Film

Ein seltsames Paar

Christoph Maria Herbst verwandelt sich in Hanno Olderdissens charmanter Buddy-Komödie „Ganzer halber Bruder" als ausgekochter Immobilienbetrüger vom Saulus zum Paulus.

Von 
Gebhard Hölzl
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Haben nicht immer die gleichen Ansichten: Nicolas Randel (r.) mit Christoph Maria Herbst in dem Film "Ganzer halber Bruder". © Copyright Neue Schönhauser / Wil

Mannheim. Er ist der sprichwörtliche Kotzbrocken des deutschen Films, gefeierter Publikumsliebling und Adolf-Grimme-Preisträger, bekannt geworden als intriganter Versicherungsangestellter „Bernd Stromberg“, eigener Aussage zufolge ein „echtes Sackgesicht“.

In dem Part hat Christoph Maria Herbst deutsche TV-Geschichte geschrieben, miesepetrige, spitzzüngige Figuren sind seine Spezialität, siehe sein xenophober Professor in „Contra“ oder sein giftiger Stephan Berger in den sehr erfolgreichen „-Namen“-Komödien von Sönke Wortmann. Nun kehrt er als Ekelpaket zurück, in „Ganzer halber Bruder“, inszeniert von Hanno Olderdissen („Lassie – Ein neues Abenteuer“).

Immobilienbetrüger kommt aus dem Gefängnis

Im Schattenriss ist er zunächst von hinten zu sehen. Die spitzen Ohren erinnern an die eines (bösen) Elfs. Dann öffnet sich vor ihm langsam ein Schiebetor und er tritt ins Licht. Glatze, Dreitagebart, schmieriges Lächeln. Im Gefängnis ist Thomas gesessen, verurteilt wegen Immobilienbetrugs. Von seinem Wienerisch parlierenden (Schlitzohr-)Bewährungshelfer (Michael Ostrowski) wird er empfangen. Vom Fahrersitz aus ermahnt, sich zu benehmen, Job und Bleibe zu suchen, die Finger künftig von zwielichtigen Geschäften zu lassen. Dann braust er in seinem Angeber-Pick-up davon. Pkws werden in der Folge eine zentrale Rolle spielen. Vor allem das gepfändete Oldtimer-Cabrio, das Thomas mittels Brechstange wieder in seinen Besitz bringt. Stil muss sein.

Und es kommt noch besser. Eine Anwältin setzt Thomas in Kenntnis, dass ihm seine ihm unbekannte Mutter ein Haus vererbt hat. Eine Villa, wie er sofort erkennt, mindestens „zwei Mio“ wert. Wenn er diese verkaufen könnte, stünde einem Neuanfang in Spanien nichts im Wege. Der Haken: Im Anwesen lebt Halbbruder Roland (Nico Randel) – Fan von Oldies, Gewichtheben und offenen Autos –, mit Festanstellung und Trisomie 21, besser bekannt als Down-Syndrom. Es gilt, das Problem mit dem lebenslangen Wohnrecht aus der Welt zu schaffen.

Der Song „Sunny“ führt durch den Plot

Ein originelles, heiter-nachdenkliches Skript hat Clemente Fernandez-Gil („Eine Insel namens Udo“) zu Papier gebracht. Ein komödiantisches, US-Erfolgsformeln folgendes Buddy-Movie, die Geschichte eines gewissenlosen Mannes, der sich vom Saulus zum Paulus wandelt. Weil „Sunny“ – so nennt sich Roland nach dem 60er-Jahre-Ohrwurm von Bobby Hebb – sich als ausdauernder Gegner erweist und das Herz am rechten Fleck hat. Thomas‘ schmutzige Tricks mit Mut, Muskeln und Leidenschaft kontert, unterstützt von der empathischen Betreuerin Yesim (Sesede Terziyan) und seinem Boxtrainer, dem wuchtigen Polizisten Karsten (Tristan Seith).

Leitmotivisch führt der Song „Sunny“ – Arbeitstitel des politisch korrekten Werks – durch den Plot, zu hören in zig Versionen. Spanisch, instrumental, interpretiert von Wilson Pickett, Booker T. & the MG’s, Boney M. Ein sonniges Lied mit Schatten – stellvertretend fürs Leben. Gekonnt spielen Herbst und der liebenswerte Randel sich die Bälle zu, der schönste Moment gehört Terziyan, die Herbst nach dessen Karaoke-Einlage einen Kuss auf die Lippen drückt – um erschrocken anzumerken, dass „das jetzt übergriffig war“. Trotz vieler Klischees Wohlfühlunterhaltung pur, übergewichtige Zwillingsmädchen und ein brutaler Gangsterboss inklusive.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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