Herr Schacht, am 25. Januar spielen Sie das erste Mal mit Ihrem Musik-Comedy-Duo Die Feisten das neue Programm „Familienfest“ im Capitol, in ihrer Wahlheimat Mannheim. Was ist inhaltlich zu erwarten? Der Titel klingt jetzt nicht primär nach Rock ’n’ Roll …
Rainer Schacht: Unser Rock ’n’ Roll ist gut verpackt. Der Gummihammer kommt immer dann um die Ecke, wenn du nicht mehr damit rechnest.
Was steckt hinter dem Titel? Vermutlich ein Lied …
Schacht: Genau. Familienfest ist ja erstmal ganz unverfänglich. Gleichzeitig ist es etwas, das jeder kennt. Wir zielen also wieder in die Mitte der Gesellschaft. So wie beispielsweise auch mit dem alten Song „Junggesellenabschied“. Das sind Phänomene, die jeden berühren. Ich denke, dass wir auf unsere Art etwas scheinbar Banales zu einer brisanten Erzählung machen können. Das ist auch die Intention hinter dem Lied „Familienfest“ mit dem Refrain „Familienfest … halt bitte meine Familie fest“.
Welche Klassiker aus der Geschichte der Feisten und des Vorgänger-Trios Ganz Schön Feist dürfen auf keinen Fall im Programm fehlen?
Schacht: Das „Gänseblümchen“! Etwas, was uns immer wieder überrascht. Weil das Lied schon so eine lange Laufzeit hat. Aber durch Erneuerung, wir ändern immer wieder Arrangement und Instrumentierung, können wir es so einbetten, dass es jeden Abend zu den Highlights des Programms gehört. Deshalb spielen wir es nach all den Jahren auch immer noch sehr gern.
Was gehört noch zum Pflichtprogramm?
Schacht: Unser „Smash-Hit“ „Du willst immer nur f**“. Der wird nach wie vor gerne gespielt und gehört.
Kann man zu neuen Liedern schon etwas verraten?
Schacht: Mit den neuen Songs sind wir jetzt in einer schönen Phase: Die kommen jetzt auf die Bühne, aber sie werden sich mit der Zeit noch verändern. Mehrfach womöglich. Das ist etwas, das wir über die Jahre lernen und akzeptieren mussten: Wenn man etwas auf die Bühne packt, dann ist es immer noch nicht fertig. Das heißt nicht, dass es schlecht wäre. Nur, dass sich Lieder durch Erfahrung, Publikumsreaktionen und die eigene Routine noch mal in der Darbietung verändern. Da kann es um Feinheiten in Gestik und Mimik gehen oder darum, wie man etwas singt. Das trifft zum Beispiel auf das neue Lied „007“ zu. Das ist zurzeit einer unserer Favoriten. Man kann ahnen, um was es dabei geht.
Interessant. Haben Sie da einen bestimmten Darsteller des Gemeinagenten James Bond vor Augen?
Schacht: Ich würde sagen den ewigen Bond. Wenn sie konkret fragen, den 007 aus unserer Jugend, also Sean Connery. Oder vielleicht Roger Moore. Wir sind nicht unbedingt James-Bond-Spezialisten. Uns geht es um dieses ganze Action-Genre von früher. Das drehen wir sozusagen noch mal durch den Wolf. Dazu passt die Zeile „Er wirft den Kuli hoch in die Rotorblätter, worauf der Hubschrauber dann einen Berg zerschmettert“. Dann gibt es noch das Lied „Beifahrer“.
Auch ein brisantes Thema mitunter …
Schacht: Ja, es beschreibt das Kommunikationsverhalten zwischen Mann und Frau beim Autofahren. Das in der Moderation so anzusprechen, reicht schon aus, damit die Leute ausrasten vor Lachen. Da wird offensichtlich etwas Gesamtgesellschaftliches angetriggert. Das Auto ist ja so etwas wie eine Anonymitätskapsel, was das Benehmen angeht. Die Aggression nach außen ist das eine, nach innen, klassisch zwischen Mann und Frau, ist noch mal etwas anderes.
Die Feisten mit Folgeterminen im Capitol, in Maikammer und Bensheim
- Multiinstrumentalist und Sänger Rainer Schacht wurde am 22. September 1963 im niedersächsischen Uslar geboren. Er verschrieb sich schon zu Schülerzeiten der Musik.
- Als Mitglied des Trios Ganz Schön Feist trug er ab 1989 (und bis 2012) mit Kultsongs wie „Gänseblümchen“ und „Du willst immer nur f**“ dazu bei, mit „Pop-A-Cappella-Comedy“ so etwas wie ein eigenes Genre zu kreieren. Unter anderem gewannen sie sowohl den Deutschen Rockpreis als auch die renommierte Bonner Kabarettauszeichnung Prix Pantheon.
- Nach einem Jahr Pause kehrte er mit Leadsänger C. (Matthias Zeh) als „Zwei-Mann-Song-Comedy“-Duo Die Feisten 2013 auf die Bühne zurück.
- Neue Nummern wie „Nussschüsselblues“ oder der Youtube-Hit „Kriech nicht da rein“ brachten ihnen 2017 den Deutschen Kleinkunstpreis ein.
- Der Auftritt der Feisten mit dem neuen Programm „Familienfest“ am Donnerstag, 25. Januar, 20 Uhr, im Mannheimer Capitol ist ausverkauft. Informationen zu eventuellen Restkarten unter Telefon 0621/33 67 333.
- Tickets gibt es noch für den Folgetermin im Capitol am Mittwoch, 16. Oktober (ab 34,10 plus Gebühren bei eventim.de). Außerdem gibt es noch Auftritte am 26. April im Bürgerhaus Maikammer und am 9. Juni im Parktheater Bensheim. Mehr: diefeisten.de
Der Mannheimer Auftritt am 25. Januar ist wie gewohnt ausverkauft, der Nachfolgetermin am 16. Oktober steht schon im Capitol-Kalender - warum läuft es bei den Feisten so gut? Sie hatten quasi keine Pandemie-Delle und es kommen mehr Leute als je zuvor.
Schacht: Wir zwicken uns regelmäßig gegenseitig, wenn wir sehen, was im Konzertsaal los ist. Immer mehr Menschen kommen zu unseren Auftritten, die meisten freiwillig. Ich glaube, wir berühren die Leute an Stellen, von denen sie gar nicht ahnten, dass es sie überhaupt gibt.
Gleichzeitig spielen sie noch eine ganze Weile das Vorgängerprogramm „Jetzt!“ und die Best-of-Show. Kommen Sie so nicht ständig durcheinander auf der Bühne?
Schacht: Texthänger und Blackouts sind bei drei parallel gespielten unterschiedlichen Programmen garantiert. Wir haben zu unserer eigenen Beruhigung festgestellt: Ein spektakulärer Verspieler ist oft der Höhepunkt des Abends.
Bei Musik-Acts dreht sich der Tour-Rhythmus meist um Album-Veröffentlichungen - selbst bei den Rolling Stones, die eigentlich nur 50 Jahre alte Lieder spielen müssten. Ihre letzte CD „Radio Uwe & Claus“ ist von 2021 - haben sich Die Feisten von Tonträgern verabschiedet?
Schacht: Nicht ganz. Doch die Prioritäten haben sich ganz deutlich hin zu den Live-Tourneen gedreht. Erst das Bühnenprogramm, dann, wenn wir uns richtig gut damit fühlen, folgt das Live-Album. Die Studioproduktion „Radio Uwe & Claus“ haben wir während der pandemiebedingten Auszeit hergestellt. Sonst würde es dieses Studioalbum nicht geben.
Wobei ich vermuten würde, bei Konzerten können Sie kiloweise Vinyl verkaufen - Ihr differenzierter Sound hätte es verdient, oder?
Schacht: Die Nachfrage nach der guten, alten Schallplatte ist überraschend. Unser Publikum kann man wohl durchaus lebenserfahren nennen. Doch haben wir auch sehr junge Menschen um die 20 an Bord, die definitiv nicht wissen, was sie mit dem großen Quadrat und dem sich darin befindlichen schwarzen Frisbee anfangen sollen. Allein aus Neugier wird die LP dann gekauft. Wir bieten wohl demnächst auch Schallplattenspieler an (lacht).
Bei Spotify haben Die Feisten an die 50 000 monatliche Hörerinnen und Hörer, was laut Popakademie und jüngeren Acts heutzutage die härteste Währung für Recording Artists ist. Buchstäblich gefragt: Was können Sie sich davon kaufen - eine Pizza pro Monat?
Schacht: Ja, die Pizza wird dann brüderlich geteilt. Allerdings lernen uns etliche User über Spotify kennen. Damit geht das dann in Ordnung.
2024 ist ein Jahr, in dem politisch allein durch die Wahlen in den USA und Ostdeutschland noch mehr Chaos ausbrechen kann als zuletzt schon. Was machen die gereizte Stimmung und die furchtbaren Kriegsbilder mit dem eher vergnüglich angelegten Songwriting der Feisten?
Schacht: Wir sind informiert und folglich erschüttert. Das geht gar nicht anders. Doch ich nehme mir auch das Recht auf Abschalten des Newsflashs. Denn sonst könnte ich nicht mehr gut arbeiten.
In der Pandemie haben Sie mit „Verschwörungstheorien“ Ihr vielleicht brisantestes Lied veröffentlicht. Und wenn man in die YouTube-Kommentare schaut, haben viele Selbst- und Querdenker die Ironie nicht verstanden. Kommt da trotzdem noch mehr in dieser Richtung?
Schacht: Interessant war, dass wir von Teilen unserer eigenen Fanbase überrascht wurden. Da half der Blick zurück: Vor langen Jahren spielten wir das Lied „In der Kirche“. Es beschreibt kirchliche Zeremonien und das etwas Düstere im Ablauf eines Gottesdienstes aus der Sicht eines kleinen Jungen. Die folgende Aufregung und Empörung aus bestimmten, auch organisierten Communities war immens. Wir spielten dasselbe Lied kürzlich dann mal wieder. Aufregung und Empörung gleich Null. Denn das, was in den Jahren an Skandalen und unsäglichem Missbrauch in der Kirche zum Vorschein kam, machte unseren Song völlig banal und bedeutungslos. „In der Kirche“ ist von der Kirche links und rechts überholt worden. Aufreger haben eine Halbwertszeit. Der nächste kommt bestimmt. Vielleicht sind wir deswegen selten tagesaktuell. Wir halten es wohl auch in Zukunft eher wie ein „Gänseblümchen“. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Sie leben seit rund zehn Jahren in Mannheim. Zieht es sie noch mal weg oder gefällt es Ihnen zu gut in der Kurpfalz?
Schacht: Es gefällt mir, meine Frau Kirsten und ich werden hierbleiben. Es gab mal kurz die Überlegung, zurück in die niedersächsische Heimat zu gehen. Das machen wir wohl nicht mehr. Zum einen gefällt mir die Stadt Mannheim. Zum anderen ist es die ganze Region. Wenn man mal Zeit hat und einen Kreis von hundert Kilometern zieht, dann kannst du einiges sehen. Wenn ich denselben Kreis in meiner alten Heimat ziehe, dann bin ich noch nicht mal in Hannover.
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