Geburtstag - An der legendären Schaubühne Berlin spielten von Minetti bis Ganz alle ganz Großen - vor 50 Jahren begann alles

Diese Truppe sollte lange leben

Von 
Ute Grundmann
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Seit 50 Jahren im Amt: der unverwüstliche Jürgen Schitthelm.

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Kritisch, unterhaltsam und diesseitig sollte es in der Berliner Schaubühne zugehen, "unser gesellschaftlicher Zustand" das Thema sein, dabei aber "kein Ersatz für die Zeitung, politischen Unterricht oder den Psychiater" sein. So sieht Jürgen Schitthelm auf die Gründungszeit der Bühne zurück, deren Direktor er 50 Jahre lang war und deren Leitung er nun abgibt.

Am 21. September1962 hob sich im Haus am Halleschen Ufer zum ersten Mal der Vorhang, für "Das Testament des Hundes" in der Regie von Konrad Swinarski. Diese Vorstellungen von einem Theater der besonderen Art sind für ihn "weitgehend noch heute gültig", sagt Jürgen Schitthelm im Interview. 1958 fanden sich vier Studenten der Theaterwissenschaft, zwischen 23 und 26 Jahren jung, zusammen, machten Studententheater und sich Gedanken über ein anderes Theater. "Wir wollten herausfinden, ob das Theater noch immer das Mittel war, mit dem man etwas über die jeweilige Situation des Menschen, über seine gesellschaftliche Verfassung herausfinden konnte."

Peter Steins großes Wirken

Man nahm sich große Vorbilder - Brecht am BE, Giorgio Strehler in Mailand, Roger Planchon - und startete im Bau am Halleschen Ufer in Kreuzberg. Der bot - ebenso wie das Folgedomizil am Lehniner Platz - besondere räumliche Bedingungen. Man hob die Beschränkungen des Guckkastens auf, ebenso die Trennung zwischen Bühne und Publikum, das oftmals Teil des Geschehens wurde.

Lange Jahre - von 1970 bis 1985 - überstrahlte Peter Stein als künstlerischer Leiter und Regisseur das Schaubühnen-Image, seine Tschechow-Inszenierungen sind so legendär wie das Ensemble, mit dem er arbeitete, Otto Sander, Edith Clever, Bruno Ganz, Jutta Lampe. Bernhard Minetti war "Lear", Klaus Michael Grüber holte die "Winterreise" ins Olympiastadion, die Uraufführung von Botho Strauß' "Groß und Klein" gab es in den CCC-Filmstudios. Es gab Uraufführungen von Peter Handke, Botho Strauß, Roland Schimmelpfennig oder Marius von Mayenburg, Projekte und Ensembleabende.

2002 inszenierte hier auch Mannheims jetziger Schauspielchef, Burkhard C. Kosminski, Tankred Dorsts Riesenstück " Merlin oder Das wüste Land". Und immer wieder kehrten Stücke wie "Die drei Schwestern" oder "Hamlet" zurück und lösten zuweilen Rezensenten-Schlachten aus, zu Zeiten, als die Theaterkritik noch viele Spalten füllen durfte.

1999/2000 trat dann eine Viererleitung an, mit Thomas Ostermeier, Jens Hillje, Jochen Sandig und Sasha Waltz. Die Choreographin verankerte Tanz und Tanztheater im Spielplan der Schaubühne, deren Programm immer noch durch Mitbestimmung der künstlerischen Mitarbeiter zustande kommt. Und auch Kollektiv-Inszenierungen, die immer mal wieder in den Spielplan kamen, sind für Schitthelm "keine Zeitgeist-Erscheinung, sondern eine sinnvolle Herangehensweise." So funktioniere zum Beispiel seit zwölf Spielzeiten das Jugendtheaterprojekt "Die Zwiefachen", das Jugendliche "aus betreuten Wohnprojekten im Rahmen unserer theaterpädagogischen Arbeit zusammenführt."

Und auch für die Schaubühne brachte die Wende Veränderung: Nun waren es nicht mehr drei große Sprechtheater in West-Berlin, sondern sieben in der ganzen Stadt, die ihr Publikum suchten. Hatte man bislang en suite gespielt - das sparte zeit- und kostenintensive Umbauten, Gäste konnten längerfristig bleiben - mussten nun mehr Produktionen und ein Repertoire her. Das hat die Schaubühne ebenso geschafft wie den Umzug von Kreuzberg (Hallesches Ufer) in Kudamm-Nähe (Lehniner Platz). Und für Schitthelm ist es auch nach 50 Jahren "angesichts der Größe und der kulturellen Liberalität der Stadt ein Privileg, in Berlin Theater zu machen." Und wie schrieb der Kritiker Friedrich Luft nach der ersten Premiere der "Schaubühnenleute": "Diese Truppe und ihr Theater sollten lange leben!"

403 Inszenierungen (bis Mai 2012), 534 Gastspielreisen mit 1453 ...

403 Inszenierungen (bis Mai 2012), 534 Gastspielreisen mit 1453 Vorstellungen.

1962 bis 1981 am Halleschen Ufer, seit 1981 im Mendelssohn-Bau am Lehniner Platz.

Künstlerische Leiter (u.a.): Peter Stein, Luc Bondy, Jürgen Gosch, Sasha Waltz, Andrea Breth, Thomas Ostermeier.

Regisseure (u.a.): Claus Peymann, Hansgünther Heyme, Peter Stein, Klaus-Michael Grüber, Frank-Patrick Steckel, Robert Wilson, Andrea Breth, Sasha Waltz, Thomas Ostermeier.

Das Buch: 50 Jahre Schaubühne, Verlag: Theater der Zeit, Berlin 2012. 600 Seiten, 585 Fotos, 50 Euro.

Infos: www.schaubuehne.de

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