Nüchtern betrachtet ist „Cosmic Drama“ nicht viel mehr als ein skurriles Spiel mit Sprache, Melodien und den Mitteln des Theaters selbst. Die knapp 100 Minuten, die der Künstler Philippe Quesne als postapokalyptische Weltraum-Oper zum Mannheimer Sommer im großen Haus des Nationaltheaters auf die Bühne bringt, sind formal vieles, aber keine Oper. Denn wo sonst Akte, Arien und Handlungsstränge für inhaltliche Nachvollziehbarkeit sorgen, herrscht im Opernhaus eigentlich nur ein freier Assoziationsraum, in dem potenziell alles geschehen kann.
Seine fünf Performer aus Basel und Lausanne schickt Quesne dementsprechend konsequent in neongelben Anzügen in einem ausgehöhlten Meteoriten als Raumstation in den Orbit, der zu einem Testraum für Ängste, die Übermacht der Galaxie und ihre Verbindung zum Menschen wird. Das inhaltliche Chaos zwischen Kurt Schwitters „Ursonate“ und der Lyrik Rainer Maria Rilkes fügt sich in die akustischen Kontraste zwischen der Mondscheinsonate und Elvis’ „Blue Moon“ - ein Bekenntnis zwischen dem Willen zur Ästhetik und der Realität der Überforderung.
Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren
„Cosmic Drama“ jedoch allein als obskuren Abgesang auf die Sinnhaftigkeit einer verlorenen Welt zu geißeln, würde zu kurz greifen. Denn einerseits belegt das Quintett mit seiner Mission draußen im weiten All, dass die Auseinandersetzung mit der kosmischen Energie galaktischer Materie mit Gefahren besehen, aber dennoch erwünscht ist. Andererseits weicht die lähmende Angst nach und nach einer nahezu schrankenlos-humorvollen Freude am Spiel mit der Jahrtausende alten Materie - vom pianistisch begleiteten Tanz um die Gesteinsbrocken bis hin zum schwebenden Ballett an den Halteseilen der eigenen Existenz. Die Mission wird somit zu einem Abenteuer auf der Suche nach Wertschätzung des Unbekannten, die auf der Spielwiese des Musiktheaters einen anerkennenswerten Ansatz vorlegt, eine postgesellschaftliche Realität auch ohne klare Dialoge oder Szenenfolgen zu erzählen.
Ein unkonventioneller Zugriff, der sich später im Salon de Lumières fortsetzen sollte. Da mag die pure, ungezügelte Kraft anatolischer Liebesballaden von der Musikerin Derya Yildirim an der Saz noch so gerne für sich selbst stehen: Als die Elektro-Artistin Tellavision diese uralten Träumereien an ihrem Synthesizer auf die Jetztzeit treffen lässt, ergibt sich - wie bei Quesne - ein inhaltlich unbestimmter Raum, den wir selbst erst mit Sinn füllen müssen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-kultur-ein-intergalaktisches-abenteuer-_arid,1965138.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Cineplex-Aus - ein Drama für die Innenstadt