Der neue Film

„Eden“ mit Jude Law: Wenn das Paradies zur Hölle wird

Der Star-besetzte Thriller „Eden“ erzählt von den Geschehnissen der „Galapagos-Affäre“. Und lässt den Zuschauer tief in menschliche Abgründe eintauchen.

Von 
Gebhard Hölzl
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Der Traum von Ungebundenheit und einem selbstbestimmten Dasein liegt in der menschlichen Natur. Man erinnere sich an die Mitte der 1950er Jahre lancierte Zigarettenkampagne von Philip Morris, die den „Geschmack von Freiheit und Abenteuer“ propagierte. Keine Frage, dass sich auch die siebte Kunst dem Thema widmet: siehe Allie Fox alias Harrison Ford, der in Peter Weirs Paul-Theroux-Adaption „Mosquito Coast“ (1986) als US-Erfinder mit seiner Familie in Honduras einen Neuanfang versucht. Oder aktuell die Netflix-Western-Serie „American Primeval“, in der Kim Coates als Brigham Young, „Prophet“ der Mormonen, während des Utah-Krieges 1857 nach „God‘s Own Country“ sucht.

Beide sind Aussteiger mit einer Agenda, die sie rücksichtslos verfolgen. Wie auch die (Anti-)Helden von „Eden“. Das epische Gedicht „Das verlorene Paradies“ (1667) kommt einem sofort in den Sinn, John Miltons Gleichnis auf das Scheitern der puritanischen Revolution unter Führung von Oliver Cromwell. Eine historisch verbriefte Geschichte, verwandt dem Film von Ron Howard („Apollo 13“), das in die Zeit des Umbruchs zwischen den Weltkriegen führt – auf die abgelegene, bis dahin unbesiedelte Galápagos-Insel Floreana. Hier sollte eine bessere Gesellschaft entstehen, eine Gemeinschaft jenseits zivilisatorischer Konventionen.

Packendes Survival-Drama vor sattgrüner (Südsee)-Kulisse

Zunächst lassen sich 1929 der deutsche Zahnarzt Dr. Friedrich Ritter (Jude Law) und seine Geliebte Dore Strauch (Vanessa Kirby) auf dem Eiland nieder. Der Egozentriker – er hat sich zur Vorbeugung von Infektionen alle Zähne ziehen lassen – schreibt an einem philosophischen Manifest, nichts weniger als einer Neo-Weltordnung. Mithilfe von alternativen Mitteln will er seine Gefährtin von ihrer Multiplen Sklerose heilen. Durch die Presse erfährt Weltkriegsveteranen Heinz Wittmer (Daniel Brühl) von dem Paar. Beschließt 1932, dem Pionier zu folgen. Mit Frau Margret (Sydney Sweeney) und seinem Tuberkulose-kranken Sohn Harry (Jonathan Tittel), dessen Gesundheitszustand sich vor Ort bessern soll.

Unerfahren mit den Tücken der Natur – und von Ritter sabotiert – ringen die Wittmers mit dem Land. Errichten ein Haus, legen eine Wasserleitung, bauen Gemüse an und züchten Vieh. Darüber nähern sich die Familien langsam an. Bis eines Tages die kapriziöse Eloise Wehrborn de Wagner-Bosquet (Ana de Armas) auf der Insel auftaucht. Eine dominante, selbsternannte Baronin. Zwei junge Männer hat sie im Gefolge. Beide ihre Liebhaber. Mit deren Hilfe will sie ein Luxusresort eröffnen. Rücksichtslos, vor allem mit ihren weiblichen Reizen, versucht sie die anderen Siedler gegeneinander auszuspielen, sie zum Verlassen Floreanas zu zwingen. Eitelkeiten, Manipulation und Habgier spitzen sich zu.

Jude Law



Jude Law hat sich als „eiskalter Engel“ des britischen Kinos einen Namen gemacht, glänzte folgerichtig im Remake von Charles Shyers „Alfie“ als gewissenloser Herzensbrecher.

Beim breiten Publikum punktete der 1972 in London geborene Schauspieler neben Robert Downey Jr. als Dr. Watson in Guy Ritchies beiden „Sherlock Holmes“-Neuadaptionen.

Der Schulabbrecher, der 1987 am National Youth Music Theatre seine Karriere begann, raste 1994 in „Shopping“ zu Ruhm, fuhr da mit Sadie Frost – Gattin von 1997 bis 2003, Mutter ihrer drei Kinder – bei Einbrüchen Schaufensterscheiben zu Bruch. Ein fulminanter Einstieg ins Business, dem zig Preise und zwei Oscar-Nominierungen für „Der talentierte Mr. Ripley“ (1999) und „Unterwegs nach Cold Mountain („2003) folgten.

Der Topverdiener – 10 Millionen Dollar kassierte er für „1 Mord für 2“ –, der auch beim Fernsehen und auf der Bühne tätig ist, überzeugte in „Oscar Wilde“, „Anna Karenina“ und „Hautnah“.

Mit Frost, Ewan McGregor und Jonny Lee Miller betrieb der in zig Wohltätigkeitsorganisationen involvierte David Jude Heyworth Law von 1997 bis 2003 die Produktionsfirma Natural Nylon .

Seit 2019 ist er mit Phillipa Coan verheiratet. Mit ihr hat er zwei weitere Kinder, mit Model Samantha Burke und Sängerin Catherine Harding jeweils eine Tochter. geh

Sehr nah an die (wenigen gesicherten) Fakten halten sich der Filmemacher und sein Co-Drehbuchautor Noah Pink („Genius“). Als packendes Survival-Drama vor wunderschön gefilmter (Kamera: Mathias Herndl), erdiger, sattgrüner (Südsee-)Kulisse hat Howard den Stoff handwerklich perfekt umgesetzt, gewohnt voluminös untermalt von Hans Zimmers Score. Düster ist der Grundton, bitter der Humor, Friedrich Nietzsches Konzepte des „Übermenschen“ und des „Willens zur Macht“ werden verhandelt. In Form von gut aufbereitetem, spannendem (Kopf-)Kino mit hohem Unterhaltungswert.

Was nicht zuletzt an der All-Star-Besetzung liegt. Mutig kehren die Darsteller in ihren Rollen ihr Innerstes nach Außen, lassen Hüllen und Hemmungen fallen, während es zum Kampf zwischen Gut und Böse kommt. Law befindet sich, wie jüngst als FBI-Agent in „The Order“, in Bestform. Howard-Liebling Brühl („Rush – Alles für den Sieg“) glänzt als rechtschaffener, arbeitswütiger Bilderbuch-Teutone. Doch die wahre Macht liegt in den Händen der Frauen, mit de Armas („Blond“) als rücksichtsloser Verführerin und der geerdeten Sweeney („Euphoria“), die final über sich hinauswächst. Politisch korrekt: Frauen-Power pur, bei der Kirby („The Crown“) ob ihres etwas eindimensionalen Parts kaum Raum zur Entfaltung bleibt.

Eine gesellschaftliche Utopie, die tragisch scheitert

Ein Paradies, das zum Albtraum mutiert. Eine gesellschaftliche Utopie, die tragisch scheitert. 1934 liefen die Geschehnisse endgültig aus dem Ruder. Mehrere Todes- und Vermisstenfälle warfen zahlreiche Fragen auf. Die verbliebenen schriftlichen Berichte von Magret und Dore geben die Ereignisse überaus konträr wieder, was wirklich geschah, wird sich wohl nie endgültig klären lassen. Auf der Insel verblieben lediglich die Wittmers, deren Nachkommen heute dort ein kleines Hotel betreiben. Wer tiefer in die Story einsteigen will, kann dies mit der sehenswerten Dokumentation „Die Galapagos-Affäre – Satan kam nach Eden“ (2013) von Daniel Geller und Dayna Goldfine tun.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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