoria verheiratete Eugenio verzockt das Geld zur Freude des erpresserischen Pandolfo in dessen Spielhalle und macht obendrein Schulden beim windigen Conte Leandro (Rainer Kühn verkörpert beide Charaktere). Wie sich herausstellt, hat Leandro seine Ehefrau Placida verlassen und ein Verhältnis mit Fräulein Li vom Massagesalon.

Als hochstaplerischer Graf nimmt er den spielsüchtigen Eugenio nach allen Regeln der Kunst aus. Der reiche Don Marzio hat nichts Besseres zu tun als alles zu beobachten, über andere Leute herzuziehen, sie zu denunzieren und gegeneinander auszuspielen. Ein unsympathischer Typ, den Jörg Malchow aalglatt und nah an den Typenklischees der Commedia dell’Arte ansiedelt. Aus Loyalität zu Eugenios Vater lässt Barista Ridolfo nichts unversucht, Eugenios Ehre und Ehe zu retten. Placida wird auch gleich mit ihrem aufgeflogenen Mann wiedervereint. Ob das wirklich gut geht, bleibt am Ende dahingestellt.

Gersch verlegt die Komödie ins heutige Ludwigshafen

Auch Tilman Gersch meint es gut, wenn er versucht, die venezianische Goldoni-Komödie aus der Mitte des 18. Jahrhunderts ins aktuelle Ludwigshafener Milieu zu verlegen. Einer der wenigen lauten Lacher bei Don Marzios geseufztem „Ade, du Blume unter den Städten“ sitzt jedenfalls. Doch Gersch modernisiert nicht wirklich konsequent die typisierten Figuren; ihre oft outrierte Körpersprache sowie die srewballartigen Dialoge zünden nicht immer, wirken eher abgenutzt und stehen im krassen Gegensatz zur stellenweise hippen Textfassung von Barbara Wendland („ich liebe dich so fucking sehr“). Amüsant die gelungene Videoclipparodie, in der Fräulein Li in Chantal-Manier –„o mein Goott“ – ihre Kaffeemaske vorführt. Wenn Eugenio (Stefan Schießleder) zum Peter Cornelius-Hit „Der Kaffee ist fertig“ seine Angetraute mit Nonnenbrüstchen füttert und Ahmed zum zärtlichen Schmäh das Feuerzeug schwenkt, gibt’s sogar Szenenapplaus.

Wahrlich einen großen Abend feiert Josephine Thiesen, die alle drei Frauenfiguren mit blitzschnellen Kostüm- und Charakterwechseln spielt und neben der artistischen Kommissarparodie als idealistischer Ridolfo in der männlichen Hauptrolle glänzt. Zugeständnis an aktuell gängige Besetzungspolitik? Wie auch immer – eine großartige Leistung der jungen Schauspielerin. Dass es dem Ensemble wohl einen Mordsspaß gemacht hat, die überdrehten Figuren zum Teil in Slapstick-Manier zu spielen, ist die eine Sache, dass der Funke aber leider nur stellenweise aufs Publikum übergesprungen ist, eine andere. Wie war das mit dem Motto?

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