Todestag

Ein posthumes Gespräch mit dem Komiker Karl Valentin

Am 9. Februar vor 75 Jahren ist Karl Valentin gestorben. Unser posthumes Gespräch ist zwar fiktiv, aber keineswegs frei erfunden: Sämtliche Antworten (abgesehen von Mini-Einschüben ohne Anführungszeichen) stammen aus der Feder des einstigen Münchner Originals

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Komiker, Volkssänger, Stückeschreiber und Filmemacher: Karl Valentin. © picture alliance/akg-images

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Herr Walentin , äh Valentin …

Karl Valentin: „Nenn‘ mich nicht Walentin, du nennst ja auch nicht deinen Vater Water!“

Pardon, meine kurpfälzische Aussprache! Zurück zu meiner Frage: Ist es Ironie des Schicksals, dass Sie, der Komiker, ausgerechnet an einem närrischen Rosenmontag an den Folgen einer Lungenentzündung starben?

Valentin: „Da hab‘ ich ein Leben lang Angst vor dem Sterben gehabt – und jetzt das“!

Mal Ernst, der ist ja ohnehin Grundlage von Scherz. Sie waren erst 65 und völlig verarmt.

Valentin: „Wer am Ende ist, kann von vorn anfangen, denn das Ende ist der Anfang von der anderen Seite.“

Schon über Ihren Start ins Erdendasein am 4. Juni 1882 in München haben Sie gewitzelt.

Valentin: „Als ich das Licht der Welt und sodann die Hebamme erblickte, war ich sprachlos. Ich hatte diese Frau ja noch nie in meinem Leben gesehen.“

Und später schrieben Sie von sich: „Ich, Karl Valentin …

Valentin: … „ein Münchner Komiker, bin der Sohn eines Ehepaares. Aus Gesundheitsrücksichten erlernte ich im Alter von zwölf Jahren die Abnormität und zeigte nach reiflicher Überlegung Talent zum Zeitungslesen. Mein Hang zur Musik ist alltäglich. Am liebsten höre ich zu, wenn ich selbst spiele“.

Aber bevor Sie Couplets sangen, mit Worten jonglierten, Sketche aufführten und Filme drehten, haben sie nach „siebenjähriger Zuchthausstrafe“, wie Sie die Volksschule schilderten, als Lehrling beziehungsweise Geselle gehobelt, gesägt, geleimt und genagelt.

Valentin: „Beim letzten Münchner Schreinermeister entwendete ich einen Nagel, schlug ihn in die Wand und hing an demselben das goldene Handwerk der Schreiner für immer auf.“ (...) „Ich habe Bildung nie mit dem Löffel gegessen, nur mit der Messerspitze.“

Auch ohne klassische Bildung gelten Sie als Sprachgenie. Nicht von ungefähr gehörten Vertreter der Hochkultur zu Ihren Verehrern – ob Bertolt Brecht, Hermann Hesse oder Samuel Beckett.

Valentin: Tja, „Kunst kommt von können, nicht von wollen, sonst müsste es Wunst heißen.“ Nichtsdestotrotz: „Kunst ist schön – macht aber viel Arbeit“.

Ein Super-Stichwort. Sie arbeiteten köstlich mit Ihrer kongenialen Bühnenpartnerin Liesl Karlstadt zusammen. Wie war das mit den grammatikalischen Knödeln?

Valentin: Das ging damals so: Liesl sagte: „Semmelknödel sind Semmelknödel“. Ich: „ –deln! „ – „Deln?“ - „-deln!“ – „Was deln?“ – „Es heißt Semmelknödeln!“

Sie sind ein wunderbarer „Wortzerklauberer“, wie ein Kritiker rühmte. Viele haben Sie freilich eher als tragisch-komischen Grantler wahrgenommen. Wären Sie lieber unbeschwert fröhlich gewesen?

Valentin: „Mögen hätt’ ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut.“ Und dennoch: „Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.“

Seichte Spaßmacher wurden von Nazis gern zum Aufmuntern vereinnahmt. Hingegen irritierte Ihr Humor zunehmend, und Ihr Film „die Erbschaft“ kam 1936 wegen „Elendstendenzen“ auf den Index.

Valentin: „Gut, dass Hitler nicht Kräuter heißt, sonst müsste man ihn mit ,Heil Kräuter‘ grüßen.“

Klar, sie mögen auch Kalauer. Gleichwohl zeichnen sich viele Ihrer Wortspiele durch philosophische Tiefe aus. Beispielsweise: „Der Fremde ist nur in der Fremde ein Fremder.“ Und welche Ihrer verbalen Purzelbäume finden Sie besonders gelungen?

Valentin: „Die Zukunft war früher auch besser.“ Außerdem treibt mich die Erkenntnis um: „Alle reden vom Wetter, aber keiner unternimmt was dagegen!“

Heute würde man Sie als Comedian bezeichnen. „Wrdlbrmpfd“ , der von Ihnen zungenverknotend kreierte Name zur Verwirrung eines Schutzmannes, könnte glatt als Vorfahre von „Mompfred“ mit der Pumpewasserzong aus dem Figurenkabinett von Bülent Ceylan durchgehen.

Valentin: „Es ist (eben) schon alles gesagt – nur noch nicht von allen.“

Wie wahr! Und was gilt aus Zeiten, als Comedians noch Blödsinnmacher oder Spaßvögel hießen?

Valentin: „Jedes Ding hat drei Seiten. Eine positive, eine negative und eine komische.“

Würden Sie, der mit Nachruhm bedachte Sentenzen-König, uns eine Botschaft für 2023 kredenzen?

Valentin: „Hoffentlich wird’s nicht so schlimm, wie’s schon ist!“ Wie auch immer, bleib „ein Mensch, der die Dinge nicht so tragisch nimmt, wie sie sind“. Und nicht vergessen: „Heute ist die gute alte Zeit von morgen!“

Ach bitt‘ schön zum Abschluss noch was Schräges.

Valentin: „Wissen Sie schon, dass man ein weiches Ei nicht als Zahnstocher benutzen soll?“

Herr VVVVVValentin , Sie hören mein extra prononciertes V ? Die Redaktion dankt für das posthume Gespräch.

Freie Autorin

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