Finkenbach. Es ist nicht der Schlamm des Mississippis, der an ihren Schuhen klebt. Es ist der durch den Dauerregen aufgeweichte Untergrund beim Finkenbacher Fußballplatz. Und doch klingt die Musik authentisch, die DeWolff, ein Trio um den Leadsänger und Gitarristen Pablo van de Poel, an diesem Abend machen. Es ist zwar nur Delta-Blues aus Rotterdam oder, genau genommen, Bluesrock aus der kleinen Stadt Geleen im Süden Hollands.
Aber der wird exzellent gespielt, mit echtem Enthusiasmus, hohem handwerklichen Können. Auch politisch sind die jungen Niederländer ziemlich aufgeweckte Typen - jüngst haben sie einen (Anti-) Liebesbrief an Donald Trump in einen neuen Song gegossen.
Led Zeppelin lassen grüßen
Musikalische Bezugspunkte sind für DeWolff freilich solch alte, bereits in die Sterbesümpfe abgetauchte Dinosaurier der Rock-Historie wie Led Zeppelin und Cream. Stilistisch völlig unverwechselbar ist diese Rotterdamer Gruppe also nicht, ihr internationaler Stil erinnert ab und zu an die modernen Rotweine, die alle süffig, schwer und erdig sind, bei denen aber, jedenfalls im Blindtest, schwer zu sagen wäre, ob sie nun aus Australien, Chile oder vielleicht doch aus Frankreich stammen. Das ist bei DeWolff die kleine Einschränkung - trotz mitreißender Live-Performance.
Talentierte junge Gruppen, die beim Publikum gut ankommen, auch wenn sie musikalisch (noch) nicht wirklich eigenständig sind, hört man beim Festival in Finkenbach im Odenwald des Öfteren. In Zukunft wird sich dieser Trend vermutlich eher noch verstärken: weil dem alten Krautrock-Mekka nach und nach die alten Krautrocker abhandenkommen.
Nächstes Jahr, wenn Guru Guru ihren 50. Geburtstag zu begehen haben, wird es noch einmal ein Treffen mit den alten Weggefährten geben, sollten diese noch in der Lage sein, aufzutreten - was leider niemand garantieren kann. Auch wenn es hart klingt: Schon die angegriffene Gesundheit mancher der bislang beteiligten Personen wird in Finkenbach recht bald zu einer Neuausrichtung führen müssen.
Maßgeblich über sie mitbestimmen wird natürlich Mani Neumeier, ohne den Guru Guru-Schlagzeuger und -Kopf hätte es Finkenbach in dieser Form nie geben können. Neumeier ist 76 und der älteste Aktive auf dem Festival - was ihm nicht anzusehen ist. Und anzuhören schon gleich gar nicht, allenfalls zu Anfang wirkt der Guru-Guru-Auftritt eine Spur gesetzter als gewohnt.
Der neue Gitarrist Jan Lindqvist will und soll die Rolle des im vergangenen Jahr verstorbenen Hans Reffert übernehmen - Lapsteel-Soli inbegriffen -; doch die ganze Band aufmischen soll er nicht. Die wohlbekannten Hits sind vollständig versammelt, in der Finkenbachtal-Hymne "Living In The Woods" tritt Neumeier im Outfit eines Odenwälder Medizinmanns (oder Platzhirschs) in Erscheinung. Selbstverständlich ist auch der "Elektrolurch" noch nicht vom Aussterben bedroht, trotz seines dinosaurierhaften Wesens. Sogar Finkenbacher Kleinkinder singen die Nummer aus den 70er Jahren mit. Und auch die reifen Guru Guru-Herren wirken ewig jung, verspielt und fröhlich.
Die 60er Jahre leben wieder auf
Während Arthur Brown ein finsteres Geheimnis zu bewahren scheint. Man könnte fast vermuten, dass der britische Sänger einem dieser nicht ganz unbedenklichen Romane des Marquis de Sade entsprungen sei, und sicher ist, dass er dem echten "Underground" der 1960er entstammt. Diese in England gloriose Zeit der Popmusik vermag der Sänger, anders als die Pretty Things am ersten der zwei Finkenbacher Abende, für ein Konzert lang wieder aufleben zu lassen.
Und wir tauchen in "The Crazy World Of Arthur Brown" - wie seine legendäre erste Platte hieß - bis in die letzten Winkel ein. Mit praller Theatralik, Tanzeinlagen und viel Schminke. Doch vor allem mit fantastischem Gesang: abgründig tief, ekstatisch hoch. Bei aller unberechenbaren Wildheit ist der Mann freilich auch Bildungsbürger. Sogar Richard Wagners "Tannhäuser" zitiert er kurz.
Seit 40 Jahren ein Treffpunkt der Rockfans
Alles fing 1976 an, als die Rockband Guru Guru um Schlagzeuger Mani Neumeier für ein Fest der Finkenbacher Feuerwehr verpflichtet wurde. Schon im Jahr darauf gab es das erste "echte" Festival in diesem kleinen Odenwälder Ort, zehn Kilometer hinter Hirschhorn.
Fortan spielten hier die etablierte deutsche Rockbands wie Kraan und Jane, aber auch internationale Gäste wie die US-Bluesgrößen Louisiana Red und Champion Jack Dupree.
Seit 2008 firmiert das Rockspektakel unter dem Motto Finki Open-Air. Seither sind dort viele Bands aufgetreten, die den sogenannten Krautrock der 1970er Jahre mitgeprägt haben.
Unter anderem waren experimentierfreudige Gruppen wie Faust, Embryo, Bröselmaschine und Amon Düül II zu Gast.
Aber auch britische Gruppen und Solisten wie Man, Arthur Brown oder The Quireboys standen in Finkenbach schon auf der Bühne.
Zum Festival 2017 kamen wegen schlechten Wetters weniger Besucher als gewohnt: knapp 1300.
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